Kairo - Die als Sieger aus der Parlamentswahl in Ägypten hervorgegangenen Muslimbrüder wollen den Präsidenten entmachten. Wegen der zugleich angestrebten parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte und die Außenpolitik droht ein Machtkampf mit der Armee, die seit dem Sturz des langjährigen Staatschefs Hosni Mubarak das Land regiert. Die den Muslimbrüdern nahestehende Partei Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) hatte bei der ersten freien Parlamentswahl seit 60 Jahren die meisten Stimmen gewonnen.

Nach dem Willen der FJP soll der Ministerpräsident bei der Berufung des Kabinetts mit dem Parlament zusammenarbeiten. Bisher war die Ernennung von Ministern ausschließliche Sache des Staatschefs. "Der Ministerpräsident wird in inneren und äußeren Angelegenheiten die meiste Macht haben. Die Befugnisse des Präsidenten werden beschnitten", sagte FJP-Generalsekretär Mohamed Saad al-Katatni am Dienstag.

Konfrontation mit Streitkräften

Mit diesen Plänen scheint eine Konfrontation mit den Streitkräften, die sechs Jahrzehnte lang den Staatschef gestellt haben, unausweichlich. In Militärkreisen heißt es, die Armee werde sich niemals parlamentarischer Kontrolle unterstellen. "Der Präsident wird dafür sorgen, dass die Interessen und die Stellung der Armee unter einer zivilen Regierung sichergestellt sind. Im Gegenzug wird die Armee den Präsidenten in Fragen der nationalen Souveränität unterstützen", heißt es. Viele Ägypter misstrauen den Beteuerungen des Militärs, Mitte des Jahres die Macht an eine zivile Regierung abzugeben.

Aus Sorge um sein schlechtes Ansehen in der Bevölkerung setzte unterdessen der Militärrat seinen obersten Presseoffizier ab. Zum Nachfolger von Generalmajor Ismail Etman wurde laut offiziellen Angaben vom Dienstag dessen Generalskamerad Ahmed Abu al-Dehab berufen, der bisher eine Artillerie-Division befehligte.

In Kreisen, die dem Militärrat nahestehen, hieß es, die Generalität sei nach dem gewaltsamen Tod vieler Demonstranten über ihr schwindendes öffentliches Ansehen besorgt. "Der Oberste Militärrat ist zu dem Schluss gekommen, dass der Ruf der Streitkräfte in den Medien unter der Verantwortung Etmans im vorigen Jahr gelitten hat", sagte ein Informant.

Vor allem viele junge Leute misstrauen den Beteuerungen der Militärführung, dass sie zur Jahresmitte die politische Führung an eine zivile Regierung abgeben will. Ihre Kritiker werfen den Streitkräften außerdem vor, die nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Mubarak erkämpfte Demokratie einschränken zu wollen. (APA)