Bild nicht mehr verfügbar.

Assyrische Christinnen im Kloster Deyrulzafaran bei der Stadt Mardin im Südosten der Türkei. Viele Familien sind nach der Flucht mittlerweile wieder aus Europa zurückgekehrt.

Foto: Reuters/Bektas

Izmir - An der "Universität des 9. September" , so benannt nach dem Tag der Eroberung Smyrnas, des heutigen Izmir, durch die türkischen Truppen am 9. September 1922, ist bisweilen wenig Platz für historische Nuancen. Denn Izmir ist eine Hochburg des kemalistischen Patriotismus, auch wenn die in Ankara regierende AKP selbst hier nun Boden gewinnt.

"Die Türkei ist die Erbin des Osmanischen Reichs" , erklärt eine Studentin bei einer Diskussionsrunde mit Journalisten aus der EU und fährt dann ungerührt fort: "Die Griechen, die Christen haben uns alle verlassen. Wir wollen nicht mehr verlassen werden. Deshalb ist der Zentralismus so wichtig für die Türkei."

Es sollte ein Argument sein gegen die Autonomiebestrebungen der Kurden im Südosten der Türkei. Smyrna aber, so muss man wissen, war einmal eine multikulturelle Stadt, in der Türken, Armenier und Levantiner lebten, und die zeitweise mehr griechische Bewohner hatte als Athen - bis zum "großen Feuer" , wie die Zerstörung der Stadt und die Massaker an Griechen und Armeniern wenige Tage nach der Einnahme Smyrnas heute noch euphemistisch genannt werden.

Türkische Zeitungen und Fernsehsender erinnern in diesen Tagen an die Unterzeichnung der Konvention von Lausanne am 30. Jänner 1923, eines Teilstücks des späteren gleichnamigen Vertrags, das den Bevölkerungstausch von 2,5 Millionen Türken und Griechen festlegte, darunter auch der überlebenden griechischen Bewohner von Smyrna.

Zurückkehrende christliche Minderheiten gibt es aber sehr wohl in der Türkei: Es sind die Familien der assyrischen Christen, die nun das Interesse mancher türkischen Journalisten finden. Die Assyrer waren in den 1980er-Jahren während der Kämpfe der Armee gegen die PKK aus ihren Dörfern im Südosten der Türkei zumeist nach Europa geflohen. Auf 80.000 wird ihre Zahl allein in Schweden geschätzt. Eine "gute Nachricht" nannte Taha Akyol, ein in Minderheitenfragen und der EU-Islamdebatte engagierter Publizist, nun die Rückkehr von mittlerweile 91 von zuvor vielleicht 3000 Familien in den Südosten. Die Assyrer, deren Patriarch bald nach der Gründung der Republik Türkei nach Damaskus umzog, sprechen einen aramäischen Dialekt. Die Wahl eines christlichen Parlamentsabgeordneten der Assyrer 2011 gilt als Zeichen der Normalisierung im Umgang mit den Minderheiten. (mab/DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2012)