Familienstücke: oft unbrauchbar, aber zu schade zum Wegwerfen. Im Tauschregal warten sie auf ein neues Zuhause.

Foto: T. Tomicek

Die Abbildung auf der leicht vergilbten Schachtel zeigt ein radioähnliches Gerät, einen "Berlitz Interpreter". Es handelt sich um eine Übersetzungshilfe aus der Zeit, bevor es dafür Software und Apps gab. "Keine Reisen mehr", lautet die schlichte Begründung auf dem beigefügten Zettel, warum der Gegenstand keine Verwendung mehr hat. Zusammen mit einer Teelichtschale, einer Kinderzeichnung, einer tönernen Maske, einer Eintrittskarte für ein Musical und weiterem Nippes, der in fast jedem Haushalt vor sich hin verstaubt, wartet der Interpreter in einem der Regale auf irgendjemand, der ihm eine neues Zuhause geben will.

Was nach einem Secondhandgeschäft klingt, ist Teil der experimentellen Ausstellung "Familienmacher - Vom Festhalten, Verbinden und Loswerden", die derzeit im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien zu sehen ist. "Die Regale an der Tauschwand sind eine Bühne für die Familiendinge der Besucher", erklärt die Ausstellungsdesignerin Kathrina Dankl. Und zwar für jene Dinge, die die Leute zwar loswerden wollen, es aber nicht übers Herz bringen, sie wegzuwerfen, weil sie in irgendeiner Form mit der Familie verbunden sind.

Ausgehend von neueren Ansätzen der Familienforschung verstehen die Projektverantwortlichen Verwandtschaft als etwas, das sich ständig verändern kann und sich nicht auf die klassische Kleinfamilie beschränkt. "Wir konzentrieren uns auf Objekte und Praktiken der Alltagskultur, die Familienbeziehungen herstellen", sagt die Kulturanthropologin Elisabeth Timm, die im Vorjahr von der Uni Wien an die Universität Münster wechselte und als Projektleiterin des fünfköpfigen interdisziplinären Wissenschafts- und Kuratorenteams fungiert.

Die unkonventionelle Ausstellung, die auf die aktive Gestaltung der Besucher angewiesen ist, beschäftigt sich nicht nur mit dem Wert von "Familiendingen", sondern hinterfragt Familienbande und Konstellation auch mithilfe einer Fotostation für Familienfotos und einem SMS-Ticker, auf dem im Handy gespeicherte Nachrichten von Familienmitgliedern offenbart werden können.

Neben der Frage nach den Dynamiken von Verwandtschaftsverhältnissen ging es der Forschungsgruppe schließlich auch um "den Versuch, eine Ausstellung konsequent partizipativ zu gestalten", wie die Kunstvermittlerin Karin Schneider betont. Dementsprechend gibt es neben den drei Stationen weder Schautafeln noch Erklärungen, wohl aber eine "Gebrauchsanleitung".

Callshops und Fotostudios

Die Mitmachausstellung ist das Ergebnis eines drei Jahre andauernden Forschungsprojekts, das vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gefördert wurde. Während der 18-monatigen Feldforschung im 8. sowie im 16. Wiener Gemeindebezirk suchte das Team aus Ethnologie, Anthropologie, Design und Kunstvermittlung Orte auf, wo Familie "gemacht" wird: Callshops, Fotostudios und Pensionistenheime. Die dort geknüpften Kontakte wurden vertieft, 30 Interviews geführt und Workshops abgehalten - wobei sich die Familienpraktiken in den beiden Bezirken nicht unterschieden, wie Timm betont.

Die Ergebnisse flossen in das Ausstellungskonzept ein: "Die Callshops stehen für einen transnationalen Familienbegriff", sagt Kathrina Dankl, "wir haben aber gesehen, dass das Handy zentral ist, um eine Art ständige Standleitung zur Familie zu haben." Dementsprechend zeigt der SMS-Ticker banale wie auch intime Botschaften in vielen Sprachen.

Visuelle Ordnung

An der Fotostation, die aus Recherchen mit der Kundschaft von Fotostudios hervorging, zeigt sich in dem großformatigen Album, wie sehr die visuelle Ordnung von Familienfotos verfestigt ist, also wie sehr sich Hochzeits-, Baby- oder Weihnachtsfotos an dem immergleichen Schema orientieren.

Das Tauschregal wiederum steht für die Erhebungen in Pensionistenheimen, wo sich der materielle Besitz auf wenige Stücke reduziert. Rund 80 Objekte haben bereits den Besitzer gewechselt - so auch ein Puppentrachtenpärchen, das laut Begleitzettel an frühere Urlaube erinnert. Ob der neue Inhaber des Familienstücks den Pflegehinweis beachtet ("Immer schön abstauben und streicheln"), kann möglicherweise am 5. Februar geklärt werden. Da können diejenigen, die etwas abgeben, mit denjenigen zusammentreffen, die etwas mitgenommen haben.

Sämtliche Veränderungen der Schau sowie alle Projektergebnisse werden in einem Katalog dokumentiert, der zur Finissage der Ausstellung am 25. März präsentiert wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.02.2012)