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Ingrid Flick stellte der Hypo Kapital zur Verfügung, was ihr einst Jörg Haider (l.) und Bankchef Wolfgang Kulterer (r.) dankten.

Foto: APA/Gert Eggenberger

Aus einem Gerichtsgutachten ergibt sich, dass die Hypo Kärnten bei der Kapitalbeschaffung viel Geld hätte sparen können. Hätte sie Geld am Markt statt per Vorzugsaktien geholt, hätte sie bis zu 7,8 Mio. Euro an Zinsen gespart.

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Wien - Die Ausgabe von Vorzugsaktien zur Kapitalbeschaffung für die Hypo Alpe Adria ist eine der Kernfragen in der Causa Hypo. Vorzugsaktionäre (der Kategorie friends & family zugehörig) bekamen per Nebenabreden Put-Optionen, andere Rücknahme- und Dividendengarantien von der Bank eingeräumt - was den Verdacht nahelegt, dass das frische Geld (anders als bilanziert) kein Eigenkapital war. In den Worten der Staatsanwaltschaft Klagenfurt: "Es besteht der konkrete Verdacht, dass auf diese Weise 'nur' Liquidität für die Bank geschaffen wurde." Die Betroffenen weisen die Vorwürfe zurück, und es gilt die Unschuldsvermutung. Das Thema beschäftigt neben dem Straf- auch das Zivilgericht.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat nun einen Gerichtssachverständigen ausrechnen lassen, was die inzwischen notverstaatlichte Bank gezahlt hätte, wenn sie sich 2004 und 2006 frisches Kapital (in Summe rund 135 Mio. Euro) auf anderem Wege besorgt hätte.

Der Grazer Gerichtssachverständige und Bankenjurist Rudolf Nikolaus Kellermayr hat also untersucht, wie die Beschaffungsalternativen über den Geld- und den Kapitalmarkt ausgesehen hätten. Geldmarktfinanzierungen laufen bis zu einem Jahr, Kapitalmarktfinanzierungen länger. Ende Dezember hat der Jurist ("Kannst du mit Geld umgehen, dient es dir. Kannst du es nicht, beherrscht es dich", lautet sein dem alten Römer Publilius Syrus entliehenes Motto laut Homepage) seine 50-seitige Expertise abgegeben. Die Schlussfolgerung daraus: Die Bank hätte sich 4,6 (Variante Kapitalmarkt) bzw. 7,8 Mio. Euro ersparen können.

Der Gutachter geht bei seiner Rechnung davon aus, dass der Aufwand für die Vorzugsaktien, die mit sechs bis 6,25 Prozent Dividende ("Zinsen") ausgestattet waren, 16,67 Mio. Euro betragen hat. Hätten sich die Hypo-Banker Kapital auf dem Geldmarkt besorgt, so wären die entsprechenden Zinssätze laut Gutachten bei 0,84 bis 4,3 Prozent gelegen - der Aufwand für diese Art der Refinanzierung hätte 8,98 Mio. Euro betragen. Die Bank hätte sich also 7,8 Mio. Euro ersparen können.

Für die zweite Alternative, die Refinanzierung auf dem Kapitalmarkt, "rekonstruierte" der Gutachter "Zinssätze in der Bandbreite von 4,25 bis 5,054 Prozent", wie er schreibt. Die Kosten, die sich daraus für die Hypo ergeben hätten: 12,13 Mio. Euro - immer noch um 4,6 Mio. Euro weniger als bei der Vorzugsaktien-Variante.

Der Gutachter hat jeden einzelnen Vorzugsdeal mit den Alternativmodellen verglichen. Bloß ein Beispiel: Der Zinsaufwand für die 15 Mio. Euro der Flick Privatstiftung (zeichnete laut Gerichtsakt später weitere zehn Mio., bekam sechs bzw. 6,25 Prozent und hatte Put-Optionen, also ein Rückgaberecht) betrug 1,68 Mio. Euro. Hätte die Hypo das Kapital vom Geldmarkt geholt, hätte sie fast 690.000 Euro gespart; auf dem Kapitalmarkt 356.000 Euro.

Der Flick-Faktor

Dasselbe Rechenexempel anhand des Engagements von Ingrid Flick persönlich, der Witwe des deutschen Industriellen Friedrich Karl Flick: Sie ließ im Herbst 2006 zehn Mio. Euro springen und kassierte bis Februar 2009 Zinsen (sechs Prozent) von 1,47 Mio. Euro. Allein in dem Fall (Flick steckte später nochmal vier Mio. Euro in die Kärntner Bank) hätte sich die Hypo zwischen 603.000 und 441.000 Euro sparen können, wie sich aus dem Gerichtsgutachten erschließt. Interessanterweise fügt der Sachverständige seinen Berechnungen, mit denen er beauftragt wurde, auch eine "Beurteilung der unterschiedlichen Refinanzierungen" an. "Wenngleich sich ... ergibt, dass andere Finanzierungen ... rein kalkulatorisch für die Bank vorteilhafter gewesen wären", schreibt Kellermayr, sei zu hinterfragen, "ob Überlegungen vorlagen, die es rechtfertigten, bei Entgegennahme von Einlagen über den Geld- und Kapitalmarktzinssätzen liegende Konditionen zu vereinbaren".

Mit seiner Meinung hält der Gutachter nicht hinterm Berg: "Konditionen-Entscheidungen können in der Bankpraxis nicht immer nur auf kalkulatorisch-betriebswirtschaftlicher Basis getroffen werden." Ob die Justiz das auch so sieht, wird sich weisen. (Renate Graber, DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2012)