Tokio - Die Exportnation Japan fällt im internationalen Wettbewerb zurück: Erstmals seit mehr als 30 Jahren hat die nach den USA und China drittgrößte Volkswirtschaft wieder mehr Waren eingeführt als ausgeführt. Damit ergab sich in der Handelsbilanz 2011 das erste Defizit seit 1980. Hauptgrund für die drastisch gestiegenen Importe war der Energie-Engpass wegen der vielen still gelegten Meiler nach der Atomkatastrophe von Fukushima: Dies führte dazu, dass Japan auf massive Energie-Einfuhren angewiesen war. Doch auch viele einstige Exportvorreiter wie Toyota und Sony geraten zunehmend ins Hintertreffen durch starke Konkurrenz aus Deutschland etwa durch Volkswagen oder durch Firmen wie Samsung aus Südkorea. Gedrückt wurde der Export auch durch den starken Yen, der japanische Waren im Ausland verteuert.

Experten sagen dem Land schwere Zeiten voraus. "Die wachsende Konkurrenz aus China, Südkorea und Deutschland wird belasten", sagte Jesper Koll von JP Morgan in Tokio. "Nach dem Erdbeben sind wir davon ausgegangen, dass das Handelsdefizit ein vorübergehendes Phänomen sein wird", sagte der Chefvolkswirt von RBS Securities, Junko Nishioka. "Aber seither haben wir einen Abschwung in Europa und in asiatischen Schwellenländern gesehen, so dass wir unsere Einschätzung geändert haben."

Dezember dritter Monat in Folge mit Handelsdefizit

Wie das Finanzministerium mitteilte, belief sich das Handelsdefizit 2011 umgerechnet auf etwa 24,5 Milliarden Euro. Die Exporte schrumpften um 2,7 Prozent, während die Importe um zwölf Prozent anschwollen. Das Defizit ist umso dramatischer, als Japans Exportwirtschaft die Finanzkrise in Asien Ende der 1990er Jahre weitgehend schadlos überstand ebenso wie den weltweiten Abschwung nach der Lehman-Pleite von 2008.

1980, als Japan zuletzt ein Handelsdefizit ausweisen musste, hatte die Wirtschaft unter dem Ölpreisschock gelitten. Auch die globale Konjunkturdelle macht sich nun in den Zahlen bemerkbar. Für Dezember musste Japan bei den Exporten sogar ein Minus von acht Prozent verglichen zum Vorjahr ausweisen. Es war der dritte Monat in Folge mit einem Defizit. Grund waren vor allem die gesunkenen Auslieferungen von elektronischen Bauteilen. Durch das Beben vom Frühjahr, das die Atomkatastrophe ausgelöst hatte, waren auch viele Fabriken von Firmen der Maschinenbau-, Auto- und Unterhaltungselektronik-Branche beschädigt. Die Produktion lag zeitweise ganz still. Die Importe kletterten im Dezember dagegen ebenfalls um gut acht Prozent, getrieben von den Energie-Einfuhren. Die Atomkatastrophe führte dazu, dass bis dato nur vier der 54 Meiler am Netz sind. Alle anderen sind aus Sicherheitsgründen abgeschaltet.

Bevölkerung überaltert

Die Zahlen belegen Analysten zufolge einen breiteren Trend, wonach Japan im internationalen Vergleich zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. Mit einem Schuldenberg von mehr als dem Doppelten des jährlichen Bruttoinlandsproduktes ist Japan bereits das am stärksten verschuldete Industrieland. Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit erschwert auch die Haushaltssanierung. Die Bevölkerung ist zudem überaltert, was hohe Kosten für das Sozial- und Gesundheitssystem zur Folge hat.

Experten fürchten, dass Japan seine Schulden nicht mehr ohne das Anzapfen von Investoren aus dem Ausland abbauen kann, wenn die Kapitalflüsse durch die Exporte weiter nachlassen. "Das würde bedeuten, dass Japan sein Defizit durch das Ausland finanzieren muss", sagte Analyst Koll. Bislang muss Japan aber kein Ungemach von Investorenseite befürchten. Japanische Staatsanleihen sind derzeit zu 95 Prozent im Besitz japanischer Investoren. Damit genießt Japan vergleichsweise großen Rückhalt, denn heimische Anleger stoßen ihre Papiere in der Regel nicht so schnell ab wie ausländische, wie die Erfahrungen aus der europäischen Schuldenkrise zeigen. (Reuters)