El Kafsi: "Islamische Bankaktivitäten sind nicht exotisch."

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Auf Expansionskurs. Islamische Banken sollen laut Analysten der Deutschen Bank zweistellig wachsen.

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Europas Banken fahren in schwierigen Gewässern und müssen ihre Kapitalposition stärken. Islamische Banken reiten hingegen die Welle hoher Rohstoffpreise. Das mache sie zu attraktiven Geldgebern in Europa, glauben Experten.

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Wien - Die globale Bankenlandschaft hat sich in der Finanzkrise zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft gewandelt. In Europa haben Regulatoren ihren Finanzinstituten Schrumpfungskuren verordnet, um die strengeren Regelwerke zur Eigenkapitalausstattung zu erfüllen. In vielen Schwellenländern hingegen ist Expansion angesagt. "Der Markt für Islamic Finance ist daher interessant, um neue Finanzierungskanäle aufzubauen", sagt Abdelhuk El-Kafsi, Gründer von Islamic Finance Consultants in Bahrain.

Denn dort gebe es Wachstum: im Bereich des Islamic Banking, also Finanzierungen und Investitionen nach islamischem Recht (Scharia). Analysten der Deutschen Bank rechnen in den kommenden fünf Jahren mit einer Verdoppelung des Vermögens, das Scharia-konform angelegt wird; auf 1800 Milliarden US-Dollar (1374 Mrd. Euro). Jährliche Wachstumsraten von zehn bis 15 Prozent seien realistisch.

Das Thema ist auch in Österreich angekommen: "Angesichts der Kreditklemme ist die Suche nach neuen Kapitalquellen wie Islamic Finance bei Kunden ein Thema", meint Gerald Weiß, Partner beim Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen TPA Horwath. Das Unternehmen veranstaltet zusammen mit der Wirtschaftskammer und dem Forum Austrian Islamic Finance (FAIF) am Dienstag ein Forum zu islamischen Finanzierungen. Eingeladen sind internationale Experten wie El-Kafsi.

Er soll Mythen um den "exotischen" Bankenmarkt entkräften. "Tatsächlich ist es ein hochtechnischer Markt," sagt El-Kafsi über islamische Finanzierungen. Hochtechnisch deshalb, weil zwei Prinzipien in jedem islamischen Finanzprodukt berücksichtigt werden müssen und die Banken ihre Produkte dementsprechend strukturieren: Zinsverbot und unternehmerisches Risiko. Einlagen oder Anleihen dürfen keine fixen Zinsen bringen, sondern ihre Renditen müssen aus unternehmerischer Tätigkeit stammen. Ob es um Handelsfinanzierung, Projekte in der Industrie oder Investitionen am Aktienmarkt geht, sei die Wahl des Sparers.

Doch ansonsten seien islamische Banken den westlichen Institutionen durchaus ähnlich. Auch sie machen ihre Gewinne über die Margen zwischen Finanzierungs- und Investitionstätigkeit. Der wesentliche Unterschied sei hingegen, dass "es bei islamischen Finanzinstituten eine Überschuss-Liquidität gibt". Fast 100 Prozent der Einlagen wird im arabischen Raum und anderen muslimischen Ländern eingesammelt. Doch knapp die Hälfte der Investitionen der Geldhäuser finde außerhalb dieser Länder statt, so El-Kafsi.

Das haben die westlichen Banken erkannt. Ein Gros hat Angebote für islamische Kunden, Institute wie Goldman Sachs haben große Sukuk-Volumina platziert. Bei der Veranstaltung in Wien hätten sich nicht aus Zufall auch heimische Banken angekündigt. "Es gibt Möglichkeiten für Finanzinstitute in nichtislamischen Ländern, Portfolios nach islamischen Gesichtspunkten zu konstruieren und damit Zugang zur Liquidität in der islamischen Welt zu bekommen", betont El-Kafsi.

Arabischer Frühling

Die Branche hat sich dabei entwickelt. Während vor 20 Jahren nur zwei, drei Produkte existierten, die als Scharia-konform galten, "haben wir mit Sukuks und Private Equity heute einen deutlich reiferen Markt", sagt El-Kafsi. Gerade der Finanzplatz im asiatischen Malaysia hat sich mit dem liquiden Anleihenmarkt als Motor der Innovation erwiesen.

Der Arabische Frühling könnte einen neuen Wachstumsimpuls geben. El-Kafsi, ein gebürtiger Tunesier, der in Ägypten und Bahrain arbeitete, erwartet angesichts der Wahlen in Tunesien und Ägypten, dass islamische Banken deutlich wachsen werden. "Vor dem Arabischen Frühling wurden diese Finanzinstitute als Gefahr gesehen", sagt El-Kafsi. Nun gebe es großen Druck auf die Regierung, islamisch geprägte Banken wachsen zu lassen. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.1.2012)