Standard: Sie waren, bevor Sie an die NDU gekommen sind, Rektor der Akademie der bildenden Künste. Wie erleben Sie den Wechsel an diese kleine, junge Privat-Uni?
Schmidt-Wulffen: Ich denke, ich mache nun die Gymnastik, die jeder macht, wenn er von einem großen Unternehmen in ein ganz kleines wechselt. Ehemalige Unternehmenschefs haben mir oft davon erzählt, wie das ist: Auf einmal muss man sich die Briefe selber schreiben, es gibt keine Assistentin, keinen Parkplatz vor der Tür, das fällt alles weg. Nicht dass es bei mir hier so ist, aber im übertragenen Sinne passt dieses Bild.
Standard: Sie haben sich also ganz bewusst gegen den Komfort entschieden. Was steht auf der anderen Seite dieses Tausches?
Schmidt-Wulffen: Eine positive Umstandslosigkeit, mit der man hier über Innovation nachdenken kann. Ein leichtfüßiges Team, das bereit ist, solchen Diskussionen zu folgen, wohl auch deshalb, weil der Erneuerungsbedarf ganz augenfällig ist. Sie erwischen mich übrigens gerade in einer brisanten Phase. Wir haben einen Entwicklungsplan für die NDU erarbeitet und sind gerade dabei, mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich, der Trägerin dieser Universität, darüber in Dialog zu treten. Eine spannende Zeit liegt vor uns.
Standard: Was soll sich ändern?
Schmidt-Wulffen: Wir sind quasi ein Familienbetrieb. Seit der Gründung wurde hier nach dem Prinzip der Lücke operiert. Das heißt, man hat geschaut, was die Kunst-Uni Linz, die Akademie und die Angewandte in Wien im Bereich Design angeboten haben, und sich dann gefragt, wo da eine kleine Nische im Bildungsangebot übrigbleiben könnte. So kam es auch zu unseren Bachelor- und Masterstudiengängen Innenarchitektur.
Standard: Aber?
Schmidt-Wulffen: Immer nur Ausschau nach Lücken zu halten ist auf Dauer keine tragfähige Strategie. Gute Universitäten zeigen Flagge! Wir wollen kein Lückenfüller sein, sondern uns zu einer echten Programmuniversität entwickeln. Gerade aufgrund unserer Kleinheit sind wir hier in der Lage, etwas Interessantes anzubieten. Auch diese Stadt ist der ideale Ort, denn St. Pölten ist momentan in einer interessanten Entwicklungsphase.
Standard: Und davon wird auch die NDU profitieren können?
Schmidt-Wulffen: Ja, mit der neuen Bahnverbindung haben die Wiener St. Pölten entdeckt. Die Grundstückspreise steigen, der Markt kommt in Bewegung und vor allem passiert eines: Die Stadt denkt offensiv über ihre Zukunft nach und zeigt sich sehr aufgeschlossen. Man kann sich ein gemeinsames Arbeiten mit der NDU sehr gut vorstellen. Das ist gerade für unsere Masterprogramme, die für Interdisziplinarität und Praxisbezogenheit stehen, eine ganz besondere Chance.
Standard: Das heißt, die Fachausbildung hat den Horizont der Anwendbarkeit immer vor Augen?
Schmidt-Wulffen: Ja, unsere Innovationsdebatte kreist nicht nur darum, Disziplinen wie Design, Technik und Wirtschaft zusammenzubringen. Genauso wichtig ist uns der ständige Austausch mit der Öffentlichkeit. Die Ausbildung dialoghaft zu gestalten. Curricula spielen in Wahrheit eine untergeordnete Rolle.
Standard: Wie meinen Sie das?
Schmidt-Wulffen: Universität heißt, einen Ort des Denkens und des Schaffens zu kreieren. Wir wollen hier eine Kohorte von intelligenten und temperamentvollen Menschen sammeln, die Lust haben, miteinander zu diskutieren und neue Einfälle zu gebären. Das hinzukriegen ist ein großes Ziel. (Judith Hecht, DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.1.2011)