Illustration eines Bose-Einstein-Kondensats, das nach unten fällt, expandiert und zudem in einer dünnen Schicht aus Licht vermessen wird.

Grafik: TU Wien/Thomas Betz

Wien - Wenn man Atome auf weniger als ein Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius bzw. Null Kelvin abkühlt, gehen sie in einen besonderen Materiezustand über - das Bose-Einstein-Kondensat (BEC). In diesem Zustand verlieren die Teilchen quasi ihre Identität und beginnen im Gleichschritt zu schwingen, ähnlich wie Lichtteilchen in einem Laser. Wiener Physiker konnten nun zeigen, dass selbst bei 50 Milliardstel Grad Celsisus über dem Nullpunkt noch ein paar "Individualisten" diesen Gleichklang stören. Ihre Arbeit wurde in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Nature Physics" veröffentlicht.

Üblicherweise haben alle Atome in einem Gas unterschiedliche Geschwindigkeiten und befinden sich an unterschiedlichen Orten. Quantenphysikalisch kann man jedes Teilchen als eine andere Quanten-Welle beschreiben. Handelt es sich bei den Teilchen um Bosonen (das sind Atome, die sich aus einer geraden Zahl von Protonen, Neutronen und Elektronen zusammensetzen und deshalb "ganzzahligen Spin" haben), nehmen sie knapp über dem absoluten Nullpunkt den Zustand mit der geringstmöglichen Energie ein, sie bilden ein BEC.

Gleichklang

In einem solchen BEC schwingen alle Quanten-Wellen exakt im Gleichklang. Die Teilchen haben ihre Individualität völlig verloren und verhalten sich wie eine einzige große Quantenwelle. Auch die einzelnen Lichtteilchen in einem Laser schwingen im Gleichschritt und bilden gemeinsam eine einzige Quanten-Welle.

Die Messungen der Physiker vom Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) am Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien am BEC sind eng mit dem sogenannten Hanbury-Brown-Twiss-Experiment verwandt, mit dem vor mehr als 50 Jahren die Quanteneigenschaften von Licht untersucht wurden. In diesem Experiment wird ein mathematischer Zusammenhang zwischen den Aufenthaltsorten der Teilchen untersucht, die sogenannte Korrelationsfunktion.

Neue Messung

Bei Licht einer gewöhnlichen Glühbirne hat diese Korrelationsfunktion den Wert 2, bei Laserlicht den Wert 1. Der Wert 1 bedeutet, "dass die Wahrscheinlichkeit, zwei Teilchen zu detektieren, überall gleich groß ist", so der Erstautor der Studie, Aurelien Perrin in einer Aussendung der TU. Weil der Zustand von Atomen im BEC jenem von Lichtteilchen im Laserstrahl sehr ähnlich ist, hatten die Wissenschafter erwartet, auch ähnliche Hanbury-Brown-Twiss-Korrelationen festzustellen. "Man hatte immer geglaubt, dass bald nach Bildung des BEC die Korrelationsfunktion eins wird und hat das auch tatsächlich so gemessen. Aber da konnte einfach nicht genau genug gemessen werden", erklärte TU-Forscher Jörg Schmiedmayer im Gespräch.

Das Experiment der Wiener Physiker zeigte nun, dass sich BEC und Laser tatsächlich deutlich unterschieden. Der Grund: In einem Bose-Einstein-Kondensat sind nicht alle Atome im tiefsten Energiezustand, ein paar Ausreißer gibt es immer. Diese Teilchen haben ein wenig mehr Energie als der große Rest und sind dafür verantwortlich, dass sich das BEC doch anders verhält als Licht in einem Laserstrahl. Denn die Materiewellen der "Individualisten" überlagern sich mit dem BEC und erzeugen zusätzliches Rauschen. Selbst im weiter abgekühlten Zustand bei 50 Nanokelvin (50 Milliardstel Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt) war dieser Effekt noch zu sehen. "Bose-Einstein-Kondensate sind mittlerweile auf der ganzen Welt zu höchst gefragten Versuchsobjekten für Quanten-Experimente geworden. Diese Messungen sind ein wichtiger Beitrag, unser Verständnis dieser ultrakalten Objekten zu vertiefen", so Schmiedmayer abschließend. (APA/red)