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Mehr als 66 Milliarden Tiere werden pro Jahr geschlachtet. Dass die menschliche Ernährung negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist ein alter Hut. Doch anders als bei den Schadstoff-Emissionen durch Autos, Lkws, Flugzeuge etc. wird in diesem Bereich eher zaghaft über gesetzliche Regulierung gesprochen. Wie notwendig das aber angesichts des Bevölkerungswachstums sein wird, erklärt Martin Schlatzer in seinem Buch "Tierproduktion und Klimawandel". Anders als bei vielen Betrachtungen zum Thema Vegetarismus orientieren sich seine Argumente nicht vorrangig am Tierschutz: Das Plädoyer für eine pflanzlich orientierte Ernährung hebt die positiven Effekte für die Menschen hervor.

Der stetig steigende Fleischverzehr hat Konsequenzen für die Umwelt: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag er bei durchschnittlich zehn Kilogramm pro Person und Jahr. Anfang des 21. Jahrhunderts hat er sich bereits vervierfacht. Menschen in Industrieländern konsumieren mit 80 Kilogramm den Löwenanteil daran. Die Tierhaltung ist einem umfassenden Bericht der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) zufolge heute einer der zwei oder drei Hauptverursacher der größten Umweltprobleme - lokal wie auch global gesehen.

Spannend ist ein Zoom auf die einzelnen Länder: Ein Amerikaner verzehrt pro Jahr mehr als 120 Kilogramm, ein Inder hingegen nur fünf Kilogramm Fleisch. Mit 60 Kilogramm pro Kopf entfällt mittlerweile ein Drittel des gesamten globalen Fleischverzehrs auf China. In 13 Kapiteln erörtert Schlatzer ökologische, ökonomische, soziale und gesundheitliche Probleme, die der weltweit steigende Fleischkonsum schon jetzt verursacht oder entstehen lassen wird. Als Lösungsansätze werden politische, aber auch individuelle Maßnahmen besprochen.

Entwicklung des Fleischkonsums

Das weltweit verzehrte Fleisch stammt zu 40 Prozent vom Schwein, zu 30 Prozent von Geflügel, zu 22 Prozent vom Rind und zu fünf Prozent von Schafen und Ziegen. Den Rest machen Pferde, Esel und Kamele aus. Schweine- und Hühnerproduktion gelten allgemein als Produktionssysteme, die wenig Ressourcen wie Land benötigen. Jedoch werden für diese fast ausschließlich Futtermittel wie Soja und Mais verwendet, für die große Flächen, oftmals in Regenwaldgebieten am Amazonas, erschlossen werden müssen.

Grundsätzlich ist der negative Einfluss auf die Umwelt bei Rindfleisch am höchsten. Das hängt allerdings stark davon ab, wie viel eigens angebautes Kraftfuttermittel zugefüttert wird. Das betrifft folglich auch Milchprodukte. Der negative Umwelteinfluss von fetthaltigem Käse sei durchaus beträchtlich, so Schlatzer: Zum einen werden für die Herstellung von einem Kilogramm Käse acht bis zehn Liter Milch benötigt, zum anderen rangieren Milchprodukte gerade in Industrieländern unter den meistverzehrten Produkten.

Achim Steiner, Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), weist darauf hin, dass die Landwirtschaft, insbesondere die Viehzucht für Fleisch und Milchprodukte, einen unverhältnismäßig hohen Einfluss auf die Menschen und die lebenserhaltenden Systeme des Planeten habe. Daher sollte bei einer potenziellen Umstellung auf eine fleischfreie Ernährung der wegfallende Fleischanteil nicht durch eine höhere Aufnahme von fetthaltigem Käse ersetzt werden.

Futtermittelproduktion als schädlicher Faktor

Die Tierhaltung ist insgesamt zumindest für 18 Prozent aller weltweiten, vom Menschen gemachten Treibhausgase verantwortlich. Der Beitrag des Tierhaltungssektors ist somit ähnlich hoch wie jener der Industrie und höher als der Ausstoß des gesamten Transportsektors.

Schlatzer betont jedoch, dass es unterschiedliche Schätzungen gibt, inwieweit der Tierhaltungssektor für die vom Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich ist. Nach Einschätzung des World Watch Institute (WWI) etwa sind es mehr als 50 Prozent. Die Hauptursachen des hohen klimatischen Impacts von tierischen Produkten seien Entwaldung (CO2), die Produktion und Aufbringung von synthetischen Stickstoffdüngern (N2O) und die Methanemissionen der Wiederkäuer.

"Es kann davon ausgegangen werden, dass eine vegane Ernährung ein noch größeres Einsparungspotenzial aufweist als eine ovo-lacto-vegetabile", resümiert der Autor. So verursachen Milchprodukte aufgrund ihrer durchschnittlich großen Verzehrsmenge sogar den größten Teil der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland und liegen damit noch vor Fleisch.

Zahlen zu den Auswirkungen auf die Umwelt

Im aktuellen Bericht des Weltklimarates (IPCC) aus dem Jahr 2007 prognostizieren die Verfasser, dass bis zum Jahr 2100 die globale Durchschnittstemperatur um 1,8 bis 4 Grad Celsius steigen wird. Die Häufigkeit von Starkniederschlägen und Temperaturextremen werde sich dadurch erhöhen, schreibt Schlatzer.

"Eine pflanzenbetonte Ernährung müsste als Option bzw. Instrument für eine nachhaltige und zukunftsreiche Umweltmaßnahme verstanden werden", so der Autor. Seine Conclusio lautet, dass eine überwiegend pflanzliche Ernährung zur Ernährungssicherheit wie auch zum Schutz der Umwelt einen großen Beitrag leisten könnte.

Ein individueller Lösungsansatz wäre zum Beispiel die freiwillige Reduzierung des Fleischkonsums oder auch eine vegetarische Ernährungsweise. Gesteigert wird der positive Effekt durch den Konsum biologischer, regionaler, saisonaler und fair gehandelter Produkte. Im politischen Rahmen könnte sich der Autor eine Preisregelung von Lebensmitteln nach ihrem ökologischen Fußabdruck beziehungsweise ihren externen Kosten vorstellen. (derStandard.at, 8.2.2012)