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Die EU sucht nach Wegen, um die Wirtschaft auf Trab zu bringen. Strengere Haushaltsregeln sind zwar erwünscht, ganz unter Kuratel stellen will man die schwer verschuldeten Griechen aber nicht.

Foto: APA/Montage: Beigel

Der dauerhafte Eurorettungsschirm soll über das Volumen der geplanten 500 Milliarden Euro hinauswachsen. Die von Deutschland ins Spiel gebrachte Idee eines Schuldenkommissars für Griechenland findet nur in Schweden halbherzige Unterstützung. Das signalisierten die EU-Staats- und Regierungschefs anlässlich eines Sondergipfels in Brüssel am Montag. Der Gipfel war vor allem der Suche nach Wachstumsimpulsen gewidmet. Die EU-Kommission will die Arbeitslosigkeit durch Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt und besondere Maßnahmen für Jugendliche, etwa Praktika, bekämpfen. Dazu könnten Mittel in der Höhe von mindestens 90 Milliarden Euro umgewidmet werden.

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Nichts geht mehr, zumindest im öffentlichen Verkehr. Das war die Devise, unter der belgische Gewerkschaften die Bevölkerung Montag zum landesweiten Generalstreik aufgerufen hatten - ausgerechnet an jenem Tag, an dem die Staats- und Regierungschefs in der EU-Hauptstadt zum ersten Gipfeltreffen in diesem Jahr zusammenkamen.

U-Bahnen, Busse, Züge blieben fast geschlossen in den Garagen. Das Land und die Wirtschaft würden kaputtgespart, argumentierten die Gewerkschaftsfunktionäre auf allen Medienkanälen. Zahlen müssten dafür die Arbeitnehmer mit reduzierten Löhnen, höheren Steuern und dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die angereisten Regierungschefs bekamen diese "gelbe Karte" aus der Bevölkerung nur sehr milde zu spüren: Sie mussten auf einen 30 Kilometer von Brüssel entfernten Militärflughafen umgeleitet und auf Umwegen in die Stadt eskortiert werden.

Ironischerweise war der Gipfel gleich zu Beginn nicht der Krise in Griechenland, nicht der Krise des Euro, sondern dem Hauptthema des Streiks gewidmet, der Frage: Wie könnte man neben den Sparkursen in praktisch allen Mitgliedsländern auch wachstumsfördernde Maßnahmen setzen, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit senken?

Bundeskanzler Werner Faymann brachte im Namen der europäischen Sozialdemokraten einen koordinierten Beitrag ein: EU-weit liege die Jugendarbeitslosigkeit bei als 22,3 Prozent, mit steigender Tendenz. 23 Millionen hätten keinen Job, in zehn von 27 Mitgliedstaaten hätten ein Viertel bis die Hälfte aller Jugendlichen keine Arbeit.

In den Schlusserklärungen des Gipfels geloben die Regierungschefs, "nationale Jobpläne" zu erarbeiten, die im Rahmen der Haushaltskontrolle durch die EU-Kommission jährlich überprüft werden. Konkrete Vorschläge sind aber nur wenige enthalten. So sollen die Staaten Lohnnebenkosten senken. Praktika sollen gefördert, Weiterbildung für Schulabbrecher verstärkt werden. Man will sich bemühen, freie Mittel aus EU-Sozialfonds im Umfang von 22 Milliarden Euro zu mobilisieren. Das Thema Griechenland und die nicht erreichten Spar- und Reformziele wurden offiziell nicht behandelt. Der Vorschlag der deutschen Regierung, den Griechen einen eigenen "Schuldenkommissar" vorzusetzen, der sogar ein Veto bei nationalen Budgetentscheidungen einlegen können sollte, stieß jedoch am Rande des Gipfels auf klare Ablehnung.

Praktisch alle Regierungschefs sprachen sich dagegen aus, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker nannte den Vorschlag "nicht akzeptabel" . Nur wenn so etwas für alle Länder - also auch Deutschland - gelte, könne man darüber reden - ein verstecktes Foul gegen Berlin. Faymann sagte, die Griechen hätten "harte Bedingungen" zu erfüllen, man müsse sie nicht auch noch beleidigen. Dänemarks Premierministerin und EU-Ratsvorsitzende Helle Thorning-Schmidt mahnte "volle Achtung der griechischen Demokratie und der Bevölkerung" ein.

Kanzlerin Angela Merkel ruderte also zurück, sie wolle "keine kontroversielle Diskussion" . Aus Berlin hieß es, es gehe nur darum, die Troika von EU, Zentralbank und Währungsfonds mit mehr Kompetenzen auszustatten, um Athen bei Nichteinhaltung der Bedingungen zu Änderungen zwingen zu können. Das Thema bleibt also. Wichtiger war Merkel die Verabschiedung des Eurofiskalpakts und das Vorziehen des Rettungsschirms.

Für Irritationen sorgte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit seinem Vorstoß bezüglich einer Finanztransaktionssteuer.

(Thomas Mayer und András Szigetvari aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.1.2012)