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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trifft beim WKR-Ball ein. Einige Stunden später macht er einige nun heftig kritisierte Vergleiche.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Nach seinem Juden-Vergleich ist Heinz-Christian Strache für den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, "politisch in keiner Funktion mehr tragbar". Das sagte Muzicant am Montag in Fernsehinterviews. Die IKG will gegen den FPÖ-Chef Anzeige erstatten.

Wie berichtet hatte Strache auf dem Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) zu einem STANDARD-Journalisten - ohne zu wissen, mit wem er sprach - gesagt, Angriffe auf Burschenschafter-Buden vor dem Ball seien "wie die Reichskristallnacht gewesen". "Wir sind die neuen Juden", äußerte er. Tatsächlich kam es im Vorfeld des Balles zu einem versuchten Brandanschlag auf das Lokal einer Studentenverbindung. Verletzt wurde niemand, laut Polizei wurde ein Anti-WKR-Demonstrant festgenommen.

Anders gemeint

Von der FPÖ kam am Montag kein Dementi zu Straches Aussagen. Generalsekretär Harald Vilimsky sprach lediglich von einer "künstlichen Empörung" und einer "verzerrt dargestellten Aussage". Strache habe die Vergleiche zu den Verbrechen der Nationalsozialisten zwar gezogen, aber ganz anders gemeint. Der FPÖ-Chef habe ausdrücken wollen, dass Berichte, etwa über Brandanschläge auf Studentenhäuser, "methodisch an die grausamen Berichte über die unselige NS-Zeit erinnern", so Vilimsky.

Generalsekretär Herbert Kickl schrieb in einer Aussendung von "angeblichen Zitaten" und meinte: "Der neue Faschismus kommt von links." Straches Stellvertreter Johann Gudenus schrieb, dass die "Faschismuskeule mittlerweile schon ein bisschen stumpf" sei. "Wehret den Anfängen", endete er.

Nur Klaus Nittmann, Chef des freiheitlichen Bildungsinstituts, bestritt im STANDARD-Gespräch, wie zitiert von "Judensternen" gesprochen zu haben, welche Unternehmen bekämen, die mit dem WKR-Ball zusammenarbeiteten. Die Aussage, er habe sich auf dem Weg zum Ball wie ein Jude in einer Gasse voller Nazis gefühlt, bestätigte er.

Ein STANDARD-Journalist hatte Strache am Ball vor seiner Loge angesprochen und um ein Autogramm gebeten. Er hatte seine Begleiterin vorgestellt und erzählt, dass sie zum ersten Mal auf dem Ball seien, um sich ein Bild zu machen. Daraufhin sprach Strache von den Protesten, Angriffen gegen Burschenschafter und verglich sie wie zitiert mit den Verfolgungen unter den Nationalsozialisten.

Für die Israelitische Kultusgemeinde stellt "der Vergleich Straches von Besuchern des WKR-Balles mit der Judenverfolgung eine ungeheuerliche Provokation dar. Bei nicht durch parlamentarische Immunität Privilegierten wie ihm könnten diese Äußerungen strafrechtliche Folgen nach sich ziehen." Ob das so ist, ist aber nicht sicher. Denn sowohl die Bestimmung gegen Verhetzung als auch jene gegen die "gröbliche Verharmlosung" von NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit verlangen, dass eine "breite Öffentlichkeit" davon erfährt beziehungsweise sie "öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird", getätigt wird. Bei Straches Vergleichen auf dem WKR-Ball waren aber nur fünf Zuhörer dabei.

Unabhängig vom Strafrecht sind die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien empört. Für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas handelt es sich um einen "unfassbaren Vergleich", ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch sieht einen "offenen Schlag ins Gesicht für all jene, die Opfer des verbrecherischen NS-Systems waren".

"Absolut untragbar"

Grünen-Chefin Eva Glawischnig hält Strache für "absolut untragbar" für das Parlament, für das BZÖ sind die Sätze "taktlos und deplatziert am Tag der Auschwitz-Befreiung".

Auch ein anderer FPÖ-Politiker könnte durch seinen Ballbesuch Probleme bekommen: Der Nationalratsabgeordnete Elmar Podgorschek war in Bundesheer-Ausgehuniform erschienen, was Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) im Vorfeld verboten hatte. Nun droht Podgorschek eine Anzeige. (moe, tob, völ, DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2012)