Die Vorsitzende einer von der EU-Kommission eingesetzten Arbeitsgruppe zu Medienfreiheit, Vaira Vike-Freiberga, hat Ungarn zur Änderung seines umstrittenen Mediengesetzes aufgefordert. "Ich glaube, dass Ungarn und seine Führungspersönlichkeiten weise wären, wenn sie die Gesetze und Verordnungen überdenken, die sie beschlossen haben, um nicht im Widerspruch zu verschiedenen fundamentalen Prinzipien zu stehen, die international, in der Menschenrechtscharta, den europäischen Konzepten der freien Meinungsäußerung angenommen wurden", sagte die frühere lettische Präsidentin am Mittwoch nach Beratungen der Gruppe in Brüssel.

"Eine Besorgnis, die im Fall Ungarns im Gegensatz zu anderen herauszustechen scheint, war die außerordentliche Konzentration von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten im Medienrat", sagte Vike-Freiberga. Es scheine, dass dieses Gremium mit Funktionen betraut sei, die in anderen Ländern getrennt ausgeübt würden". Der Medienrat könne Chefs von Rundfunkkanälen ernennen und über Strafen entscheiden, gegen die Medien keine gerichtliche Berufungsmöglichkeit hätten, weil die Bußen sofort von den Steuerbehörden eingehoben würden. "Das sind potenzielle Quellen von Druck auf Medien", kritisierte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe. Dem Medienrat gehören ausschließlich Verbündete der Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban an.

Argumentation Budapests widerlegt

Vike-Freiberga widersprach der Argumentation der ungarischen Regierung, wonach das Mediengesetz ähnliche Bestimmungen enthalte wie in allen anderen EU-Ländern. "Das ganze Paket zusammen scheint derzeit mehr Restriktionen auf die Medien in Ungarn auszuüben, als wir bisher irgendwo sonst in Europa sehen konnten." Die Arbeitsgruppe beruft sich dabei auf eine Studie des "Center for Media & Communication Studies" der "Central European University" in Budapest. Experten aus verschiedenen EU-Staaten hätten die Lage überprüft und herausgefunden, dass in vielen Fällen die Lage in den europäischen Ländern von Budapest falsch dargestellt worden sei, sagte Vike-Freiberga.

Nur in einigen Fällen seien die Argumente der ungarischen Regierung richtig gewesen. So könne auch in Frankreich der Präsident den Chef des nationalen Fernsehens ernennen, was "in der Tat kein gutes Beispiel für Europa ist". Vike-Freiberga fügte hinzu, dass es in Frankreich aber noch andere Mechanismen gebe, die diese Machtkonzentration entschärfen würden. In Italien bestehe "eine extreme Konzentration von privaten TV- und Radiostationen in einer Hand". Dies sei eine Frage nationaler Kompetenz, das italienische Verfassungsgericht habe diese "nicht wünschenswerte Situation" zwar gerügt, "aber politisch wurde das ignoriert".

Die Vorsitzende betonte, die Arbeitsgruppe habe von der EU-Kommission freie Hand bei ihrer Untersuchung der Medienfreiheit in Europa bekommen. "Wir sind kein Gericht, und wir sind nicht die Polizei, wir generieren Ideen", sagte sie. Die Gruppe sei auch nicht notwendigerweise ein Instrument der EU-Kommission, da diese nur eingeschränkte Medien-Kompetenzen habe. "Die EU-Kommission hat uns die Freiheit gegeben, die Bürger Europas herauszufordern, über diese Fragen nachzudenken." Die Gruppe wolle noch vor Jahresende einen Bericht vorlegen, untersucht würden politische Einflussnamen und wirtschaftliche und eigentumsrechtliche Einflussfaktoren auf die Medien, sagte Vike-Freiberga. (APA)