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"Durch den Papa-Monat werden Väter vom Arbeitgeber mehr in ihrer Vaterrolle wahrgenommen."

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Ingrid Moritz leitet die Abteilung Frauen/Familie in der AK.

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Österreich ist traditionell – zumindest wenn es um die Wahl der Karenzmodelle geht. Die BezieherInnen halten stramm an der Langzeitvariante (30 plus 6 Monate) fest, was für Frauen lange Arbeitsunterbrechungen bedeutet und Väter auf die Rolle der Ernährer reduziert. Neben diesem beliebten Modell (49 Prozent wählen es derzeit) gibt es zwar noch vier weitere Karenzmodelle, die auch zunehmend beansprucht werden, doch die Neuorientierung geht nur sehr schleppend vor sich.

Geht es nach den Grünen, sollen die Karenzzeiten vor allem für Frauen drastisch gekürzt werden, und es soll auch nur noch eines statt fünf Modelle geben (dieStandard.at berichtete).

Auch die AK ist mit den derzeitigen Karenzmodellen nicht zufrieden. Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen/Familie, gibt im Gespräch mit dieStandard.at etwa arbeitsrechtliche Schwierigkeiten bei der Langzeitvariante des Kindergeldbezuges zu bedenken. Ebenso werde zu wenig berücksichtigt, dass Karenzmodelle sehr eng mit der Kinderbetreuungssituation zusammenhängen.

dieStandard.at: Die Grünen haben vergangene Woche vorgeschlagen, die fünf Modelle durch ein einheitliches zu ersetzen. Sind fünf Karenzmodelle wirklich zu kompliziert?

Moritz: Fünf Modelle bedeuten auch viele verschiedenen Rechnungen. Es muss nicht nur die Länge in Kombination mit der Bezugshöhe bedacht werden, sondern das gewählte Modell muss auch immer mit dem/der PartnerIn in Bezug gesetzt werden. Es ist alles andere als unkompliziert. Was wir aber vor allem kritisieren: das Angebot der Langzeitvariante, bei der dann erst im Nachhinein viele realisieren, dass sie arbeitsrechtlich nicht abgesichert sind.

dieStandard.at: Warum ist die Langzeitvariante arbeitsrechtlich problematisch?

Moritz: Das Kindergeld und die arbeitsrechtlichen Ansprüche sind unterschiedliche Dinge. Es gibt nur bis zum zweiten Geburtstag des Kindes einen Karenzanspruch mit Kündigungsschutz. Die Frauen bleiben zu Hause, bis zum 30. Lebensmonat des Kindes oder länger, und denken daran nicht. Das wird immer wieder zur Falle.

Auch gibt es eine Wechselwirkung mit dem Angebot an Betreuungsplätzen – gerade im ländlichen Raum gibt es große Mängel. Die Langzeitvariante hat also auch Auswirkungen auf die Kinderbetreuung: Es wird auf die Frauen verwiesen, die eh auch noch Kinderbetreuungsgeld bekämen und ihre Kinder daheim betreuen könnten. Deshalb sollte das Kinderbetreuungsgeld nicht länger als bis zum zweiten Geburtstag gehen. Wir fordern daher, die Kinderbetreuung auszubauen und die 30-plus-6-Variante mittelfristig zu streichen.

dieStandard.at: Die Wahl des Karenzmodells ist auch eine Entscheidung darüber, wer daheim bleibt. Die derzeitigen Modelle scheinen die Väterkarenz nicht gerade zu fördern.

Moritz: Das Familienministerium hat 2011 eine Auswertung zur Väterbeteiligung vorgelegt, die eine deutliche Sprache spricht. Mit diesen Zahlen sollte gezeigt werden, bei welchen Modellen sich Väter an einer Karenz beteiligen: Beim 30-plus-6-Modell sind es 13 Prozent Väter, bei 20 plus 4 sind es 19 Prozent, bei 15 plus 3 sind es 27 Prozent und bei 12 plus 2 haben wir 31 Prozent. Und beim einkommensabhängigen haben wir 27 Prozent.

In den Statistiken zum Kinderbetreuungsgeld – etwa in jener des Familienministeriums aus dem Jahr 2010 – ist der Väteranteil geringer, weil sie im Schnitt auch nur sehr kurz die Leistung beziehen. In der eben erwähnten Auswertung wurde aber untersucht, ob es überhaupt eine Väterbeteiligung gab, egal wie lange diese war. Und da ist der Väteranteil höher.

dieStandard.at: Der hohe Prozentsatz der Väterkarenz beim der einkommensabhängigen Variante spricht für den Vorschlag der Grünen, die Pauschalvarianten abzuschaffen und nur ein einkommensabhängiges Modell zu führen.

Moritz: Das ist sicher ein Modell, das die Väterbeteiligung erhöht. Je höher die Geldleistung ist – das zeigt die Auswertung der Väterbeteiligung deutlich -, desto höher die Väterbeteiligung.

Mit den fünf Modellen haben wir eine seltsame Art der Wahlfreiheit, denn es gibt absolut keine Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung. Es gibt kein Recht auf einen Betreuungsplatz nach der Karenz, in der Nähe und mit entsprechender Qualität – das haben wir alles nicht. Bei der Kinderbetreuung wird weggeschaut und bei der Debatte um die Pensionen zeigt sich dann, dass Frauen schlechte Versicherungszeiten haben. Aber zuvor werden Anreize für lange Unterbrechungen gesetzt.

dieStandard.at: Welchen Zeitraum für eine berufliche Unterbrechung fänden Sie vertretbar? Das Modell der Grünen sieht gar nur mehr 14 Monate vor.

Moritz: Karenz bis zum gesetzlich geregelten Kündigungsschutz, also bis zum zweiten Geburtstag, macht Sinn. Natürlich kann man daran denken, noch kürzere Karenzzeiten anzustreben. Aber ich glaube, wenn man nach der Karenz einen Betreuungsplatz garantieren kann, sind wir schon einen großen Schritt weitergekommen. Die 14 Monate sind schon sehr weit gedacht. Wenn es nur dieses Modell gäbe, wäre es für jene ohne Betreuungsplatz schon hart.

dieStandard.at: Insgesamt geht die Entwicklung zu mehr Väterbeteiligung sehr langsam voran. Müssen endlich verpflichtende Maßnahmen her?

Moritz: Das Recht auf einen Papa-Monat wäre auf jeden Fall sinnvoll. Wir haben in der Arbeiterkammer auch einen Papa-Monat, und ich sehe einfach, dass die Väter vom Arbeitgeber dadurch mehr in ihrer Vaterrolle wahrgenommen werden. Und die Männer wollen das auch. Durch einen Papa-Monat werden sie darin bestärkt.

dieStandard.at: Laut dem aktuellen Männerbericht (dieStandard.at berichtete) gibt es theoretisch die Bereitschaft von Männern, in Karenz zu gehen. Die von Ihnen schon angesprochene Statistik des Familienministeriums aus dem Jahr 2010 zeigt aber, dass tatsächlich nur knapp fünf Prozent in Karenz gehen. Wo liegen die Hindernisse?

Moritz: Betriebe machen es vielen Vätern schon schwer. Da gibt es etwa Signale, dass es für die Karrierechancen nicht gut ist oder es beim Wiedereinstieg Probleme geben könnte. Karenzwillige Väter werden als Risiko wahrgenommen, was für Frauen ja schon lange gilt. Aus einer Studie, die wir zur Elternteilzeit gemacht haben, wissen wir: Wenn die Bereitschaft des Betriebes nicht da ist, dann ziehen die Väter ihren Wunsch nach Elternteilzeit zurück. Sie resignieren und bleiben in der Arbeitsmarktorientierung. À la longue sind karenzfreundliche Betriebe auch für Väter attraktiver. Aber Betriebe denken oft sehr kurzfristig.

dieStandard.at: Sehen Sie ein aufkommendes Engagement von Männern, für ihre Vaterrolle auch in der Arbeitswelt einzutreten?

Moritz: Wir haben schon vereinzelt Fälle von Vätern, die arbeitsrechtliche Probleme haben. Viele machen schon im Vorfeld einen Rückzieher, wenn sie merken, dass ihnen das ökonomisch schaden könnte. Aber das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird auch zunehmend eines für Väter.

dieStandard.at: Geht es um die Beteiligung der Väter an der Erziehungsarbeit, wird oft auf das positive Beispiel der skandinavischen Länder verwiesen. Was machen diese Länder besser?

Moritz: Es sind Modelle mit guter finanzieller Absicherung, sie sind flexibler und es gibt eine längere Tradition, dass auch Männer partizipieren. Dort gibt es eine lange Tradition der Gleichstellung. Zudem haben sie eine gute Kinderbetreuung. Bei uns sind viele nach dem ersten Kind entmutigt, weil sie sehen, wie schwierig die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie ist.

dieStandard.at: Noch mal zusammenfassend: Wie müsste ein perfekt reformiertes Karenzmodell aussehen?

Moritz: Es müsste vereinfacht werden, weg mit dem Anreiz zu langen Unterbrechungen – vor allem in Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Fallen -, und es müsste gute Bedingungen für die partnerschaftliche Teilung der Kinderbetreuung bieten. Und natürlich ein Recht auf einen Papa-Monat. (dieStandard.at, 30.1.2012)