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Wien - Der permanente Euro-Rettungsschirm (ESM), der am 1. Juli in Kraft treten soll, wird am Montag von den in Brüssel versammelten Regierungschefs formell unterzeichnet. Nach der Übernahme von knapp 22 Mrd. Euro an Garantien für den provisorischen Rettungsschirm EFSF soll das Parlament in Wien in den nächsten Monaten seinen Nachfolger ESM billigen. Österreich werden dabei weitere 19,5 Mrd. Euro an Kapitalzusagen abverlangt. Ob dabei eine Pauschalzusage für künftige Aufstockungen abgegeben wird, hänge ausschließlich von den Abgeordneten ab, sagte der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer. Der Beschluss muss mit Verfassungsmehrheit erfolgen.

Künftige Erhöhungen des ESM-Stammkapitals seien nur eine begrenzte Vertragsänderung und müssten eigentlich nicht mehr mit Verfassungsmehrheit gebilligt werden - "ich gehe davon aus, dass bei der Verabschiedung des ESM ein solcher Vorbehalt eingezogen wird", sagte Obwexer. "Das Parlament hat es jedenfalls selbst in der Hand."

Kritik wegen fehlender Kontrolle

Obwexer, der den erst seit kurzem öffentlich erhältlichen Vertrag durchgesehen hat, hält den Text zwar für "grundsätzlich OK", kritisiert aber, dass auch dort auf Kontrolle durch die Parlamente verzichtet wurde, wo nicht mit besonderer Dringlichkeit argumentiert werden kann, etwa beim Mitteleinsatz oder bei den Bedingungen, unter denen der ESM-Geschäftsführer auf einen Schlag Riesensummen verlangen kann.

Droht ein Zahlungsverzug, könnte der ESM-Geschäftsführer - ein Beamter, der rechtlich immun ist - auf einen Schlag dreistellige Milliardensummen abrufen. Das ESM-Direktorium werde zwar noch genauere Regeln definieren und die Kompetenzen möglicherweise eingrenzen, "das (nationale) Parlament hat dabei aber nichts mehr mitzureden", sagt Obwexer. Der Teufel liege oft im Detail: "Ab wann ist etwas ein Zahlungsverzug und wird für den Kapitalabruf des Geschäftsführers eine Obergrenze eingezogen?" Auch das Direktorium kann große Summen unter bestimmten Bedingungen problemlos abrufen. Nur die Gouverneure (Aufsichtsräte) müssen mit eine Stimme sprechen, wenn sei die Mitgliedstaaten zur Kasse bitten. Sie brauchen dies aber auch nicht groß zu rechtfertigen.

Ruft der ESM, sind Mitgliedstaaten verpflichtet, "unwiderruflich und uneingeschränkt" einzahlen. Theoretisch könnte das eingezahlte Kapital über fünf Jahre kontinuierlich aufgebaut werden, eine neue Klausel sorgt aber dafür, dass dies bei Bedarf viel schneller passieren kann: die ESM-Unterzeichner sichern zu, in den ersten fünf Jahren 15 Prozent des verliehenen Kapitals auch tatsächlich einzuzahlen und ihren Einzahlungsplan notfalls auch zu beschleunigen. Die restlichen Mittel sollen durch Anleihen auf den Kapitalmärkten aufgebracht werden.

Verleihkapazität

Insgesamt werden die Euroländer dem ESM 700 Mrd. Euro an Stammkapital zusagen, die Verleihkapazität ist mit zunächst 500 Mrd. Euro (inklusive provisorischem Rettungsfonds EFSF) begrenzt. Von den 700 Milliarden müssen über die nächsten fünf Jahre wenigstens 80 Milliarden eingezahlt werden. Der Abruf des Kapitals erfolgt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aber viel schneller, erwarten Beobachter. Österreich muss nach dem derzeitigen Stand knapp 20 Milliarden Euro Kapital beisteuern, von denen (wenigstens) 2,2 Milliarden in den nächsten fünf Jahren fließen müssen. Der ESM soll aber noch bis zu seinem Inkrafttreten im Juli 2012 noch einmal aufgestockt werden ("Brandmauern erhöhen").

Zum Vergleich: Der gesamte Bargeldumlauf in der Eurozone ist nur um rund 25 Prozent höher als die derzeit fixierten Kapitalzusagen der ESM-Länder. Die von Österreich zugesagten Gelder entsprechen grob gerechnet etwa der Hälfte der jährlichen Steuereinnahmen.

Die Finanzhilfen an ansuchende Staaten können über Darlehen und Aufkäufe von Staatsanleihen erfolgen, dies setzt aber einen Vertrag mit dem ESM mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Auflagen voraus. Der Gouverneursrat muss diesen einvernehmlich (einstimmig) beschließen.

Die Ausnahme dazu: Ein neu in den Vertrag aufgenommenes Eilverfahren, bei dem eine 85-Prozentmehrheit ausreicht. Auf diese Weise können Österreich und andere Kleinstaaten überstimmt werden. Die Stimmgewichte der einzelnen Staaten sind so hoch wie das zugesagte Kapital - im Fall von Österreich 2,8 Prozent der Gesamtsumme. Finnland (1,8 Prozent Stimmgewicht) hat sich eine Ausnahme dazu ausbedungen und muss nicht einzahlen, wenn es überstimmt wird. Die österreichischen Verhandler haben darauf verzichtet, sich das gleiche Recht wie die Finnen einräumen zu lassen. (APA)