Wien - Umweltminister Niki Berlakovich hat den mit Spannung erwarteten Kriterien-Katalog für einen umweltschonenden weiteren Ausbau der heimischen Stromerzeugung mit Wasserkraft fertig. Der Katalog, den Berlakovich am Dienstag erlassen wird, soll Behörden in den Genehmigungsverfahren, aber auch Kraftwerksbetreibern bereits im Planungsstadium als Entscheidungsgrundlage dienen, ob ein Projekt energiewirtschaftlich, ökologisch und wasserwirtschaftlich geeignet ist. "Wir brauchen einen Wasserkraftausbau, aber nicht um jeden Preis", sagte der Umweltminister: "Das Ergebnis bringt viele Interessen unter einen Hut."

Der mit NGO's (Umweltverbänden), E-Wirtschaft und Vertretern der Länder erarbeitete Wasser-Katalog solle Projektwerbern schon im Vorfeld als "Checklist" dienen, ob es sich lohne, bestimmte Vorhaben zu verfolgen. Es stehe aber jedem Projektanten frei, dennoch seine Wünsche einzureichen, "denn ein Behördenverfahren ersetzt der Katalog nicht". Verhindern ließen sich aber lange und teure Verfahren.

Mit großen Einschnitten beim heimischen Wasserkraft-Potenzial rechnet Berlakovich aufgrund des Wasser-Leitfadens nicht. Er verweist auf die gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister erarbeitete Energiestrategie 2020, die zur Wasserkraft bis zum Jahr 2015 in Österreich ein Ziel von 3,5 Terawattstunden (TWh) vorsieht, davon 2 TWh durch Kleinwasserkraftwerke. Die 3,5 TWh bis 2015 sind die Hälfte der bis 2020 geplanten 7 TWh, die bereits 2008 von der E-Wirtschaft und dem Wirtschaftsminister - im sogenannten "Masterplan Wasserkraft" - als wirtschaftlich machbar dargestellt wurden. Die Wachau oder auch "Hainburg" blieben dabei unangetastet.

"No-go-Areas"

Sogenannte "No-go-Areas" für den Neubau von Wasserkraftwerken, wie dies NGO's wiederholt forderten, hat Berlakovich schon früher abgelehnt - er wolle lieber eine Einteilung in "sensible und weniger sensible Gebiete". Natürlich wäre es möglich, laut dem Katalog mehr oder weniger sensible Gebiete zu definieren und auch eine Art "Landkarte" zu erstellen, räumt der Minister jetzt ein, doch sei es am sinnvollsten, konkrete einzelne Projekte zu prüfen.

Seine Wasser-Kriterien tragen sowohl den Interessen der E-Wirtschaft als auch der NGO's Rechnung, ist Berlakovich überzeugt, beide seien auch in den Prozess eingebunden gewesen. Die heimischen Stromerzeuger wollen vor allem Investitionssicherheit: Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber hatte im Herbst vom Minister einen Katalog mit "Augenmaß und Hausverstand" gefordert und gemeint, jedes Wasser, das nicht über die Turbinen läuft, könne auch keinen Strom erzeugen.

NGO's, etwa der WWF, urgierten eine gesetzlich verbindliche Regelung, wo gebaut werden darf und wo nicht. Schon beim Entwurf zum Katalog wurde bemängelt, die Kriterien seien zwar "fachlich gut gewählt", aber nicht rechtsverbindlich. "Wir brauchen keinen Wunschzettel der E-Wirtschaft ans Christkind", hieß es damals. Auch Fischerei-Vereine hatten für "No-go-Areas" plädiert.

Effiziente Nutzung und einen effektiver Schutz

Den Ländern soll der Katalog als Werkzeug für eine effiziente Nutzung und einen effektiven Schutz der Gewässer dienen. Für kürzere und damit sparsamere Genehmigungsverfahren könnten sie den Erlass anwenden, müssten dies aber nicht unbedingt tun, sagt Berlakovich. Im Fall von Tirol, das schon einen eigenen Landes-Kriterienkatalog hat, sieht der Minister "kein Umarbeiten nötig". Rund um Kraftwerkspläne in Osttirol haben sich seit Monaten der Umweltdachverband und der Alpenverein auf den Tiroler Katalog eingeschossen.

Der bundesweite Wasser-Leitfaden basiert auf dem ersten Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) von 2009 mit zunächst sechs Jahren Geltung (bis 2015), mit dem Österreich die EU-Wasserrahmenrichtlinie umsetzt. Der Katalog wird am Erlassweg den Wasserrechtsbehörden zur Kenntnis gebracht. Auch den vollziehenden Organen des Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetzes (UVP-G) soll er "als unverbindliche Richtschnur Hilfestellung bei der Handhabung der einschlägigen wasserrechtlichen Bestimmungen bieten".

Der Wasserkraft-Leitfaden von Berlakovich, mit dessen Publikation nun erst recht wieder eine Diskussion in Gang kommen wird, "enthält Informationen sowie Lösungsvorschläge für die Verfahrensabwicklung zu in der Praxis aufgetretenen Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot". Der unabhängigen Rechtsprechung wolle man aber nicht vorgreifen, und man erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wird betont. Die Ausnahme vom Verschlechterungsverbot sei dann zu prüfen, wenn durch Nichterreichen oder Nichteinhalten von Umweltzielen mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasserkörpers oder mit dem Nichterreichen eines Umweltzieles zu rechnen sei. Dabei sei auch eine Prüfung der wesentlich besseren Umweltoption durchzuführen, heißt es.

Spätestens für den zweiten NGP soll der mehr als 60-seitige Kriterien-Katalog evaluiert werden. Geprüft werden soll dabei die Anwendbarkeit der einzelnen Kriterien, aber auch, ob aus Sicht der Praxis wirklich die maßgeblichen Kriterien vorgeschlagen wurden.

Mehr als 90 Prozent des in Österreichs durch Wasserkraft produzierten Stroms werden von knapp 160 Mittel- und Großanlagenanlagen erzeugt. Die restlichen knapp 10 Prozent (4.500 GWh oder 4,5 TWh) stammen aus zirka 2.500 Kleinwasserkraftanlagen (Anlagen unter 10 MW Leistung) - zum überwiegenden Teil Ausleitungskraftwerke. Daneben gibt es noch über 2.700 Kleinstanlagen, die jedoch nur zur Eigenversorgung produzieren. (APA)