Santiago de Chile - Die chilenische Justiz hat fünf frühere Schergen der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet am Dienstag (Ortszeit) zu fünf- bis zehnjährigen Haftstrafen wegen "Verschwindenlassens" dreier Oppositioneller verurteilt. Dem Urteil zufolge nahmen Agenten von Pinochets gefürchteter Geheimpolizei die Mitglieder der "Bewegung der Vereinigten Volksunion" (MAPU) im Mai 1976 fest, unter ihnen eine schwangere Frau. Sie wurden in die Villa Grimaldi, ein Folterzentrum in der Hauptstadt Santiago, gebracht.

Von "Colonia Dignidad" aus koordiniert

Der Richter Jorge Zepeda sah es als erwiesen an, dass "Festnahme, Folter und Verschwindenlassen" von der im Süden des Landes gelegenen Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad" aus koordiniert wurden. Den ehemaligen Geheimdienstchef Ex-General Manuel Contreras verurteilte der Richter zu zehn Jahren Gefängnis. Er wurde bereits wegen schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte und des Mordes an Ex-Armeechef General Carlos Prats und dessen Frau zu mehr als 200 Jahren Haft verurteilt. Pinochets berüchtigter Geheimdienst DINA (später in CNI umbenannt) wird für das "Verschwindenlassen" von mehr als 3000 Menschen und für die brutale Misshandlung von 28.000 weiteren verantwortlich gemacht. Ihm wurde auch der Mord an Ex-Außenminister Orlando Letelier 1976 in Washington zur Last gelegt. Letelier, der unter dem von Pinochet gestürzten Präsidenten Salvador Allende Anfang der 1970er Jahre zunächst das Außenministerium, dann das Innen- und das Verteidigungsministerium geleitet hatte, war nach dem blutigen Militärputsch vom September 1973 interniert und gefoltert worden. Unter internationalem Druck musste das Militärregime dem Politiker, der auch Botschafter seines Landes in den USA gewesen war, die Ausreise gestatten. Letelier emigrierte daraufhin in die USA, wo er am 21. September 1976 einem Bombenanschlag zum Opfer fiel.

Deutsche Sektensiedlung

Carlos López, ein ehemaliger Oberst, bekam ebenfalls eine zehnjährige Haftstrafe. Der frühere Polizeipräfekt Eugenio Fieldhouse sowie die beiden Führungsmitglieder der Colonia Dignidad, Gerhard Mücke und Karl van den Berg, müssen wegen Komplizenschaft für jeweils fünf Jahre hinter Gitter. Die deutsche Sektensiedlung - später in "Villa Baviera" umbenannt - hatte der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland ausgewanderte frühere Wehrmachtsgefreite Paul Schäfer Anfang der 1960er-Jahre in einer Bergregion im Süden des Landes mit rund 300 ihm sklavisch ergebenen Getreuen, darunter auch Österreichern, gegründet. Unter Pinochets Herrschaft in den Jahren 1973 bis 1990 sollen politische Gefangene auf dem weiträumigen Gelände der Deutschen-Kolonie zu Tode gefoltert worden sein. Schäfer starb 2010 im Alter von 88 Jahren im Gefängnis. Er war wegen Mordes, Folter, sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, Waffenschmuggels und anderer Verbrechen verurteilt worden.

Ebenfalls angeklagt war der frühere Vizechef und Arzt der Siedlung, Hartmut Hopp. Dass Verfahren gegen ihn wurde nach seiner Flucht aus Chile im Mai 2011 zunächst vorläufig eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt seit einigen Monaten gegen Hopp. Die chilenische Justiz hat seine Auslieferung aus Deutschland beantragt. (APA)