Thomas Winkler ist Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie und leitet die Reflux-Ambulanz in der Privatklinik Döbling.

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Bestimmte Lebensmittel wie etwa Paprika fördern die Refluxaktivität direkt und indirekt.

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STANDARD: Reflux, Sodbrennen, ist ein weit verbreitetes Leiden. Aber wie gefährlich ist diese Krankheit tatsächlich?

Winkler: Sie hat eine Reihe von unangenehmen Folgen, die nicht nur die Speiseröhre selbst betreffen, sondern bis zur sogenannten extraösophagealen Manifestation gehen. Das heißt: Der Reflux ist so stark ausgeprägt, dass er auch benachbarten Organen schadet. Viele Leute, die unter chronischen Lungenkrankheiten leiden oder wegen Asthma behandelt werden, haben als zugrunde liegende Erkrankung einen Reflux. Es ist zudem so, dass eine chronische Belastung der Speiseröhrenschleimhaut zu Gewebeveränderungen führen kann, bis hin zu bösartigen Geschwüren. Diese Adenokarzinome sind die Tumore, die weltweit am stärksten zunehmen, und die vom Reflux verursachten Gewebeveränderungen sind der höchste Risikofaktor für einen Speiseröhrenkrebs.

STANDARD: Es heißt, Übergewicht sowie stark fetthaltige und kohlenhydratreiche Speisen, Alkohol und auch Rauchen können einen Reflux auslösen. Wie funktioniert das?

Winkler: Da gibt es mehrere Mechanismen. Übergewicht erhöht den Druck im Bauchraum und drückt so den Mageninhalt durch den Verschlussapparat in die Speiseröhre. Bestimmte Substanzen wie etwa Fett, Paprika - sowohl als Gewürz als auch frisch -, Pfefferminze, Alkohol und Nikotin verursachen zudem über eine lokale Beeinflussung der glatten Muskulatur eine Erweiterung des Verschlussmechanismus des Ösophagus, und sie verzögern zum Teil die Entleerung. So wird die Refluxaktivität direkt und indirekt gefördert.

STANDARD: Viele Betroffene greifen zu Antiazida und sogenannten Protonenpumpenhemmern. Ist das sinnvoll?

Winkler: Neben einer Änderung der Lebensgewohnheiten sind Säureblocker sicherlich sinnvoll. Die Patienten fühlen sich rasch besser. Diese Behandlung bekämpft aber nur die Symptome. Der Reflux bleibt und wird nur etwas weniger aggressiv gemacht. Die Medikamente haben zum Teil auch Nebenwirkungen. Des Weiteren muss man bedenken, dass die Magensäure eine wichtige Barriere gegen Krankheitserreger bildet. Und sie spielt bei der Verdauung eine entscheidende Rolle. Wenn Proteine bei Säuremangel im Magen nicht ausreichend aufgespalten werden und diese größeren Fragmente in den Darm gelangen, gibt es nach neueren Daten auch Hinweise auf ein eventuell erhöhtes Allergie-Risiko.

STANDARD: Was empfehlen Sie?

Winkler: Wer regelmäßig unter Reflux leidet, sollte sich eingehend ärztlich untersuchen lassen, zunächst endoskopisch mit einer Magenspiegelung. Nur so kann der Arzt eine maßgeschneiderte Therapie für den Patienten entwickeln.

STANDARD: Bei starkem chronischem Reflux raten viele Mediziner heutzutage zu einem operativen Eingriff. Wann ist dieser angezeigt und wann nicht?

Winkler: Wichtig ist, eine genaue Beurteilung, ohne voreilig zu handeln. Die Entscheidung ist abhängig vom Befund, vom Ausmaß der Störungen, sowie vom Patientenwunsch und dem Erfolg der bisherigen Behandlung. Wenn sich keine langfristige Besserung einstellt, kommt Plan B: die Operation.

STANDARD: Und welche Risiken bergen solche Eingriffe?

Winkler: Wenn diese Operationen von einem Spezialisten durchgeführt werden, sind die Erfolgs- und Zufriedenheitsraten hoch. Die häufigste mögliche Komplikation ist die Dysphagie, die gestörte Peristaltik der Speiseröhre, die zu Schluckbeschwerden führen kann. Je stärker die vorherige Schädigung des Ösophagus, desto höher ist die Gefahr für eine Dysphagie. Sie tritt bei etwa vier Prozent der operierten Patienten zeitlich begrenzt auf. Bei nur weniger als einem Prozent der Behandelten ist ein neuer Eingriff erforderlich. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2012)