Brüssel - Der EU-Gipfel hat in Brüssel in der Nacht auf Dienstag einen weitreichenden Sparpakt beschlossen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hoffen, damit endlich aus dem Teufelskreis von Schulden, hohen Zinsen für Staatsanleihen und wenig Wachstum auszubrechen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Gipfel-Kompromiss eine "wirkliche Meisterleistung". Auch Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, zugleich Vorsitzender der Euro-Finanzminister, lobte den Schwenk zur Sparsamkeit: "Wer sich vertraglich dazu verpflichtet, Schuldenbremsen in seiner nationalen Gesetzgebung einzuführen und auf Dauer einen ausgeglichenen Staatshaushalt anzustreben, der wird sich diesem eingegangenen Versprechen nicht mehr entziehen können."

Tschechiens Premier Petr Necas schloss unterdessen einen Beitritt seines Landes zum EU-Fiskalpakt nicht aus. Sollte Tschechien den Euro übernehmen wollen, müsste es seine Haltung ändern, meinte er nach dem Gipfel. Gleichzeitig verteidigte er aber sein Nein zur Teilnahme Tschechiens. Necas sieht Schwierigkeiten für eine eventuelle Ratifizierung des Vertrags in seinem Land. Denn dafür sei auch die Unterschrift des Präsidenten nötig. Präsident Vaclav Klaus hat sich schon mehrmals gegen den Pakt ausgesprochen. Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg kritisierte am Dienstag die von Necas eingenommene Position als schädlich für das Land.

Österreichs hohe Politik zufrieden

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sehen sich durch den Fiskalpakt in ihren Sparbestrebungen bestärkt. Mit den EU-Vorgaben seien harte und anspruchsvolle Maßnahmen verbunden, die auf alle Länder zukommen, sagte Spindelegger am Dienstag in Wien. Faymann bezeichnete die Beschlüsse als gemeinsames Fundament, das man benötige, um in der EU gemeinsam für die Risiken zu haften.

Die Grünen wollen unterdessen nach Worten ihrer Europasprecherin, Ulrike Lunacek, prüfen, ob der beim EU-Gipfel beschlossene Fiskalpakt in Österreich in der Verfassung umgesetzt werden kann. Bundeskanzler Faymann hat nach der Einigung betont, dass er an einer Verankerung der darin vorgesehenen Schuldenbremse in der Verfassung in Österreich festhält.

OeNB-Gouverneur vorsichtig optimistisch

Vorsichtig optimistisch äußert sich Österreichs Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny im Interview mit dem ORF-Radio Ö1 zu den Bestrebungen für den Fiskalpakt. Er sieht darin eine Möglichkeit, die Situation zu beruhigen, allerdings nur eine. Die Euro-Mitgliedschaft Griechenlands ist für Nowotny demnach nicht ganz sicher.

Abgeordnete des Europaparlaments haben sich indes eher kritisch gezeigt. "Dieser Vertrag ist überflüssig und es wird sich zeigen, ob er ratifiziert werden wird. In diesem Zusammenhang ist auf Francois Hollande, den wahrscheinlich zukünftigen französischen Präsidenten hinzuweisen, der richtigerweise seinen Willen bekräftigt hat, den Vertrag neu auszuhandeln", erklärte der sozialdemokratische Fraktionschef im EU-Parlament, Hannes Swoboda, am Dienstag in Brüssel.

Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und ÖVP-Delegationsleiter, Othmar Karas, begrüßte zwar, dass in entscheidenden Punkten auf die Forderungen des Europäischen Parlaments eingegangen wurde. So sollen Maßnahmen innerhalb des Fiskalpaktes unter Mitentscheidung des EU-Parlaments beschlossen werden. Außerdem soll der Fiskalpakt nach fünf Jahren in die EU-Verträge integriert werden. Karas kritisiert aber, dass die EU-Kommission kein Klagerecht erhalten soll, wenn ein EU-Land keine nationale Schuldenbremse einführt oder notwendige Strukturreformen zum Schuldenabbau nicht durchführt. "Schon wieder ist bei einem EU-Gipfel eine komplizierte, verwinkelte, halbherzige Lösung herausgekommen. Der Fiskalpakt ist zwei Schritte vorwärts und einer wieder rückwärts", beanstandete Karas.

Keine Lösung der Eurokrise

"Die Tatsache, dass der Fiskalpakt außerhalb des bestehenden EU-Vertrages sein wird, ist und bleibt falsch", betonte Swoboda. "Anstatt Europa zu einigen, spaltet dieser Vertrag Europa in EU27 und EU25. Darüber hinaus ist es nicht zu akzeptieren, dass einzelne Staaten wie Schweden entschieden haben, die Initiative für Wachstum und Beschäftigung nicht zu unterzeichnen." Großbritannien nimmt an dem europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht teil. Auch Tschechien erklärte beim Gipfel am Montag, dass es vorläufig nicht an dem Pakt teilnehmen werde.

Auch der Fiskalpakt werde die Eurokrise nicht lösen können, erklärte der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer. "Denn die Hauptursache der Krise, dass Staaten unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in ein Währungskorsett gezwängt werden, bleibt weiterbestehen. Daher ist der Fiskalpakt nur Symptombekämpfung und eine Beruhigungspille für die zu Recht besorgten Bürger", sagte Mölzer. "Die einzig sinnvolle Maßnahme zur Krisenbewältigung besteht in einer Teilung der Eurozone und in der Schaffung eines kerneuropäischen Hartwährungsverbundes. Aber stattdessen hat das EU-Hoch-Establishment eine Ausweitung des sogenannten Euro-Rettungsschirmes beschlossen, der letztendlich nur zu einer noch stärken Belastung der Nettozahler wie Österreich oder Deutschland führen wird", kritisierte Mölzer.(APA/red, derStandard.at, 31.1.2012)