Kurz nach Sonnenaufgang geht ein Ruckeln durch das Schiff. Vom Bug her ist ein entferntes Rumpeln zu vernehmen. Die mächtigen Ankerwinschen der Bahia Castillo sind dabei, den Anker aufzuholen. Langsam setzt sich der Containerfrachter in Fahrt. Ich sitze gerade gemütlich beim Frühstück, als wir durch die Hafeneinfahrt von Colon in die Limon Bay fahren und die Lotsen, sowie 16 Linehandler unsere Gangway hinaufklettern. Sie werden dafür sorgen, dass wir sicher durch den Panamakanal gelangen.

Am Ende der Limon Bay taucht ein grüner Hügel mit einem weißen Leuchtturm auf. Zwei Wasserstraßen führen in drei Stufen den Hügel hinauf. Wir nähern uns der ersten Schleusenanlage von insgesamt drei. Die Gatun Schleuse wird uns 26 Meter über den Meeresspiegel heben. Auf der Brücke gibt der Lotse dem ersten Offizier Anweisungen, wie er das 254 Meter lange und 32,20 Meter breite Schiff in die Schleusenkammer zu steuern hat: "Midship, Midship!"

Die Kammern sind nicht viel größer als das Schiff selbst: 305 Meter lang und 33,5 Meter breit. Da ist nicht viel Spielraum und es erfordert echte Präzisionsarbeit, damit der Frachter nicht an die Schleusenwände rummst. Die restliche Arbeit erledigen kleine Lokomotiven, die den Ozeanriesen in die Schleuse ziehen. Die Schleusentore schließen sich und Wasser aus dem Gatun-See wird in die Kammer gelassen.

Langsam steigt das Schiff mit dem hereinsprudelnden Wasser, aber davon spüre ich, auf der Brücke in 45 Metern Höhe stehend, kaum etwas. Alleine am Wasserstand in der Schleuse lässt sich eine Bewegung ablesen. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten haben wir die drei Stufen überwunden. Die Schleusentore öffnen sich und wir fahren auf den Gatun See hinaus, der Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Aufstauung des Rio Chagres künstlich geschaffen wurde. Es dauerte ganze sieben Jahre bis der Gatun See vollgelaufen war.

Wir müssen auf unsere Genehmigung zur Weiterfahrt warten und werfen erst mal den Anker. Die Schatten der Wolken, die der Passatwind vor sich hertreibt, rasen über das türkisblaue Wasser. Ein Pelikan zieht über der Bahia Castillo einige Runden. Die Fahrt geht schließlich quer über den Gatun See weiter. Rote und grüne Bojen markieren das Fahrtwasser.

Die Bahia Castillo schiebt sich gemächlich an zahlreichen, kleinen Inseln, auf denen saftig grüner Urwald wuchert, vorbei. Die Schreie der dort heimischen Brüllaffen und das Zwitschern der zahlreichen Vögel lässt sich allerdings nur erahnen. An Bord wird alles vom Stampfen der Maschinen übertönt.

Bei Gamboa verengt sich der Kanal schließlich, das Wasser verfärbt sich bräunlich und der einzige Wind, der zu bemerken ist, ist der eigene Fahrtwind. Auf der linken Uferseite sind die Gleise der Panama Railroad zu sehen und die Einmündung des Rio Chagres. Wie Pyramiden ragen die schwarzen Stufen des Gaillard Cut auf beiden Seiten des Kanals in die Höhe. Hier musste vor 100 Jahren beim Bau des Kanals auf einer Länge von 14 Kilometern ein ganzer Gebirgsrücken abgetragen werden.

Auf der Pazifikseite warten die beiden letzten Wasseraufzüge auf uns. Die Pedro Miguel und die Miraflores Schleuse bringen uns wieder auf Meeresniveau hinunter. Für die 44 Seemeilen (rund 80 Kilometer) haben wird mehr als zehn Stunden gebraucht. Eine gute Zeit. Auf Grund von Wartezeiten sind die meisten Schiffe durchschnittlich 14 bis 16 Stunden vom Atlantik zum Pazifik unterwegs.