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Unberechenbarer seien die Kunden in ihrem Konsumverhalten geworden, sagen Handelsexperten. Viele Unternehmen rennen mit hohen Rabatten um ihr Leiberl. 

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Wien - Bettina Lorentschitsch will Bewegung in die Arbeitszeitregelung des österreichischen Einzelhandels bringen. Die neue Obfrau der Branche wünscht sich stärkere Liberalisierung rund um die Arbeit an Samstagen und trifft damit den Nerv der Gewerkschaft.

Handelsmitarbeiter dürfen derzeit nur an jedem zweiten Samstag im Monat im Einsatz sein. Darauf einigten sich die Sozialpartner vor zehn Jahren. Es war die Bedingung, unter der die Arbeitnehmer den längeren Öffnungszeiten zustimmten. Nicht alle Händler hielten sich daran, was seit einem halben Jahr empfindliche Strafen nach sich ziehen kann. Nun fordert Lorentschitsch, die Regelung aufzuheben. "Das wäre im Sinne aller Beteiligten." Vor allem Frauen in Teilzeitstellen würden gern an den Samstagen arbeiten. Denn am Wochenende lassen sich aufgrund stärkerer Kundenfrequenz auch höhere Provisionen erzielen.

Für die Beschäftigten habe diese sogenannte Schwarz-Weiß-Regelung hohe Bedeutung, es könne nicht sein, die Vereinbarung nun zu vergessen und als lästig abzutun, sagt Handelsgewerkschafter Franz Georg Brantner. "Wir schenken sie sicher nicht her." Abgesehen davon, dass etwas falsch laufe, wenn Mitarbeiter von den lukrativeren Samstagsschichten abhängig seien, um mit ihren Gehältern ein Auslangen zu finden.

Viele Unternehmen klagen, fürs Wochenende nicht genug qualifiziertes Personal zu bekommen. Es sind Vorzeichen für einen zunehmend harten Wettlauf um Arbeitskräfte. Der demografische Wandel stelle den Einzelhandel vor große Herausforderungen. Immer weniger Junge entschieden sich für ei- ne Lehre, sagt Lorentschitsch. Bis 2020 sollen es laut Prognosen nur noch halb so viele sein. In einzelnen Bundesländern gebe es schon jetzt Personalengpässe.

Mehr Jobs, viel Teilzeit

Österreichs Einzelhandel zählte im Vorjahr 320.000 Mitarbeiter, um 2,6 Prozent mehr als 2010. Lorentschitsch rechnet mit einer weiter stabilen Beschäftigung. Gut 43 Prozent der Jobs sind Teilzeitstellen. Dass viele Frauen in die Teilzeit gezwungen werden, wie Gewerkschafter kritisieren, weist sie zurück: Etliche Studien belegten, dass weniger als zehn Prozent lieber Vollzeit arbeiten würden.

Leicht wird dieses Jahr für die Branche jedenfalls nicht. Bereits 2011 hinterließ das raue Umfeld bei vielen Unternehmen sichtbare Spuren. Nahezu alle Sparten, vom Sport bis zum Buch, reihten sich unter die Verlierer. Nur Drogerieketten - von Schlecker abgesehen - und der Elektrobereich konnten sich etwas abkoppeln. Alles in allem verbuchte der Handel inflationsbereinigt im Vorjahr ein Umsatzminus von 1,7 Prozent, zeigen aktuelle Statistiken der KMU Forschung. Österreich liege damit unter dem Schnitt der EU-Länder.

Viel Psychologie habe hier mitgespielt, sind sich Experten einig. Zur Angst vor Krisen und höheren Kosten kam ungünstige Witterung und der Trend, sein Geld statt in den Handel lieber in andere Freizeitvergnügen zu stecken.

Volatiler, nervöser, stimmungsabhängiger seien die Kunden geworden, resümiert Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands. Der Handel reagiere mit starken Rabatten, was Erträge koste. Man stelle sich innovativ dem harten Wettbewerb, das Expansionstempo aber verlangsame sich vielfach. Und die Marktkonzentration nehme rundum erneut zu. "Starke Betriebe werden stärker, schwache schwächer." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2012)