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Die Frage, wie im Internet Urheberrecht eingeklagt werden soll, scheidet die Geister: Polnische Abgeordnete demonstrieren mit Anonymous-Masken gegen einen Copyright-Schutzparagrafen.

Foto: EPA/PAWEL SUPERNAK

Daraus ein Votum für die Verschärfung des Urheberrechts abzuleiten ist verkehrt.

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Medienwirksamer als eine Debatte über das Recht der Kunst mag das virtuelle Scheibeneinschlagen des Online-Mobs ja sein - dieser stilisiert sich gern zum glühenden Verfechter der "Gratiskultur". Doch dem Großteil der Kunstschaffenden geht es um etwas Unaufgeregtes: das konstruktive Aushandeln eines "common sense". Angesichts bedrohter Lebensgrundlagen stellt sich die Frage, warum ausgerechnet die Wahrung des Urheberrechts den Kunstschaffenden "ins eigene Fleisch schneiden" sollte? Konrad Becker ("Mehr Rechte gegen die Kunst", DER STANDARD, 26. 1.) konstruiert in seinem Beitrag das Bild von "verunsicherten Kulturschaffenden, von Rechtsanwälten umklammert, von Regelwerken behindert, nur als Superstars Profiteure der Verwertungsindustrie" - das Gegenteil ist der Fall.

Angesichts der gerade im Internet großen Nachfrage nach künstlerischen Inhalten hat es herzlich wenig Sinn, Spezialfälle der Appropriation Art oder eine Innovationsdebatte innerhalb der Kunst in der Diskussion anzuführen. Worum es wirklich geht, ist viel lebensnäher: Die Künstlerinnen und Künstler wollen sich nicht das Recht nehmen lassen, über die Verwendung ihrer Werke selbst zu bestimmen - und sie haben ein Recht darauf, von denjenigen bezahlt zu werden, die ihre Werke nützen.

Deswegen kam es zu einer gemeinsamen Initiative. "Kunst hat Recht" wird von heimischen Kunstschaffenden aller Kunstsparten getragen, im Schulterschluss mit ihren Verwertungsgesellschaften. Die Solidarisierung mit "Kunst hat Recht" ist rasant - mehr als 2500 Kunstschaffende haben sich schon in den ersten Tagen angeschlossen.

Die Rolle der Verwerter wird leichtfertig zu jener des Beelzebubs dramatisiert, ja sogar als Legitimation für die missbräuchliche Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke benützt: eine krude Logik, die zudem auf Vorurteilen fußt.

Die Verwertungsgesellschaft bildende Kunst Wien zum Beispiel vertritt als Verein rund 2300 bildende Künstler. Das heißt im Klartext: Sie gehört ihren Mitgliedern! Eine Verwertungsgesellschaft ist keine Industrie, sondern eine sinnvolle Lobby, sie erfüllt einen kollektiven Auftrag und vergütet die individuellen Urheberrechte, die Künstlerinnen und Künstler bei medialer Nutzung ihrer Werke haben. Diese Vergütungen stellen einen Faktor der Existenzsicherung dar, der gerade für weniger bekannte Künstler substanziell ist. Es ist kein Almosen, sondern eine Bezahlung für Leistungen. Nur ganz wenige "Stars" können von ihren direkten Künstlergagen leben.

Adaption der Privatkopie

Nicht die Juristen einer Verwertungsgesellschaft nehmen die Kunstschaffenden in den Schwitzkasten, sondern jene Medien, Provider und Internet-Unternehmen, die mit kostenlosen künstlerischen Inhalten ihre Geschäfte machen. Die veränderten Rezeptions- und Reproduktionsformen in der digitalen Sphäre haben gravierende Einbußen vor allem bei der Leerkassettenvergütung (mehr als 50 Prozent) zur Folge. Eine zeitgemäße Adaption der Privatkopie in Form der Festplattenabgabe - wie es sie in Deutschland längst gibt - wird aber in Österreich seit Jahren verhindert. Das trifft die Kunstschaffenden direkt, sie müssen ihre Tonstudios schließen, ihre Filmprojekte auf Eis legen und unterschreiten beschämend geringe Einkommensgrenzen, um in weiterer Folge sogar selbst noch aus der Künstlersozialversicherung zu fallen.

Zur Schadensbegrenzung wollen die Kunstschaffenden keineswegs das Urheberrecht verschärfen, wie es manche glauben machen wollen. Sie fordern schlicht, dass dort, wo sich ein bereits bestehendes Recht in einen anderen Bereich hinein verschleift, selbiges auch zur Anwendung kommen muss.

Weder politisch noch gesellschaftlich ist es wünschenswert, dass Kunstschaffende immer weniger von ihrer Arbeit leben können. Es bestärkt einen, dass laut einer aktueller Umfrage mehr als 90 Prozent der Österreicher die Ansicht teilen.

Es ist letztlich der digitale Kunstfreund, der von uns - der Künstlerschaft - als Partner gewonnen werden soll. Wir halten mit unseren Contents das Niveau eines globalen Mediums hoch, das an sich zur Nivellierung tendiert. Umgekehrt sind wir die Letzten, die der Kriminalisierung des Privaten oder einer Informationszensur Vorschub leisten wollen. Wenn als Resultat unserer Initiative wieder mehr Fleisch an den Knochen kommt, ist die Kunst nur mit Recht ihrer sukzessiven Entwertung entgegengetreten. (Michael Kos, DER STANDARD - Printausgabe, 31. Jänner 2012)