Berlin - In den Verhandlungen über ein zweites Hilfspaket drängt Deutschland Finanzkreisen zufolge Griechenland dazu, Kontrolle über seine Haushaltspolitik an europäische Institutionen abzugeben. In der Euro-Gruppe würden Vorschläge für den Umgang mit Hilfsprogrammen diskutiert, die kontinuierlich aus dem Ruder liefen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Freitagabend aus den europäischen Kreisen. Überlegt werde, wie man damit konstruktiver umgehen könne, statt die Probleme zu ignorieren oder zu sagen "dann geht es eben nicht mehr". Einer der Vorschläge stamme dabei von Deutschland.

Europäischen Institutionen, die bereits in Griechenland tätig seien, sollten demnach "bestimmte Entscheidungsrechte" eingeräumt werden. Ein Vertreter des Finanzministeriums in Athen sagte, bisher habe kein Land derartige Vorschläge in der Eurogruppe gemacht.

Griechenland: "Ausgeschlossen, dass wir akzeptieren"

Griechenland hat eine auch von Deutschland vorgeschlagene Abgabe der Kontrolle über seine Finanzpolitik an die EU ausgeschlossen. Zwar sei der Eurogruppe ein inoffizielles Arbeitsdokument vorgelegt worden, das die Übernahme der Kontrolle über die griechische Finanzpolitik durch die EU vorsieht, verlautete am Samstag aus griechischen Regierungskreisen. Griechenland ziehe eine solche Möglichkeit aber nicht in Erwägung. "Es ist ausgeschlossen, dass wir das akzeptieren, diese Kompetenzen fallen unter die nationale Souveränität", hieß es.

Unfähig Sparvorgaben einzuhalten

Hintergrund der Debatte ist die wiederholte Unfähigkeit Griechenlands, sich an die mit den internationalen Gläubigern vereinbarten Sparvorgaben zu halten. Unter den Geldgebern machen sich deshalb Unverständnis und Ungeduld breit. Der mit den Überlegungen Vertraute sagte, diskutiert würden rechtlich verbindliche Vorgaben, um dem Defizitabbau eine "klare Priorität" zu geben. Ein Problem sei etwa, dass der Haushalts-Prozess in Griechenland nicht zentral gesteuert werde. Klare Vorgaben für die Griechen könnten zu einer größeren Kohärenz führen, Entscheidungsprozesse erleichtern sowie beschleunigen und so dazu beitragen, die Programme zu dynamisieren.

Debatte um Schuldenschnitt

Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds muss der Regierung in Athen bescheinigen, dass die geforderten Reformen auf Kurs sind. Erst dann können neue, dringend benötigte Hilfsgelder fließen. Wesentliche Voraussetzung dafür ist allerdings auch eine Einigung über einen Schuldenschnitt. In den Verhandlungen erzielten Regierung und Gläubiger am Freitag weitere Fortschritte. Sie sollen am Samstag fortgesetzt werden. Griechenlands Ministerpräsident Lukas Papademos sagte Reuters, er rechne binnen Tagen mit einer Einigung über einen Schuldenschnitt. Das zweite Hilfspaket umfasst nach derzeitigem Stand 130 Milliarden Euro.

Nach den Worten von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, zugleich Chef des verhandelnden Internationalen Bankenverbands IIF, sind die Institute bereit, auf fast 70 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. "Jeder muss seinen Beitrag leisten", mahnte er mit Blick auf die übrigen Gläubiger, zu denen auch die Europäische Zentralbank (EZB) zählt. Ähnlich äußerte sich der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. Die deutsche Bundesregierung kritisierte Forderungen nach immer mehr Geld für Griechenland.

Der Druck auf die Geberländer erhöhte sich am Freitag jedoch weiter: Nach Standard & Poor's hat Fitch zum Rating-Rundumschlag in der Euro-Zone ausgeholt und gleich fünf Länder schlechter eingestuft. Die Bonitätswächter senkten am Freitagabend die Kreditwürdigkeit von Italien, Spanien, Belgien, Zypern und Slowenien. Für die betroffenen Länder kann sich die schlechtere Bewertung in höheren Zinsen niederschlagen, wenn dies auch nicht zwangsläufig eintreten muss. (APA)