Bild nicht mehr verfügbar.

Muhammad Yunus: "Geld ist eine machtvolle Maschine. Man kann sie einsetzen, um das Leben von Menschen zu verbessern."

Foto: APA/EPA/Laurent Gillieron

STANDARD: Wie haben Sie in Davos Spitzenmanagern erklärt, wie sich soziales Unternehmertum von deren Ansatz unterscheidet?

Yunus: Ich sagen Ihnen, ich mache das Gegenteil von dem, was ihr macht. Ich bin Unternehmer, um die Welt zu verändern und Probleme zu lösen. Ich bin nicht darauf konzentriert, Profit zu machen. Das herkömmliche Wirtschaften hat zum Ziel, Geld zu verdienen. Die Kultur, in der wir leben, ist auf Geld konzentriert. Geld ist eine sehr machtvolle Maschine. Man kann sie einsetzen, noch mehr Geld zu verdienen oder das Leben von Menschen zu verbessern.

STANDARD: Zwei Großkonzerne haben Sie überzeugt, mit ihnen Projekte zu machen: Adidas bietet einen Billigschuh an, Danone Joghurt für Kinder gegen Unterernährung. Haben sich noch andere Manager in Davos gefunden, die mit Ihnen arbeiten wollen?

Yunus: Ich habe einige getroffen aus Japan, China und Europa. Die kommen zu uns und sagen, wir wollen etwas machen, wissen aber nicht, wie wir das mit dem sozialen Unternehmen anstellen sollen. Wir werden sehen, was dann etwas wird.

STANDARD: Technologische Innovationen werden immer wichtiger. Wie können diese Gadgets in der Entwicklungshilfe eingesetzt werden?

Yunus: Im Gesundheitsbereich gibt es kleine tragbare Geräte, die in abgelegenen Dörfern zum Beispiel bei Schwangeren eingesetzt werden können. So kann ein Arzt in Kombination mit einem Handy Anweisungen geben, Untersuchungen durchführen, auch wenn er nicht vor Ort ist. Das kann man mit Icons ganz einfach bedienbar machen. Damit kann man Arztservice überall anbieten.

STANDARD: Österreich hat die Entwicklungshilfe auf 0,3 Prozent vom BIP gekürzt. Fürchten Sie, dass die Sparmaßnahmen in Europa generell zu einem Rückgang an Entwicklungshilfe führen?

Yunus: Ja. Und die Probleme in Europa sind durch das herkömmliche Wirtschaftssystem verursacht. Wenn man in dem System bleibt, dann macht es wenig Unterschied, wie groß die Zahl hinter der Null ist, die man zur Verfügung stellt. Wenn man das Geld ohnehin nur anderen Regierungen gibt, weiß man häufig nicht, was damit geschieht. Man sollte dieses Geld stärker in soziale Unternehmen investieren, etwa um Technologie wie die vorhin geschilderte zu entwickeln. Man könnte auch Universitäten errichten, ohne dafür Hörsäle bauen zu müssen. Wir haben viele Ideen.

STANDARD: In manchen EU-Ländern gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 40 Prozent. Welche Ideen haben Sie, um diese abzubauen?

Yunus: Das ist schrecklich. Welche Art von Gesellschaft haben Sie nur aufgebaut, die die Kapazität von jungen Menschen mit all dem Potenzial nicht nutzt? Jungen Männern, die die Kraft haben, alles Mögliche zu machen, wird gesagt: Wir haben nichts für dich zu tun. Nicht diese jungen Menschen, die Gesellschaft hat versagt. Wir brauchen eine neue Gesellschaft ohne Arbeitslosigkeit, wo man ohne Sozialhilfe leben kann. Wir müssen viel mehr Gedanken in die Richtung investieren. Aber ich habe schon das Gefühl, es findet ein Umdenken statt.

STANDARD: In Indien haben sich Frauen verbrannt, die Kleinkredite nicht zurückzahlen konnten. War die Idee falsch, Armen durch Mikrokredite helfen zu können?

Yunus: Es gab Probleme in einer Provinz, in Andhra Pradesh, mit aggressiven Mikrokreditprogrammen, die nur aufs Geldverdienen ausgerichtet waren. Das ist eine Form, die ich immer verurteilt habe. Wir setzen Mikrokredite ein, um armen Menschen zu helfen. Aber es gibt andere, die diese gute Idee zum Geldverdienen missbraucht haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2012)