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Wo in Europa Atommüll gelagert wird.

Grafik: DER STANDARD, Quellen: APA, International Nuclear Safety Center

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Fässer für Atommüll im Lager Morsleben, Deutschland

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Wolf

Die französischen Schriftsteller François Bastide und Paolo Fabbri hatten in den 80er-Jahren eine interessante Idee, wie die Menschen noch in 100.000 Jahren gewarnt werden könnten, dass Atommüll gefährlich ist: Sie schlugen vor, eine "Nuklearkatze" zu züchten, deren Fell sich verfärbt, wenn das Tier erhöhter Strahlung ausgesetzt ist. Der Wissenschafter Thomas Sebeok schlug vor, eine "atomare Priesterkaste" zu gründen, die das Wissen von Generation zu Generation weitergibt. Gelöst ist das Problem bis heute nicht.

Durch den geplanten stufenweisen Atomausstieg bis 2022 ist etwa Deutschlands Bedarf an einem sicheren Endlager sogar noch größer geworden: Acht AKWs sollen in den kommenden Jahren abgebaut werden, ein kleiner Teil des Schutts ist schwer verstrahlt. Dazu kommen alte Brennstäbe, die teilweise seit Jahrzehnten in oberirdischen Zwischenlagern auf ein Endlager warten – das nicht und nicht gefunden wird.

Dabei drängt die Zeit: Die EU hat jene 14 Mitgliedstaaten, die Atomkraftwerke betreiben, 2011 verpflichtet, bis 2015 Konzepte für Endlager vorzulegen – an deren Machbarkeit Umweltschützer jedoch zweifeln.

Das Weltall ist keine Option

"Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist eine sachgerechte Endlagerung von Atommüll nicht möglich", sagt Niklas Schinnerl, Atomexperte von Greenpeace. Sein Hauptargument: Da Atommüll auch Plutonium mit einer Halbwertszeit von bis zu 24.000 Jahren enthalte, müssten die Abfälle "für eine Zeitspanne von 100.000 Jahren sicher verwahrt werden" (siehe Infobox). Wissen über Strahlungsgefahren so lange weiterzugeben sei unmöglich, meint er.

Endgültige Lösungen wie ins Weltall schießen sind nicht möglich, weil zu teuer – und weil die Gefahr einer Explosion der Rakete zu groß ist. Die Abfälle unterhalb des Meeresbodens oder im Eis der Arktis zu versenken wurden verworfen.

Erste Langzeitdeponie in Finnland

Am weitesten ist man in Europa in Sachen Endlagersuche inzwischen in Finnland: Dort soll neben dem AKW in Olkiluoto bis 2020 die weltweit erste Langzeitdeponie entstehen. In Deutschland lässt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nun bundesweit nach einer Alternative zum unter Kernkraftgegnern unbeliebten Endlager Gorleben suchen. Die Stätte unter Tage wurde ab 1977 beforscht, 1,5 Milliarden Euro haben die Untersuchungen laut Bundesumweltamt gekostet.

Das Versenken in tiefen Schächten, hunderte Meter unter der Grundwassergrenze gilt bisher als einzig sinnvolle Lagerung. Geeignet sind vor allem Salzstöcke oder Granitschichten: Erstere, weil ihre bloße Existenz beweist, dass seit Millionen Jahren kein Wasser eingebrochen ist – sonst gäbe es sie nicht. Letztere, weil sie sehr hart und beständig sind. Doch beide haben ihre Tücken.

Streit um Zerfallswärme

Atommüll erzeugt Zerfallswärme, manche Kernkraftgegner fürchten daher, dass die Hitze das Salz beeinflussen und die Stabilität gefährden könnte. Die Auswirkungen von Wärme auf Salz werden untersucht, gelten aber bisher nicht als automatisch gefährdend. Im Gegenteil könnte der Effekt auch genutzt werden: Das Salz könnte den Müll besser umschließen, wenn es sich durch die höheren Temperaturen schneller verändert. Sein Schmelzpunkt liegt bei 801 Grad – eingelagerte Brennelemente hätten etwa 100.

Granit wiederum ist so hart, dass es extrem teuer ist, in ihn Lager zu graben. Zudem kann bei ihm ein Wassereinbruch nicht so sicher ausgeschlossen werden wie im Salz. Die Langzeitdeponie in Olkiluoto entsteht derzeit in Granit. Auch das österreichische Endlager wäre im Waldviertel gelegen, wenn Zwentendorf in Betrieb gegangen wäre.

Natürlicher Reaktor in Gabun

Aufgrund der langen Lagerzeit können Wissenschafter die möglichen Gefahren des Mülls nur bedingt im Labor simulieren und untersuchen – dafür aber in Oklo in der zentralafrikanischen Republik Gabun. Vor 1,7 Milliarden Jahren brannte dort ein natürlicher Reaktor und erzeugte neben anderen Stoffen rund vier Tonnen Plutonium, das damals größte natürliche Vorkommen der Welt.

Forscher haben studiert, wie sich dieses Plutonium in den vergangenen Jahrmillionen verhalten hat. Das Ergebnis: Die Stoffe haben sich nur rund drei Meter bewegt und sind nicht ins Grundwasser gesickert. Sie wurden von den umliegenden Sedimenten absorbiert und eingeschlossen. (Tobias Müller & Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.1.2012)