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Die Qualifikation soll entscheidend sein und nicht das Gesicht oder die Herkunft.

Foto: AP/Proepper

Was in Ländern wie den USA und Kanada längst üblich ist, soll auch in Österreich Einzug halten: ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren. Das wünscht sich zumindest der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) und hat aus diesem Grund ein Pilotprojekt in Tirol initiiert. Mit dem Ziel, Chancengleichheit herzustellen und den Blick auf das Wesentliche, nämlich die Qualifikation, zu schärfen. "Es gibt einige Studien, dass es Menschen mit Migrationshintergrund schwerer haben, überhaupt einmal zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden", erklärt Kerstin Cleven vom Integrationszentrum Tirol. "Und zwar alleine aufgrund ihres ausländisch klingenden Namens oder ihres Fotos."

"Wir wollen niemandem bewusste Ausländerfeindlichkeit vorwerfen", sagt Cleven, die Projektleiterin, zu derStandard.at. Die Diskriminierungsmechanismen seien oft subtiler, verankert im Unterbewusstsein und das Resultat von Vorurteilen, die zum Beispiel via mediale Berichterstattung transportiert würden. "Wir sind auf solche Studien gestoßen und haben uns gedacht, da müssen wir etwas machen." Cleven verweist auf eine Untersuchung aus Deutschland. Der zufolge sinkt die Chance, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, um 14 Prozent, wenn es sich um einen Bewerber mit türkisch klingendem Namen handelt. In kleineren Unternehmen sind es sogar 24 Prozent.

Name, Foto, Herkunft

Um Stereotype gar nicht erst aufkeimen zu lassen, sollen die Bewerbungsformulare um gewisse Angaben bereinigt werden. "Name, Foto und Herkunft", erläutert Cleven. Einzig und alleine die Qualifikation, gepaart mit der Persönlichkeit des Kandidaten, soll eine Rolle spielen. Für das Projekt infrage kommen Unternehmen, die auf digitalem Wege rekrutieren. Also jene, die entweder online Personal suchen oder mit standardisierten Bewerbungsformularen zum Herunterladen operieren. Der Grund: Hier könne man am leichtesten eine Datenbereinigung durchführen.

Getrennte Unterlagen

Um Rückschlüsse auf Personen zu vermeiden, müssen die Kontaktdaten von den restlichen Unterlagen getrennt werden. Einsehbar sollen diese erst nach der Entscheidung, ob zum Gespräch eingeladen wird oder nicht, sein. Zuständig für die Umsetzung ist die jeweilige IT-Abteilung, sonstige Kosten entstehen keine. Der Integrationsfonds steht im gesamten Rekrutierungsprozess beratend zur Seite.

Die Dauer des "Bewerbungs'fair'fahrens", so nennt sich das Tiroler Projekt, ist vorerst auf sechs Monate beschränkt. Cleven hofft, sowohl ein privates Unternehmen als auch eine öffentliche Institution für die Idee begeistern zu können. Branche? "Da sind wir offen für alle." Gespräche seien am Laufen, die endgültige Auswahl der Kooperationspartner ist allerdings noch nicht erfolgt. Laut Statistik Austria haben in Tirol 16 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund.

Reputation, Öffentlichkeit

Inwiefern profitieren Firmen, die bei dem Projekt mitmachen? "Die haben den Vorteil, dass sich mehr potenzielle Mitarbeiter erschließen, da qualifizierte Menschen, die im herkömmlichen Bewerbungsverfahren seltener eine Chance bekommen, neuen Mut fassen und sich bewerben", argumentiert die Initiatorin. Das simple Kalkül: "Wir erwarten, dass sie bessere Mitarbeiter finden." Um die Erwartungshaltung auch empirisch zu untermauern, soll das Projekt im Anschluss evaluiert werden: "Was bringt es wirklich?" Ein positiver Nebeneffekt sei schon einmal fix, prophezeit Cleven, denn Firmen würden an Reputation gewinnen. Das Engagement soll via Medien in Szene gesetzt werden.

So weit, so kurzfristig. Langfristig könnte das Projekt, das vorerst rein auf Tirol beschränkt ist, Schule machen. Sie hofft auf eine Initialzündung. Andere Institutionen sollen auf den Zug aufspringen. Zum Beispiel öffentliche Einrichtungen. In Belgien seien in diesem Bereich anonymisierte Verfahren bereits Standard, berichtet Cleven, und in Deutschland läuft gerade ein großes Pilotprojekt, das sogar noch weiter geht. Die Daten werden zusätzlich von Geschlecht- und Altersangabe befreit. (om, derStandard.at, 6.2.2012)