Teheran - Im Streit mit dem Westen über das iranische Atomprogramm kommen aus dem Iran widersprüchliche Signale. Ölminister Rostam Qasemi kündigte am Sonntag an, in Kürze die Exporte in "einige" Länder zu unterbinden. Auf der anderen Seite verschob das iranische Parlament die Debatte über ein Notgesetz, das mit sofortiger Wirkung Öllieferungen in die EU stoppen würde. Kontrollore der UNO-Atomenergiebehörde (IAEO) trafen unterdessen im Iran ein, um sich einen Eindruck vom umstrittenen Nuklearprogramm des Landes zu verschaffen.

Noch sei kein entsprechender Entwurf vorgelegt worden, sagte ein Sprecher des Energieausschusses im iranischen Parlament. Es gebe aber einen Vorschlag von Abgeordneten, der ernsthaft begutachtet werde. "Wir hoffen, dass wir unsere Diskussionen bis Freitag abschließen können", sagte der Sprecher.

Das Gesetz sieht vor, alle Länder, die wegen des Atomprogramms einen Boykott iranischer Öllieferungen beschlossen haben, sofort von der Belieferung mit Öl und Erdölprodukten auszuschließen. Das träfe die Europäische Union. Alle Lieferungen würden sofort gestoppt, obwohl die Europäer noch bis Juli laufende Verträge abwickeln wollen und zudem Ausnahmen vorsehen. Die Maßnahmen könnten laut Parlamentariern die kommenden 15 Jahre betreffen.

Panetta: Noch mindestens "ein Jahr" bis zum Bau einer Atombombe

Die Iraner brauchen nach Ansicht von US-Verteidigungsminister Leon Panetta noch mindestens "ein Jahr" zur Anreicherung von ausreichend Uran für den Bau einer Atombombe. "Der Konsens ist, dass wenn sie sich dazu entscheiden, sie wahrscheinlich rund ein Jahr brauchen, um eine Bombe herstellen zu können", sagte Panetta dem Fernsehsender CBS. Anschließend würden sie noch ein oder zwei Jahre brauchen, um sie auf einem Trägersystem wie einer Rakete zu installieren.

Die Aussagen von Panetta legen nahe, dass er davon ausgeht, dass der Iran noch keine Entscheidung zum Bau einer Bombe getroffen hat. Anfang 2011 waren die 16 US-Nachrichtendienste zu dem Schluss gekommen, dass die iranische Führung in der Frage der Entwicklung einer Atombombe gespaltener Meinung ist. Auch wenn sie ihr umstrittenes Atomprogramm fortführe, habe sie noch keinen Entschluss für den Bau einer Bombe getroffen, hieß es damals in dem gemeinsamen Bericht der Nachrichtendienste.

Am Sonntag traf eine ranghohe Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) in Teheran ein, um eine Reihe offener Fragen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm zu klären. Zudem soll sie während ihres dreitägigen Besuch versuchen, die Gespräche über das Atomprogramm wieder in Gang zu bringen, die seit mehr als einem Jahr auf Eis liegen. Womöglich können die IAEA-Experten auch die neue unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo bei der Stadt Ghom besuchen.

EU: Ölembargo ab 1. Juli

Die EU hat unlängst ein Import-Embargo für iranisches Öl ab dem 1. Juli beschlossen, um den Iran zum Einlenken im Atomstreit zu zwingen. Die iranische Regierung steht entgegen eigener Darstellung im Verdacht, heimlich an Atomwaffen zu arbeiten.

Mit dem Gesetz will das zweitgrößte OPEC-Ölexportland den Plan der EU vereiteln, den Importstopp erst nach sechs Monaten voll wirksam werden zu lassen. In der Übergangszeit sollen sich besonders vom iranischen Öl abhängige Länder - wie das von der Schuldenkrise ohnehin schwer gebeutelte Griechenland - der Lage anpassen können.

Die EU wird aber nach Einschätzung von Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle Wege finden, um Lieferausfälle zu kompensieren. "Wir lassen uns von Drohgebärden nicht von unserem Weg der Entschiedenheit gegen eine atomare Bewaffnung Irans abbringen", sagte Westerwelle der "Welt am Sonntag". Er forderte den Iran zur Mäßigung und zum Einlenken auf. Die Verantwortlichen in Teheran hätten eine Reduzierung der Spannungen selbst in der Hand. "Beim Iran erleben wir eine ebenso bedauerliche wie gefährliche Eskalation der Worte."

Ölpreis könnte steigen

Am Sonntag erklärte der Iran, mit den geplanten EU-Sanktionen drohe der Ölpreis bis auf 150 Dollar je Barrel zu steigen. Eine Spanne von 120 bis 150 Dollar sei denkbar, sagte ein Regierungsmitglied laut der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA. Derzeit kostet Rohöl knapp 100 Dollar. Analysten zufolge könnten Ersatzlieferungen aus Saudi-Arabien einen iranischen Ausfuhrstopp ausgleichen. Profitieren dürften dagegen China und Indien, die mehr vom iranischen Öl zu geringeren Preisen beziehen könnten.

Besuch der IAEO-Experten

Bei dem Besuch der IAEO-Experten sollten alle offenen Fragen geklärt werden, sagte Delegationsleiter Herman Nackaerts in Wien vor dem Abflug seines Teams. Die UNO-Behörde hoffe, dass der Iran während des dreitägigen Besuchs bereit sei, "auf unsere Sorgen einzugehen, was die mögliche militärische Dimension des iranischen Atomprogramms angeht".

Diplomaten haben Zweifel angemeldet, dass der Iran tatsächlich zu den von der IAEO geforderten konkreten Schritten bereit sei. Sie haben die iranische Regierung der Hinhaltetaktik bezichtigt, um das Atomprogramm weiter voranzutreiben.

Aus dem Iran kamen gemischte Reaktionen auf den Besuch. Außenminister Ali Akbar Salehi zeigte sich zuversichtlich und selbstbewusst. "Wir haben nichts zu verbergen und der Iran hat keine geheimen (Atom-)Aktivitäten." Parlamentspräsident Ali Larijani meldete sich dagegen mit einer kaum verhüllten Drohung an die UNO-Atomaufsicht zu Wort: "Dieser Besuch ist ein Test für die IAEO", sagte er. Wenn sich die Behörde als Werkzeug des Auslands erweise, um Druck auf den Iran auszuüben, müsse das Land seine Beziehung zu den Kontrolleuren überdenken.

Der seit Jahren schwelende Streit mit dem Iran hatte sich zuletzt deutlich zugespitzt. Die USA und die EU haben ihre bisher schärfsten Sanktionen verabschiedet, um den Iran zum Einlenken zu bewegen. Die Strafmaßnahmen zielen direkt auf die Ölindustrie, der wichtigsten Einnahmequelle des Iran. Das Land droht seinerseits mit der Blockade einer für den Ölhandel wichtigen Schifffahrtsroute - der Straße von Hormuz - was wiederum die US-Regierung als inakzeptabel zurückgewiesen hat. (APA)