Der Genetiker Markus Hengstschläger beschreibt in seinem aktuellen Buch "Die Durchschnittsfalle", dass Erfolg aus Individualität entsteht und man alte Wege verlassen müsse, um neue einzuschlagen. Im Gespräch mit Hans Rauscher zerpflückt Hengstschläger die Aussagen von Thilo Sarrazin und erklärt, warum die Bildungsfrage mit den Genen nichts zu tun hat.

Hengstschläger macht die österreichische Bildungspolitik dafür verantwortlich, dass bildungsferne Schichten mit Migrationshintergrund nicht in dem Maß Zugang zur Bildung erhalten, wie es notwendig wäre. Hier stecke sehr viel Talent, das nicht geweckt werde. Gefragt sei die Akzeptanz, dass jeder individuelle Talente hat. Von außen könne man eine Spitzenleistung nicht erzwingen. Man müsse die Flamme der Talente von innen entflammen. Die Politik begehe den Fehler, dass sie Menschen ins Land holt, von denen sie glaubt, dass sie sie braucht, ohne zu wissen, welche Talente in Zukunft überhaupt gefragt seien. "Das ist aus wissenschaftlicher Sicht ein bissl absurd."

Es herrsche ein völlig falscher Talentbegriff. Wir sehen nämlich nur den Erfolg, nicht die harte Arbeit, die dahinter steckt, diese Talente zu entdecken: "Üben, üben, üben, ohne das geht gar nichts! Aber üben, üben, üben führt nicht bei jedem zum Gleichen." Migration sei Teil der Evolution. Es sei ein Grundkonzept, dass Durchmischung besser ist. Österreich hinke hier massiv nach und müsse diese Chance im Interesse aller nutzen. Es sei in Österreich im Moment viel angesagter, sich mit der Mehrheit zu irren, als alleine recht zu haben. Diese Stimmung müsse man wieder ändern.

Viele Eltern würden den Fehler begehen, dass sie aus ihren Kindern das machen, was sie gerne hätten, ohne auf die Talente der Kinder zu achten. Wenn ein Kind beispielsweise vier Nicht genügend und ein Sehr gut hat, sollte man ein bisschen bei den vier Nicht genügend machen und sehr viel beim Sehr gut. Das Bildungssystem müsste ein Extraangebot für die Förderung dieser Talente bieten. (rasch, derStandard.at, 31.1.2012)