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Sieben Windkraftanlagen mit jeweils drei MW benötigen eine Umweltverträglichkeitsprüfung, aber zehn Zwei-Megawatt-Windräder nicht. Das ist nur einer der Schwachpunkte in der heutigen Rechtslage.

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Der Zwang zur Prüfung der Umweltverträglichkeit erschwert den Bau von Windkraftanlagen in Österreich.

Kaum ein Bereich der Energiegewinnung genießt derartig viel Zuspruch wie die Windkraft; politische Bekenntnisse überschlagen sich förmlich ebenso wie Aktivitäten des Gesetzgebers. Doch halten diese, was sie versprechen?

Derzeit bestehen in Österreich mehr als 600 Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 1000 MW. Geht es nach den politischen Wünschen und "nationalen Aktionsplänen", so soll diese Energiegewinnungsart – die derzeit in Österreich Strom für mehr als eine halbe Million Haushalte liefert – in Zukunft noch beträchtlich erweitert werden. Auch der Gesetzgeber hält sich mit programmatischen Bekenntnissen nicht zurück. Mit dem vergangenen November beschlossenen Klimaschutzgesetz sollte insbesondere auch eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger und eine Erhöhung des Anteils am Gesamtenergieverbrauch herbeigeführt werden. Auch in die Raumplanung solle der Klimaschutz einbezogen werden.

Dort, wo sich all diese Ziele niederschlagen müssten, besteht allerdings Nachholbedarf: In den Verfahren zur Genehmigung von Windkraftanlagen bestehen nach wie vor – auch wenn sie für Betreiber und Behörden mittlerweile einigermaßen zur Routine geworden sind – verschiedene inhaltliche Schwierigkeiten, die legistisch aufgegriffen werden sollten. Maßgeblich dabei ist insbesondere das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Zunächst führt schon die Anwendbarkeit dieses Gesetztes zu einem höheren Verfahrensaufwand, zusätzlichen Prüfkriterien und einer längeren Verfahrensdauer als bei bloß "materienrechtlichen" Verfahren (beispielsweise elektrizitätsrechtlichen und anderen Genehmigungsverfahren).

Darüber hinaus ist der Schwellenwert von 20 MW, der zwingend eine UVP bedingt, kritisch zu hinterfragen. Diese Schwelle war früher, als Zwei-MW-Windenergieanlagen Stand der Technik waren, durchaus sinnvoll, da dann Projekte mit zehn Anlagen UVP-pflichtig waren. Aber aufgrund der technischen Entwicklung sind heute Drei-MW-Anlagen üblich. Das führt zum absurden Ergebnis, dass etwa Projekte mit nur sieben Drei-MW-Anlagen auch UVP-pflichtig sind, obwohl die Umweltauswirkungen weniger gravierend sind wie bei neun Zwei-MW-Anlagen. Auch die Frage, welche UVP-rechtlichen Folgen die Modernisierung von Anlagen wie der Austausch eines Zwei-MW- durch einen modernen Drei-MW-Konverter hat, lässt der Gesetzgeber offen.

Nicht schlechter als Solar

Ferner wäre eine Diskriminierung der Windkraftanlagen etwa im Verhältnis zu Solarstromerzeugungsanlagen zu beseitigen: Obwohl beide vom Kapitel "Energiewirtschaft" der europäischen UVP-Richtlinie umfasst sind, unterliegt nur die Nutzung von Windenergie dem UVP-Gesetz.

Vor allem aber scheint eine strukturelle Erneuerung des UVP-Gesetzes angezeigt: Denn es ist nicht einzusehen, warum angesichts der umfassenden politischen und gesetzgeberischen Bekenntnisse zum Klimaschutz derartige Anlagen demselben Genehmigungsregime unterliegen wie Atom- oder thermische Kraftwerke. Insbesondere fehlt eine Wertung bei miteinander in Konflikt stehenden Schutzgütern: So sollte der Gesetzgeber anordnen, dass dem Schutz der allgemeinen Umwelt, vor allem des Klimas, der Vorzug vor sektoralen Einzelanliegen wie dem Tier- und Pflanzenschutz zukommen müsste. Überspitzt formuliert: Der bloße Naturschutz, der schon verschiedene Projekte zu Fall gebracht hat, müsste sich dem generellen Umweltschutz unterordnen.

Konflikt mit Raumordnung

Dasselbe gilt auch für den Bereich der Raumordnung, die grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder fällt. Denn jeder Windpark bedeutet zwangsläufig "Konsum von Raum" und Eingriffe in das Natur- und Landschaftsbild. Hier werden für den Gesetzgeber ein klares Bekenntnis und eine entsprechende Regelung, welchen Interessen im Widerspruchsfalle der Vorzug zukommt, nicht vermeidbar sein.

Legistisch zu überlegen wäre dahingehend auch eine Umsetzung eines "Konzentrationsgebots" nach dem Motto: Besser wenige große, als viele kleine Windparks. Für ein derartiges Primat und entsprechende Konzentrationsprozesse bestehen aber keine gesetzlichen Regelungen. Vielmehr führt die strenge – in dieser Form europarechtlich nicht gebotene – Behördenpraxis bei der UVP-rechtlichen Kumulationsprüfung dazu, dass kleine in der Landschaft verstreute Windparks leichter und kostengünstiger realisiert werden können. (Michael Hecht, Wolfram Schachinger, DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2012)