Wien - Die Telekom Austria kommt unmittelbar vor dem Start des Korruptions-U-Ausschusses im Parlament nicht zur Ruhe. Wie das Magazin "News" berichtet, gibt es neue Vorwürfe zu den Immobiliengeschäften des teilstaatlichen Marktführers bei Festnetz, Internet und Telefonie. Des weiteren soll der Ex-Monopolist versucht haben, im Zuge der Liberalisierung des Telekommarktes einen "künstlichen Konkurrenten" aufzubauen. Und auch beim Blaulichtfunksystem Tetron, das unter dem ehemaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) vergeben wurde, gibt es "News" zufolge neue Ungereimtheiten. Die Telekom soll den Ermittlungsbehörden entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt haben. Alle Beschuldigten haben bisher vehement sämtliche Vorwürfe bestritten.

Der Reihe nach: Einem früheren Telekom-Immo-Manager werden demnach eine wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Vergabeverfahren, Geschenkannahme und Untreue vergeworfen. Die Telekom selbst spricht in ihrer Sachverhaltsdarstellung und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft von "Untreue", "Betrug", "Verschleuderung von TA-Vermögen" und Korruption. Im Kern geht es um die Sanierung von Telekom-Gebäuden, mangelhafte Bauaufsicht, unterpreisige Liegenschaftsverkäufe und Ähnliches mehr. Aufgrund der eidesstattlichen Aussage einer Angestellten einer involvierten Firma bestehe der Verdacht, dass Baufirmen auch unentgeltlich beim Bau der Privatvilla des Telekom-Managers arbeiteten, schreibt das Magazin.

Einer anderen Telekom-Mitarbeiterin wurde laut Berichterstattung von einem Lieferanten ein Auto finanziert, eine Mietwohnung erhielt sie gegen Ersatz der Betriebskosten. Ein früherer Mitarbeiter der Telekom-Immo arbeitete wiederum als Konsulent eines Lieferanten, der nahezu ausschließlich von angeblich abgesprochenen Telekom-Aufträgen profitierte.

Weiters widmet sich "News" den Beratungstätigkeiten des Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly. Demnach habe die Telekom in Zusammenhang mit einer bereits bekannten Zahlung von 1,1 Mio. Euro an Mensdorffs ungarische Firma M.P.A. ursprünglich angegeben, es handle sich um die Entlohnung für ein Projekt namens "Infratech/Alpha". Laut Aussagen des früheren Telekom-Managers Gernot Schieszler, der die Kronzeugenregelung anstrebt, soll es sich aber um Zahlungen im Zusammenhang mit dem Blaulichtfunk handeln.

Heimlicher Ausgleich der Verluste

Nahezu abenteuerlich klingt der nächste Vorwurf: Der überragende Marktführer Österreichs soll versucht haben, alternative Netzbetreiber im Zuge der Liberalisierung des Telekommarktes mit einem "Scheinkonkurrenten" unter Druck zu setzen. Demnach soll im Jahr 2000 eine Treuhandlösung für die Finanzierung des "Mitbewerbers" ausgesetzt worden sein. Das Konzept ging aber nicht auf, Verluste wurden jahrelang heimlich ausgeglichen.

Last but not least geht es bei den neuen Vorwürfen einmal mehr um die Ostgeschäfte der Telekom - konkret um die weißrussische Velcom, deren Abwertungen gerade die Bilanz der Telekom belasten. In dem autoritär regierten Land soll es zu Schmiergeldzahlungen gekommen sein, so der Verdacht der Ermittlungsbehörden. Namen wurden in dem Bericht nicht genannt.

Verhandlungsführer damals sollen laut Telekom die drei Telekom-Vorstände Boris Nemsic, Hans Tschuden und Rudolf Fischer gewesen sein. Der aktuelle Telekom-Boss Hannes Ametsreiter war nicht Mitglied des Boards. Nemsic war damals Telekom-Vorstandsvorsitzender und wechselte dann zur russischen VimpelCom, Tschuden ist nach wie vor Finanzvorstand der Telekom. Gegen Fischer ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen zahlreicher Ungereimtheiten und ungeklärter Zahlungen rund um den Lobbyisten Peter Hochegger.

Bilanz 2011

Die Telekom Austria Group wird das Geschäftsjahr 2011 mit einem satten Verlust abschließen. Maria Veronika Sutedja, Analystin der Erste Group, erwartet für das Vorjahr nach derzeitigem Stand unterm Strich ein Minus von etwa 200 Mio. Euro, das sich aus den Abwertungen sowie dem Restrukturierungsaufwand - sprich Kosten für den Mitarbeiterabbau - ergibt. "Das wird eine ganz rote Bilanz werden", meinte sie. Die gestern bekanntgegebene Aufwertung des Eigenkapitals sei zwar positiv, habe aber keine signifikante Auswirkung auf das Verhältnis Netto-Verschuldung zu Eigenkapital (Gearing).

Sutedja erwartet, dass der Investor Ronny Pecik seinen Telekom-Anteil von derzeit 20 auf 25 Prozent plus eine Aktie erhöhen könnte, wobei sich die zuletzt positive Kursentwicklung danach wieder abschwächen könnte. Der ägyptische Telekom-Magnat Naguib Sawiris, der sich gemeinsam mit Pecik bei der teilstaatlichen Telekom einkauft, hatte gestern bekanntgegeben, den gemeinsamen 20-Prozent-Anteil auf 25 Prozent erhöhen zu wollen.

Die teilstaatliche börsennotierte Telekom hat am Mittwoch die Dienstagabend verlautbarte Aufwertung des Eigenkapitals bei gleichzeitiger Abwertung nach IFRS-Standards für die Hyperinflations-Rechnungslegung begründet. "Durch die hohe Inflation stieg das Anlagevermögen in der Buchhaltung um über 400 Mio. Euro an. Dies entspricht nicht dem Unternehmenswert auf Basis der Businessplanung. Daher musste der aufgewertete Buchwert um 300 Mio. Euro abgewertet werden", erläuterte Investor-Relations-Manager Matthias Stieber.

Hyperinflationslegung

RCB-Analyst Bernd Maurer sieht in der Meldung vom Dienstag die Bezifferung des schon im November bekanntgegebenen Effekts aus der Hyperinflationslegung. Es sei nun in den Büchern umgesetzt worden, was schon im Dezember bekanntgegeben wurde. "Der Effekt wurde schon vorher vom Unternehmen angekündigt", so Maurer. Der positive Effekt auf das Eigenkapital überwiege, wie das leichte Kursplus von 0,29 Prozent auf 9,07 Euro am Mittwochmorgen gezeigt habe. Bis gegen Mittag gab der Telekom-Kurs dann allerdings um 2,38 Prozent bei allgemein rückläufigem ATX-Wert nach.

Die Telekom hatte am Dienstag betont, dass trotz der Rieseninflation in Weißrussland der Ausblick für 2011 bestätigt werde: Umsatzerlöse in der Höhe von ungefähr 4,5 Mrd. Euro, ein bereinigtes EBITDA von bis zu 1,55 Mrd. Euro und ein operativer Free Cashflow von bis zu 800 Mio. Euro. Weiters bestätigte die Telekom Austria Group die halbierte Dividende für 2011 und 2012 in Höhe von 0,38 Euro pro Aktie. Im November 2011 war die Telekom noch von 0,76 Euro ausgegangen.

Rating herabgestuft

Vergangene Woche hatte die Ratingagentur Moody's das Langfrist-Rating für die Telekom um einen Punkt von A3 auf Baa1 gesenkt. Begründet wurde dieser Schritt mit der erwartet schwachen operativen Performance, beeinflusst durch Regulierung, intensiven Wettbewerb und ein schwaches wirtschaftliches Umfeld in Österreich und in anderen Ländern, in denen die Gruppe tätig ist. Weiters würden die bevorstehenden Investitionen, etwa bei den Frequenzvergaben ("Digitale Dividende"), zusätzlichen Druck auf die Finanzlage der Telekom ausüben. Das könne durch die jüngst angekündigte Dividendenkürzung nicht völlig kompensiert werden, erwartet die Ratingagentur. Der Ausblick für das Rating ist aber stabil. Der Staatsanteil bei der Telekom von 28,42 Prozent habe sich positiv auf das Rating ausgewirkt, hieß es.

Am Montag dieser Woche hatte der in Österreich mit "A1" am Markt agierende Konzern angekündigt, die Festnetz- und Internettarife anzuheben. In Internetforen sorgte dies für Spekulationen, dass die heimischen Kunden für das Telekom-Engagement nun bluten müssen. Die Telekom hatte bei der Ankündigung der Preiserhöhung betont, dass es sich um die Abgeltung von Mehrkosten handle, die durch die hohen Investitionen in den Netzausbau in Österreich entstanden seien.

Das Engagement in Weißrussland - laut Menschenrechtsaktivisten handelt es sich um die letzte Diktatur in Europa - sorgt auch auf juristischer und parlamentarischer Ebene für Ungemach. Im U-Ausschuss zu den zahlreichen Korruptionsaffären rund um die Telekom wird der Kauf der Velcom auch eine Rolle spielen. (APA)