Behauptung: Steuererhöhungen sind ein Wachstumskiller.

Fakten: Dieser Binsenweisheit widersprechen nicht alle, aber etliche Experten - schließlich komme es darauf an, welche Steuern erhöht werden. Am Wifo hält man vermögensbezogene Steuern für "konjunkturschonend", zumal überwiegend Reiche betroffen wären, die wegen höherer Abgaben nicht den Konsum einschränkten. Ein OECD-Ranking zeigt: Vermögensbezogene Steuern dämpfen das langfristige Wachstum am wenigsten, gefolgt von Konsumsteuern, Einkommenssteuern und - am wachstumsschädlichsten - Unternehmenssteuern.

Behauptung: Österreich ist bereits jetzt ein Hochsteuerland.

Fakten: Stimmt im Gesamten, aber nicht für alle Bereiche. Mit 43,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt der Anteil der Steuern und Sozialabgaben deutlich über dem EU-Schnitt. Heimische Eigenheit: Während Steuern auf Konsum, Kapital und Unternehmensgewinn im Mittel rangieren, sind jene auf Arbeit überdurchschnittlich hoch. Dafür zählt Österreich punkto Vermögensbesteuerung zu den Schlusslichtern.

Behauptung: Die "Leistungsträger" schultern den Großteil der Last, während 2,7 Millionen Einkommensbezieher gar keine Steuern zahlen.

Fakten: Eine irreführende, weil selektive Darstellung. Zwar berappt das Top-Zehntel die Hälfte der Einkommenssteuer, während 44 Prozent wegen niedriger Verdienste steuerbefreit sind. Allerdings zahlen Werktätige auch noch Sozialversicherung und indirekte Steuern, die Ärmere besonders treffen. In absoluten Zahlen steigen die Beiträge natürlich mit dem Verdienst, doch aussagekräftiger ist die relative Belastung. Rechnet man die drei großen Posten, die drei Viertel der Staatseinnahmen ausmachen, zusammen (siehe Grafik), dann liefern laut Wifo-Studie alle Haushalte zwischen 37 und 40 Prozent des Einkommens an Steuern ab - ob arm oder reich. "Wären auch Vermögenserträge einbezogen", ergänzt Autor Alois Guger, "wären die oberen Einkommen eindeutig geringer belastet als die unteren."

Behauptung: Reiche können Vermögenssteuern leicht ausweichen.

Fakten: Geht es ums Geld, hat der Fiskus schlechte Karten. Das Bankgeheimnis schützt Vermögen vor neugierigen Behörden, die - wie Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller meint - "einzig auf die Ehrlichkeit der Steuerpflichtigen angewiesen sind"; die einst abgeschaffte Vermögenssteuer habe deshalb fast nur Betriebe getroffen. Nicht flüchten oder untertauchen können jedoch Immobilien. Auch eine Erbschaftssteuer ist schwer zu umgehen.

Behauptung: Vermögensbezogene Steuern schröpfen die Mittelschicht.

Fakten: Zahlen aus der Nationalbank sprechen gegen Mittelstandspanik. Demnach ist das Vermögen der privaten Haushalte stark auf eine Oberschicht konzentriert: Das reichste Zehntel besitzt 53 Prozent des Geldvermögens (insgesamt 440 Milliarden) und 60 Prozent der Immobilien (880 Milliarden). Nicht als Hauptwohnsitz genutztes Eigentum macht nur ein Fünftel aller Immobilien aus, aber fast die Hälfte des Gesamtwertes. Laut der Daten von 2005 beträgt das durchschnittliche Immobilienvermögen eines Haushaltes mit mittlerem Einkommen 200.000 Euro - die Freibeträge bisher präsentierter Steuermodelle liegen weit darüber. Eine simple Grundsteuererhöhung träfe freilich alle Besitzer, allerdings wäre eine Staffelung nach Vermögenswert möglich.

Behauptung: Auch ein höherer Spitzensteuersatz trifft den Mittelstand.

Fakten: Nur bei exzessiver Interpretation. Gerade drei Prozent der Einkommensbezieher verdienen die 80.000 Euro brutto (Bemessungsgrundlage 60.000), um in diese Steuerklasse zu fallen. De facto beträgt der Spitzensteuersatz für Arbeitnehmer überdies nicht 50, sondern 43,7 Prozent, weil Weihnachts- und Urlaubsgeld mit nur sechs Prozent besteuert sind. Für Selbstständige hat der Gewinnfreibetrag einen ähnlichen Effekt, für Kapitalerträge gelten 25 Prozent. (Gerald John, DER STANDARD; Printausgabe, 27.1.2012)