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Protest in Polen
Die Entscheidung der polnischen Regierung, am internationalen Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) gegen Internet-Piraterie festzuhalten, hat die Proteste im Land noch verstärkt. Inzwischen haben sich eine halbe Million polnischer Internetnutzer gegen den Vertrag ausgesprochen. Ministerpräsident Donald Tusk von der rechtsliberalen "Bürgerplattform" (PO) hatte am Dienstag erklärt, die Regierung werde das Abkommen unterzeichnen und sich "nicht erpressen" lassen.
"Unterschreibe nicht, sonst veröffentlichen wir kompromittierende Unterlagen über deine Behörde"
Die polnische Botschafterin in Japan werde das Abkommen am Donnerstag unterschreiben, erklärte Tusk bei einer Pressekonferenz. "Es ist doch unvorstellbar, dass die polnische Regierung jemandem nachgibt, der sagt: Unterschreibe nicht, sonst veröffentlichen wir kompromittierende Unterlagen über deine Behörde", sagte Tusk. Er bezog sich damit auf die seit dem Wochenende anhaltenden Angriffe von Hackern auf Internetseiten der Regierung. Der polnische Ableger der Organisation Anonymous und die Organisation Polish Underground hatten sich der Seiten bemächtigt und Daten vom Computer eines Staatssekretärs gestohlen. Außerdem veröffentlichten Hacker inzwischen Codewörter für den Zugang zu E-Mail-Konten von Regierungsmitgliedern.
Tusk versicherte, seine Regierung wolle die Meinungsfreiheit im Internet nicht einschränken. Er habe sich deshalb in den vergangenen Tagen mit Vertretern von Organisationen getroffen, die sich für den Schutz dieses Grundrechts engagieren. Sein Kabinett werde Gesetze erarbeiten, die diese Freiheit noch stärker als bisher schützen sollen, so Tusk.
"Etwa eine halbe Million haben ihre Ablehnung von ACTA namentlich ausgedrückt"
Viele Internetnutzer konnten diese Versicherungen bisher nicht überzeugen. "Etwa eine halbe Million haben ihre Ablehnung von ACTA namentlich ausgedrückt", sagte der Soziologe Dominik Batorski der Nachrichtenagentur PAP. Das sei die größte derartige Protestbewegung, die das Land bisher erlebt habe - "ein gutes Zeichen für die Zivilgesellschaft in Polen", so Batorski. Für Tusks PO ist der Protest besonders schmerzhaft, weil die Partei vor allem von den Jüngeren und Gebildeteren gewählt wird, die unter den ACTA-Gegnern überproportional vertreten sind.
Die Unterschrift der Regierung unter das internationale Abkommen muss im Anschluss vom polnischen Parlament ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Hier setzte sich die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) mit dem Vorschlag durch, drei Parlamentsausschüsse in einer gemeinsamen Sitzung beraten zu lassen. Alle Oppositionsparteien sprechen sich inzwischen gegen ACTA aus. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski entschuldigte sich in einer Pressekonferenz dafür, dass die Europaabgeordneten der Partei noch 2010 im EU-Parlament in einer Resolution den Vertrag befürwortet hatten.
"Die Regierung hätte der Öffentlichkeit früher erklären müssen, worum es geht und welche Folgen das hat"
Auch in der Regierungskoalition gibt es verhaltene Kritik am Umgang mit dem Abkommen. "Die Regierung hätte der Öffentlichkeit früher erklären müssen, worum es geht und welche Folgen das hat", sagte der Fraktionsvorsitzende der Bauernpartei PSL, des kleinen Koalitionspartners der PO, Jan Bury, im öffentlich-rechtlichen Radio. Allerdings werde der Inhalt von ACTA schon heute zu 90 Prozent in der EU umgesetzt, so Bury.
Österreich will ACTA am Donnerstag unterschreiben
Das Abkommen ist in den vergangenen Jahren unter anderem zwischen den USA, Japan und der EU ausverhandelt worden und soll Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen bekämpfen. Die österreichische Bundesregierung hat am Dienstag die Unterzeichnung beschlossen - der WebStandard berichtete. Dies soll am Donnerstag passieren. (APA)