Mit Kritik sieht sich nun die Klasnic-Kommission konfrontiert: Unklar ist, nach welchen Kriterien die Kommission Geld an mutmaßliche Opfer von sexueller Gewalt in der Kirche vergibt. Grund für die Empörung ist ein Fall von körperlichem und sexuellem Mißbrauch, in den das Stift Admont verwickelt ist, berichtet das Ö1-"Morgenjournal". Es gibt Zeugen und ein mittlerweile widerrufenes Geständnis. Das Opfer haben kein Geld bekommen.
Ein heute 57-Jähriger, der anonym bleiben möchte, war vom neunten bis zum 13. Lebensjahr im Internat des Stifs Admont gewesen. Er sei dort von zwei Patern regelmäßig schwer misshandelt und auch schwer verletzt worden. Davon habe er unter anderem einen schweren bleibenden Hörschaden erlitten. Vor eineinhalb Jahren wandte sich der Mann an die Klasnic-Kommission. In dem von ihr beauftragten Clearing-Bericht heißt es: "Es kann ein kausaler Zusammenhang zwischen den erlittenen sexuellen Übergriffen, den Schmerzen durch die Beschuldigten und den beschriebenen psychischen Folgen hergestellt werden." Dennoch entschied die Kommission: Es gibt kein Geld.
Gutachten und Zeugen
Für den Betroffenen ist die Entscheidung der Kommission unverständlich: "Nie eine detaillierte Erklärung, nur den einen Satz, dass ich nichts bekomme, obwohl es Geständnisse gibt, ärztliche und psychiatrische Gutachten." Unverständlich ist das auch für Rechtsanwalt Joachim Bucher, der ins Treffen führt, dass es einen Zeugen gebe, der auch die Vorwürfe bestätige, sich derzeit aber nicht öffentlich äußern wolle.
Und es gibt auch das Geständnis eines Beschuldigten im Nachrichtenmagazin "profil" vom März 2010: "Ich bin für die Hörbehinderung des Mannes verantwortlich, es tut mir unendlich leid, ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Ich leide darunter, muss damit leben und bitte um Verzeihung." Beide Pater hätten sich auch beim Betroffenen entschuldigt und Geld angeboten, sagt Anwalt Bucher: "Im Nachhinein wurden jedoch diese Vorhalte wieder bestritten."
Stift Admont weist Vorwürfe zurück
Das Stift hält hingegen fest: "Die behaupteten Misshandlungen werden entschieden bestritten, der beschuldigte Pater entschuldigt sich für eine Ohrfeige, die ihm sehr leidtut." Die behaupteten Verletzungsfolgen seien jedoch nicht nachvollziehbar. Der 57-Jährige dagegen will nicht hinnehmen, dass die beiden Pater nach wie vor tätig sind: "Stellen Sie sich vor, so jemand leitet einen Kinderchor irgendwo. Das ist total gefährlich. Das ist eigentlich die Gerechtigkeit, die sein müsste."
Der Sprecher der Klasnic-Kommission betont: Die Kommission habe den Fall sogar mehrfach geprüft und abgelehnt, und der Anwalt des Betroffenen habe sogar eine ausführliche Stellungnahme bekommen. Außerdem stehe jedem Betroffenen der Rechtsweg offen.
Nicht gezahlt: Kommission verteidigt sich
Die Klasnic-Kommission wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe den Fall zu Unrecht abgewiesen. Der Bericht, wonach ein kausaler Zusammenhang zwischen sexuellen Übergriffen und psychischen Folgen hergestellt werden kann, sei zwar wichtig, sagt Caroline List, Richterin und Mitglied der Kommission, aber es gebe auch andere Kriterien. Jedes Kommissionsmitglied bilde sich vor einer Sitzung seine Meinung, und es könne eben vorkommen, dass der Kommission eine Schilderung nicht ausreichend plausibel erscheine. Grundsätzlich habe die Klasnic-Kommission gewisse Kriterien aufgestellt, nach denen die beauftragten Psychologinnen und Psychologen den Clearing-Bericht erstellen, sagt List. Mit diesem vorgegebenen Standard funktioniere es sehr gut, so List.
Sie verstehe den Unmut der Betroffenen, wenn sie kein Geld bekommen. Aber es gebe ein klar definiertes Procedere, und jedes der acht Kommissionsmitglieder befasse sich sehr intensiv mit jedem Fall. Und man versuche, nach einer "sehr groben Plausibilitätsprüfung" immer für das Opfer zu stimmen. Auch die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt hat sich am Vormittag zu Wort gemeldet. Sie kritisiert die Klasnic-Kommission. Sie schütze die Täter und speist Gewaltbetroffene mit Almosen ab, heißt es. Und die Plattform fordert eine "unabhängige Kommission". (red, derStandard.at, 30.1.2012)