Brüssel/Wien - Die von EU-Agrarkommissar Franz Fischler vorgelegte Agrarreform wird zur Zitterpartie, da die EU-15 noch weitgehend uneinig sind. Die Reform soll aber bis Ende der Woche den Agrarministerrat passieren, der heute in Luxemburg beginnt. Keine Eile hat Frankreichs Agrarminister Hervé Gaymard. Ein zügiger Abschluss sei unrealistisch, sagte er bei einem Besuch in Wien. "Wir sind gegen Reformen um jeden Preis." Zwei Drittel der EU-Länder seien gegen Fischlers Vorschläge.

Was dazukommt: Der Kommissar wird sein neues Kompromisspapier erst unmittelbar vor dem Gipfel vorlegen, über dessen Inhalte man nach wie vor im Dunkeln tappe, betonte Österreichs Landwirtschaftsminister Josef Pröll.

Fischler warnte vor dem Gipfel vor einer Nichteinigung oder Verzögerung der Reform. Er befürchtet Nachteile für die EU bei der im Herbst beginnenden WTO-Verhandlungsrunde in Cancún. Dort steht die EU wegen der Senkung der Förderungen und Freigabe der Importe unter Druck. Außerdem befürchtet Fischler ohne Reform weitere Einkommensverluste für die Bauern. "Wir verhandeln daher, bis wir umfallen oder uns einigen", sagte ein Sprecher Fischlers vor Beginn der Verhandlungen.

Kernstück der Reform ist die Entkoppelung. Den Landwirten sollen Beihilfen unabhängig davon gewährt werden, was sie erzeugen. Allerdings soll die Fördersumme gekürzt und in die ländliche Entwicklung umgeschichtet werden. Während kleine Betriebe, die maximal 5000 Euro erhalten, ungeschoren davonkommen, müssten größere Farmen schrittweise auf einen Teil ihrer Subvention verzichten. 2012 sollen so zusätzlich 1,48 Mrd. für die ländliche Entwicklung vorhanden sein.

Für die Milchwirtschaft soll die Produktionsquote zwar bis 2015 verlängert, dabei aber leicht gesenkt werden. Auch soll der garantierte Mindestpreis fallen, damit die Ausfuhr von Milch- und Milchprodukten ohne Subvention möglich wird. Auch der Mindestpreis für Getreide soll ab 2004/2005 um fünf Prozent sinken.

Die Agrarreform ist besonders zwischen Deutschland und Frankreich umstritten. Deutschland gehört zu den Ländern, die sich vor allem für eine extensive und umweltschonendere Landwirtschaft einsetzen und ist daher für die weit gehende Entkoppelung. Frankreich als Hautnutznießer der Subventionen ist gegen eine drastische Senkung der Direkthilfen. Die Agrarreform ist auch Thema auf dem Treffens von Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac mit dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder.

Österreich hat sich demonstrativ auf die Seite Frankreichs gestellt und ist besonders gegen die Entkoppelung in so genannten benachteiligten Regionen wie Bergbaugebieten. Hier signalisierte Fischler zuletzt Flexibilität, er will "berechtigte Einwände" berücksichtigen.(DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2003)