Mit der Idee, Griechenland einen eigenen Haushaltskommissar mit allen Vollmachten vorzusetzen, der über das Parlament in Athen hinweg Budgetbeschlüsse blockieren könnte, hat Angela Merkel sich einen schweren Schnitzer geleistet; den ersten wirklich großen politischen Fehler im Krisenmanagement der EU-Spitzen seit Ausbruch der Probleme in der Eurozone Ende 2009.
Kein Wunder, wenn Präsident Nicolas Sarkozy die Gunst der Stunde nützte und sie mit seinem Alleingang zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Frankreich gleich noch zusätzlich düpierte.
Dabei war dieses Management für sich genommen ohnehin gepflastert mit Fehlern und Schwächen: zu wenig, zu zaghaft, zu langsam. Das schien die Devise, als es darum gegangen wäre, den Euroraum als Ganzes in der Welt der Investoren energisch zu schützen und zu stärken. Die deutsche Kanzlerin - ganz schwäbische Hausfrau und auf "Sparen, sparen, sparen" fixiert - stand als mächtigste Regierungschefin die ganze Zeit unter Druck. Sie denke nur an Deutschland und erwürge mit der Sparwut ganze Volkswirtschaften der Partner, so der Hauptvorwurf.
Das war nicht immer gerecht. Denn Merkel ist es immerhin zu verdanken, dass in der Union trotz schwerer Konjunktur- und Schuldenkrisen vor allem in den südlichen Eurostaaten ein neues Bewusstsein in Bezug auf strengere Fiskalregeln im Euroraum eingetreten ist. In Italien, in Spanien wird bereits anders und vernünftiger regiert als noch vor zwölf Monaten.
Mehr Integration in der Eurozone, gestraffte gemeinsame EU-Haushaltsregeln oder - zuletzt - der neue Fiskalpakt zeugen von Verbesserungen, für die vor allem die deutsche Kanzlerin sorgte. Anders als vor zwei Jahren gilt es heute als akzeptiert, dass Länder mit gemeinsamer Währung nicht einfach tun und lassen können, was sie wollen, sondern sich an gemeinsame Regeln halten müssen.
Dennoch: Wer die Stimmung beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel beobachtet hat, konnte feststellen, dass diese zwischen den Staatenvertretern so gereizt ist wie lange nicht.
Nicht nur wegen Griechenland, das seine Verpflichtungen nicht einhält. Und wohl auch nur schwer einhalten kann; so wie Portugal, das nur vorerst aus dem Fokus der Volkswut in den reichen Euroländern gegen die "Schuldensünder" im Süden gekommen ist. Das kann sich aber rasch ändern, die portugiesische Wirtschaft springt nicht an, so hart die Regierung auch arbeitet.
Auch enge Freunde und Partner der Deutschen wie Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker aus Luxemburg und sogar Kanzler Werner Faymann - sonst ganz auf deutscher Linie - zeigten sich über "Angela" wenig erbaut.
Der Grund ist einfach: Mit ihrem Aufpasser-Kommissar hat sie etwas vorgeschlagen, was Deutschland und dessen Bundesverfassungsgerichtshof für sich nie und nimmer akzeptieren würden: einen Budgetvollzieher von außen, der sich über demokratische Regeln, über Parlamente und Regierungen hinwegsetzen könnte.
Der deutsche Bundestag war es, der gegenüber den EU-Partnern und den gemeinsamen Institutionen vor gar nicht langer Zeit das Budgetrecht der Parlamente als "Königsrecht" der Demokratie verteidigte. Niemals würde er es gegenüber "Brüssel" preisgeben. Merkel hat diesen Grundkonsens in der Union infrage gestellt. Ein gefährliches Manöver. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.1.2012)