Etagenkrieg auf Augenhöhe: Nachbarschaftliches Desaster im Wohnsilo von "Radowan dem Dritten".

Foto: Patrick Connor Klopf

Villach - Zum Auftakt der Premiere von Radowan der Dritte verlas Theaterleiter Michael Weger eine Resolution. Man schloss sich Theatermachern in ganz Europa an, die sich vor ihren Vorstellungen laut gegen die Neubesetzung des Budapester Neuen Theaters durch einen bekennenden Antisemiten aussprechen. Im Klartext: Xenophobie und Antiziganismus dürfen an europäischen Theatern keinen Platz haben.

Radovan III des Belgraders Dramatikers Dusan Kovacevic legt Niederungen der menschlichen Seele frei und bedient sich dabei hemmungslos grotesker Stereotype. Im Kern der absurden Komödie steht die Suche des Einzelnen, den Platz in seiner Epoche zu finden, denn niemand wolle zur Marionette verkommen. In der deutschsprachigen Erstaufführung (Regie: Nina C. Gabriel) in der Studiobühne Villach lebt der balkanische "Mundl" Radowan (Marcus Thill) mit seiner Familie im 12. Stock eines Wohnsilos. Fern von der Heimat, wird das kunstvoll gebaute Zimmer (Bühne: Andreas Lungenschmid) zu einer Welt, in der die vorzivilisatorischen Gesetze des Protagonisten herrschen. Seit Jahren gibt es Krieg mit den Etagennachbarn. Grund für den Rachefeldzug: Die Tochter (brillant: Marie-Christine Friedrich) wurde vom Nachbarssohn geschwängert. Nun verbietet der despotische Patriarch seinem Spross seit fünf Jahren, das Kind auf die Welt zu bringen.

Im bereits 1973 in Serbien geschriebenen Stück wimmelt es von Anspielungen auf balkanische Stereotype wie Rache, Hysterie und Gewaltbereitschaft, die im kleinen Kellertheater keine Distanz zwischen Bühne und Publikum zulassen. Das ungemein Laute, Intensive, Derbe und Schamlose der Inszenierung unterhält und stößt zugleich ab. (Sabina Zwitter, DER STANDARD - Printausgabe, 28./29. Jänner 2012)