"Wenn man nicht will, dass überall kreuz und quer die Fahrräder herumstehen, muss man sich die Standorte für Fahrradabstellplätze im Umfeld des Hauptbahnhofs gut überlegen", meint AK-Kommunalpolitik-Experte Michael Klug.

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So wie die Fahrradgarage auf der Hietzinger Kennedybrücke könnten die Fahrradstationen am neuen Hauptbahnhof ausschauen.

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Was in Städten wie Zürich, Gent oder Münster aber auch rund um den neuen Linzer Hauptbahnhof bestens funktioniert, scheint in Wien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein: In der oberösterreichischen Landeshauptstadt existieren im nahen Umfeld des Bahnhofs zusätzlich zu großzügig bemessenen Radgarage-Stellplätzen hunderte Stellplätze für Fahrräder. Ein Positivbeispiel für die Förderung der intermodalen Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel.

In den Plänen der ÖBB für die Gestaltung der Vorplätze des zukünftigen Wiener Hauptbahnhofs existiert dagegen ein Fahrrad-Parkverbot. Im Umfeld des Bahnhofs sollen keine Bügel zum kostenlosen Absperren von Fahrrädern aufgestellt werden. Doch damit nicht genug: "Jede Gelegenheit zum Anschließen von Rädern außerhalb der geplanten Radstation und -garagen soll aktiv durch dementsprechende 'Gestaltung‘ verhindert werden", berichtet Alec Hager von der Radlobby IGF und hat auf der Webseite eine Unterschriftenaktion gestartet.

1.000 überwachte kostenpflichtige Fahrradabstellplätze

Laut ÖBB wird es ab März 2015 insgesamt 1.000 überwachte kostenpflichtige Abstellplätze in drei Fahrradstationen am Hauptbahnhof Wien geben. Eine große überdeckte Fahrradstation mit einem überdeckten Zugang in die Bahnhofshalle soll sich im Bereich des zukünftigen Busbahnhofs befinden. Zwei kleinere Fahrradstationen sind im Bereich der zukünftigen Karl-Popper-Straße vorgesehen, bei der Station der Straßenbahnlinie D und dem östlichen Aufgang zu den Bahnsteigen.

"Der Gehweg zur östlichen Bahnhofshalle beträgt zirka 15 Meter", erklärt ÖBB-Pressesprecher Herbert Ofner und betont die Förderung des Radfahrens als zukunftsträchtige Fortbewegungsart in Metropolen seitens der ÖBB: "Der Hauptbahnhof Wien ist der erste Bahnhof, an dem überwachte, überdeckte Fahrradabstellmöglichkeiten für 1.000 Fahrräder vorgesehen sind. Das gesamte Gebiet des Hauptbahnhofs wird mit einem dichten Fahrradwegenetz ausgestattet."

Kurzfristiges Radparken nicht abgedeckt

Wo kann ich mein nun Fahrrad abstellen, wenn ich nur kurz am Zentralbahnhof zu tun habe, etwa um ein Magazin in der Bahnhofstrafik zu kaufen oder mich im Infocenter wegen einer Bahnreise zu erkundigen? fragen wir die ÖBB. "Sie können Ihr Fahrrad in den drei Fahrradstationen abstellen", erklärt Ofner. "Der Fußweg bis zum Eingang in den Bahnhof beträgt 15 beziehungsweise 75 Meter."

"Die großzügig geplante Radstation ist sehr begrüßenswert, kann aber kurzfristiges Radparken nicht abdecken", betont Alec Hager. "Mit einem Radpark-Verbot vor dem Bahnhof züchtet sich die ÖBB eben jenes massive Radpark-Chaos, das sie vermeiden möchte. Mit dem Plan, die Bahnhofsvorplätze radabstellfrei zu halten, ignoriert die ÖBB die Bedürfnisse der Radfahrenden und blockiert am wichtigsten Mobilitätsknotenpunkt Wiens, der gleichzeitig ja auch Konsumknotenpunkt werden soll, den Aufschwung des Fahrrades als Verkehrsmittel in Wien", sagt der IGF-Obmann und nennt internationale funktionierende Beispiele von Bern bis Münster. "Diesen Erkenntnissen und Trends kann sich die ÖBB unmöglich verschließen."

ARGUS fordert Radständer auf der Oberfläche

Auch seitens der Radlobby ARGUS bezieht man Stellung: "Wir begrüßen die Radstation am Zentralbahnhof und betrachten sie heute bei so einem Projekt als selbstverständlich. Nichts desto trotz gibt es viele Radfahrer, die ihr Fahrrad aus verschiedenen Gründen an einem normalen Radständer auf der Oberfläche abstellen wollen." Für diese Zielgruppe fordert die ARGUS eine ausreichende Anzahl an Abstellplätzen - "absolutes Minimum 300, sinnvoll wäre 600" - mindestens ein Drittel davon überdacht.

Als Beispiel nennt die Radlobby die bestens ausgelasteten 300 Abstellplätze rund um den Bahnhof Floridsdorf sowie die 260 Abstellplätze bei der U1-Endhaltestelle. Für sinnvoll erachtet die ARGUS auch, die Abstellplätze an mehreren Stellen an den verschiedenen Zufahrten und Eingängen zu verteileilen. "Zudem sollten sie am Weg zum Ziel liegen, da eine Abstellanlage, von der aus man wieder zurückgehen muss, schlecht angenommen wird."

"Die Entwurfsplanung ist abgeschlossen"

Einige Workshops hat Michael Klug, Kommunalpolitik-Experte der Arbeiterkammer (AK) Wien, unter der Teilnahme von Vertretern der ÖBB, der Stadt Wien sowie der Fahrradlobbys bereits mitorganisiert. Die AK sponsert öffentliche Radabstellplätze und vertritt in Bezug auf den neuen Zentralbahnhof zwei Interessen: "die Errichtung von Pendler-Fahrradabstellplätzen, und die Verbindung einer der Fahrradgaragen mit einem sozioökonomischen Betrieb."

Aus Pendlersicht unterstützt die AK geschützte, wetterunabhängige Abstellplätze für Langparker. "Darüber hinaus müssen aber auch kostenfreie Kurzabstellanlagen an der Oberfläche zur Verfügung stehen", sagt Klug, und weiter: "Wenn man nicht will, dass überall kreuz und quer die Fahrräder herumstehen, muss man sich die Standorte für Fahrradabstellplätze im Umfeld des Hauptbahnhofs gut überlegen." Die ÖBB hätten diese Signale erkannt, der Diskussionsprozess sei noch nicht abgeschlossen, setzt der AK-Experte auf weitere Verhandlungen. Seitens der ÖBB heißt es hingegen: "Die Entwurfsplanung ist abgeschlossen, die Detailplanung ist wie vorgesehen derzeit in Arbeit."

Kostenlose Stellplätze werden 2014 rückgebaut

Ausschließlich temporär sollen zur Teil-Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs am 9. Dezember 2012 provisorische, kostenlose im Freien situierte Fahrradabstellplätze im Bereich der zukünftigen Busspur der Wiener Linien errichtet werden. "Zur Vollinbetriebnahme des Hauptbahnhofs Wien im Dezember 2014 werden diese Stellplätze rückgebaut und der Bereich für den Bus der Wiener Linien freigemacht", so der ÖBB-Pressesprecher Herbert Ofner. (Eva Tinsobin, derStandard.at)