Berlin - Die Beobachtung von Abgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz sorgt für immer heftigeren Streit zwischen Regierung und Opposition in Deutschland. Der Linken-Abgeordnete Jan Korte bezeichnete die Praxis in einer Aktuellen Stunde des Bundestages als "antidemokratisch", auch SPD und Grüne forderten Korrekturen. Hingegen verteidigte der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Beobachtung der Parlamentarier.

Der Verfassungsschutz werde "politisch benutzt", um eine Oppositionspartei zu beobachten, sagte Korte im Bundestag. Die Vorgehensweise des Kölner Bundesamtes verstoße zudem gegen die "Grundidee des demokratischen Rechtsstaates". Er betonte, dass die Linke die Einstellung der Beobachtung bei allen 27 betroffenen Abgeordneten verlange. "Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen."

Grundgesetzwidrig

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, durch die Beobachtung werde das Prinzip der Verhältnismäßigkeit massiv verletzt. Sein Fraktionskollege Michael Hartmann forderte die Verfassungsschutzämter in den deutschen Bundesländern auf, die Linke nicht mehr länger nachrichtendienstlich zu beobachten. Diese von einigen Ländern ausgeübte Praxis sei grundgesetzwidrig. Der Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck verlangte, Abgeordnete sollten allenfalls mit Genehmigung eines Bundestagsgremiums vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Stefan Ruppert sagte, Realpolitiker wie Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) gehörten nicht beobachtet. Es müsse daher eine Einzelfallprüfung geben.

Friedrich machte unterdessen deutlich, dass er die Beobachtung der Linken ungeachtet aller Kritik fortsetzen will. "Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es Teilen der Linken um die Errichtung einer Diktatur des Proletariats im marxistisch-leninistischen Sinne geht", sagte er in der Aktuellen Stunde. In anderen Teilen der Partei fehle eine Abgrenzung zur Gewalt, außerdem würden "Jubel- und Liebesbriefe an Diktatoren geschrieben". Er bekräftigte aber seine Anordnung an den deutschen Bundesverfassungsschutz, die Liste der beobachteten Abgeordneten der Linken zu überprüfen.

Nachrichtendienstliche Mittel würden vom Bundesamt nicht eingesetzt, sagte Friedrich. Dies zog Linken-Fraktionschef Gregor Gysi erneut in Zweifel. Würde nur öffentlich zugängliches Material verwertet, bräuchte es die in den Akten des Verfassungsschutzes enthaltenen Schwärzungen und Sperrvermerke nicht, sagte er im Bundestag.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann griff wegen der Beobachtung auch Friedrich direkt an. Dem Innenminister fehle "jede politische Urteilskraft für die notwendigen Schwerpunkte seiner Arbeit", erklärte er in Berlin. "Gregor Gysi ist kein Staatsfeind. Minister Friedrich ist mit seiner Aufgabe überfordert."

Demgegenüber rechtfertigte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe die Beobachtung der Linken. Der Verfassungsschutz komme nur seinem gesetzlichen Auftrag nach, schrieb er in einem Beitrag für das "Hamburger Abendblatt" (Donnerstagsausgabe). Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme habe das Bundesverwaltungsgericht mehrfach bestätigt.

Am Wochenende war bekanntgeworden, dass 27 Abgeordnete der Linken vom deutschen Bundesverfassungsschutz beobachtet werden. Darunter befinden sich vor allem ostdeutsche Vertreter, zu einem Großteil vom realpolitischen Flügel. (APA)