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Wien - Einkaufszentrum, U-Bahn-Station, Verkehrshölle, der Wienfluss und die Mutter aller Discos, das U4 - das Bezirksgericht Meidling in der Schönbrunner Straße liegt mitten im Leben. Bis zu 150 Menschen nutzen jeden Dienstagvormittag den hiesigen Amtstag, um bei den zwölf Richtern und zehn Diplomrechtspflegern Klagen und Anträge einzubringen oder Erklärungen zu Protokoll zubringen. Die Bandbreite reicht von Scheidungen und Obsorgestreitereien bis hin zu kleineren Straf- und Zivilverfahren.

Im langen Gang sitzt ein junger Mann, der gerade im Secondhand-Geschäft im Erdgeschoß seine Uhr verkauft hat. Mit dem Erlös will er die Aufschiebung einer Exekution erreichen. Diese Hoffnung begleitet viele herauf in den fünften Stock des Gebäudekomplexes, in dem das Bezirksgericht für den 12. Bezirk untergebracht ist. "Meidling hat 87. 000 Einwohner, pro Jahr haben wir es hier mit mehr als 18.100 Exekutionsverfahren zu tun", schildert Gerichtsvorsteher Oliver Scheiber eines der auffälligsten Probleme. Dazu kommen jährlich unter anderem 8263 Zivilverfahren (bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro), 965 Verlassenschaftsverfahren, knapp 500 Strafverfahren und mehr als 200 Scheidungen.

39 Standorte schon gestrichen

Beim Amtstag können Menschen direkt in Kontakt mit der Justiz treten, eine Vorsprache ist kostenlos. Was beim Amtstag nicht geht: allgemeine Rechtsberatung, Überprüfung von Verträgen, komplexere Anzeigen. Personen, die bereits anwaltlich vertreten sind, können am Amtstag keine "zweite Meinung" einholen.

Für Gerichtsvorsteher Scheiber ist der Amtstag die Verwirklichung der sprichwörtlichen Bürgernähe. Er rechnet nicht damit, dass Meidling von der geplanten Zusammenlegung von Bezirksgerichten betroffen sein wird. Über die politische Entscheidung zu einer schlanken Verwaltung will er sich kein Urteil anmaßen.

Nicht die erste Sparwelle

Es ist jedenfalls nicht die erste Sparwelle bei Bezirksgerichten, erst vor wenigen Jahren wurde österreichweit von 180 auf derzeit 141 Standorte reduziert. Dort, wo die Bezirksgerichte gestrichen wurden, werden regelmäßig sogenannte Gerichtstage abgehalten.

Neben dem Dauerbrenner Kinderobsorge registriert Familienrichterin Romana Fritz zunehmende Anfragen zur Sachwalterschaft. "Menschen werden immer älter und brauchen dann eben Hilfe", meint sie. Wenn notwendig, auch gegen die Sachwalter. (Michael Simoner, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2012)