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Der Geiger Bernie Mallinger.
Wien - Ja, Albträume kenne er auch, sagt Bernie Mallinger. "Es gibt einen Traum, der schon ein paar Mal wiedergekehrt ist. Ich bin in einem Haus, in dem sich ein Mörder befindet. Glücklicherweise wache ich immer rechtzeitig auf", so Mallinger, der sich in seiner Traumarbeit insgesamt jedoch nicht signifikant von seinen Mitmenschen zu unterscheiden scheint. Dennoch plaudert er dieser Tage oft über unbewusste Nachtfantasien: Schließlich fungiert das Traumthema als zentrales Motiv der CD Radiodream, des neuen Werks des aktuell vom deutschen und britischen Feuilleton gefeierten Radio.String.Quartet.Vienna, dem der Geiger als Primus inter Pares und Hauptkomponist angehört.
"Wir wollten eine Geschichte über die gesamte Platte erzählen, da sind wir auf das Thema gekommen. Der Plan war eine imaginäre nächtliche Reise, wir versuchen, das Einschlafen musikalisch darzustellen, dann taucht man in die Traumwelt ein, und am Schluss wacht man wieder auf", so Mallinger über das ambitionierte Konzeptalbum, das auch im Inhalt durch konzentrierte Intensität besticht: Druckvolle Tutti-Passagen wechseln mit sinister verhangenen Flageolettsphären und finden ihren gemeinsamen Nenner im farbenreichen Streicherklang.
Zwischen Liszts Liebestraum, der Radiohead-Tune Nice Dream und der auch dank Martin Kollers Sounddesign gespenstisch, albtraumhaft entrückten Version des Billie-Holiday-Klassikers Strange Fruit glitzern dabei starke, dramaturgisch kontrastreich choreografierte Eigenkompositionen. Mallingers Song - Ode an den Freud reflektiert, so der Komponist, die an Zäsuren reiche Geschichte des Quartetts, an deren Beginn Erfolg und Niederlage tatsächlich eng zusammen lagen.
Denn als das RSQV 2006 für das Jazzfest Berlin engagiert wurde, da waren diesem soeben einer der Geiger und die Bratschistin abhandengekommen: "Wir hatten ein halbes Programm und kein Quartett", so Mallinger.
Wobei jenes bis dato wenig erfolgreiche Programm nach einer typischen Crossover-Schnapsidee roch: Die wuchtige Musik von John McLaughlins Mahavishnu Orchestra, einer der Ikonen des Rockjazz der 1970er-Jahre, ins akustische Streichquartett-Format zu übersetzen schien vielen als Quadratur des Kreises. Es kam anders: Das in neuer Besetzung absolvierte Konzert in Berlin geriet zum Erfolg, die Bandauflösung wurde abgeblasen, stattdessen gab's gleich einen Plattenvertrag: "ACT-Music-Chef Siggi Loch hat später bei Veranstaltungen oft erwähnt, dass er unser Programm ursprünglich abgelehnt und gesagt hat: ,Wer braucht das? Mahavishnu auf Streicher!' Das ist ja eine berechtigte Frage", so Mallinger, der aktuell auf Igmar Jenner (Violine), Cynthia Liao (Viola) und Asja Valcic (Cello) als PartnerInnen bauen kann.
Ob es für Mallinger Musik gibt, die er selbst sich nicht im Klang des Streichquartetts vorstellen kann? "Davon gibt es mehr als genug", so der 43-jährige gebürtige Kärntner. "Es sind viele fragwürdige Dinge am Markt, vor allem Pop-Cover-Bands, die im Streichquartett-Sound alles zwischen Nine Inch Nails und Red Hot Chili Peppers nachspielen. Wir haben da aber kein Problem, uns abzugrenzen. Es hat uns noch niemand auf die Bond Girls angesprochen, wahrscheinlich weil wir nicht nur gut aussehende Damen sind. Wenn wir verglichen werden, dann mit dem Kronos Quartet - was mir natürlich sehr viel lieber ist." (Andreas Felber, DER STANADRD - Printausgabe, 31. Jänner 2012)