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Regisseur Theo Angelopoulos, Schöpfer kontemplativer Filme über den Wandel Griechenlands und die Verwerfungen der europäischen Geistesgeschichte.

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Wien - Eines der stärksten Bilder der historischen Wende von 1989 stammt von dem griechischen Filmemacher Theo Angelopoulos: In Der Blick des Odysseus zeigte er 1995, wie der Kopf einer gigantischen Leninstatue auf einem Frachter abtransportiert wurde. Das ist an sich kein so besonderer Vorgang, doch ist er voller mythischen Resonanz - irgendwo zwischen Styx und Barbarossa können wir uns diesen Lenin denken, den schlafenden Protagonisten einer Idee, die auf schreckliche Weise uneingelöst geblieben ist.

In seiner Verdichtung ist das ein Bild, wie es für die Filme von Theodors Angelopoulos typisch ist: Durch die Geschichte hindurch schien er immer auf etwas Grundsätzlicheres zu blicken, auf eine Form des Erzählens, die mit dem Ewigen in Verbindung steht. Da ist es nicht verwunderlich, dass einer seiner späten Filme den programmatischen Titel Die Ewigkeit und ein Tag trug. Diesen "einen Tag", auf den es ankommt, versuchte er immer wieder aus dem Staub der Zeit (ein weiterer markanter Filmtitel) zu retten.

Das Spätwerk von Angelopoulos soll nun aber nicht den Blick darauf verstellen, dass er zutiefst mit der griechischen Zeitgeschichte verbunden war - mit der Opposition gegen das Regime der Generäle vor allem, in der für ihn so viele eigene Erfahrungen zusammenliefen. Denn schon, als er 1935 in eine athenische Kaufmannsfamilie hineingeboren wurde, herrschte in Griechenland ein General, und die Erfahrungen mit einer politisch unentschlossenen Bourgeoisie hat er später immer wieder als bestimmend genannt. Das einschneidende Erlebnis der Kindheit aber machte ihn schon früh immun gegen die Versuchung des Kommunismus: Im "Roten Dezember" 1944 wurde sein Vater von KP-Anhängern als "Verräter" denunziert.

Mitte der Fünfzigerjahre schwankte Angelopoulos zwischen Dichtkunst und Rechtswissenschaft. Nach dem Militärdienst fasste er einen kühnen Entschluss und ging nach Paris, wo er bei dem großen Strukturalisten und Mythenforscher Claude Lévi-Strauss studierte und bald darauf in der Filmhochschule IDHEC Aufnahme fand, wo er bei Jean Rouch vor allem dokumentarisches Kino kennenlernte.

Angespannte Ära

Als 1967 in Griechenland die Generäle putschten, war Angelopoulos bereits wieder in Athen, wo er als Filmkritiker arbeitete und wo ihm der Musiker Vangelis das Geld für einen ersten Kurzfilm verschaffte. Von diesen ersten Versuchen bis zu den frühen Meisterwerken seiner Trilogie der Geschichte ist es aber ein so großer Sprung, dass man dahinter die Energien einer politisch wie gesellschaftlich höchst angespannten Ära vermuten muss. Vor allem Die Wanderschauspieler (1972) kann als Nationalepos des modernen Griechenland gesehen werden, kritisch in seiner Verbindung verschiedener Regimes (Diktatur, Bürgerkrieg) und des Rückbezugs auf die antiken Erzählungen.

Auch die darauffolgenden Arbeiten wurden zu einer Trilogie (der Stille) zusammengefasst - sie bildet den zweiten Kern dieses Werks: Marcello Mastroianni in Der Bienenzüchter oder das Geschwisterpaar, das sich in Landschaft im Nebel auf den Weg nach Deutschland macht, das sind Figuren einer grundsätzlichen Verlorenheit. Die politischen Bruchlinien Griechenlands im 20. Jahrhunderts durchkreuzte Angelopoulos schließlich in seiner Trilogie der Grenzen auch noch insofern, als er auf die größere südosteuropäische Landschaft verwies, der sein Heimatland zugehört.

Am Dienstag wurde Theo Angelopoulus durch einen Motorradfahrer bei einem Unfall so schwer verletzt, dass er kurz darauf im Krankenhaus starb. Dass die Rettung aufgrund logistischer Probleme verspätet eintraf, wirkt wie ein Menetekel für Griechenland, dessen Krise er in dem Film Das andere Meer aufgreifen wollte, der nun unvollendet bleiben wird.  (Bert Rebhandl  / DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2012)