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Der Ausstoß von ultrafeinen Aerosolen kann einerseits zu längeren Trockenperioden, andererseits zu heftigeren Niederschlägen führen
Moderne, entsprechend ausgerüstete Kohlekraftwerke befreien ihre Abgasen von Schwefel und Stickstoff und reduzieren damit die Freisetzung umweltgefährlicher Säuren deutlich. Bei dieser auf dem ersten Blick sauberen Technologie kommt es trotzdem zu einen bislang unbeachteten klimarelevanten Nebeneffekt, wie Wissenschafter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nachgewiesen haben: Die Reinigung führt zu einer Vervielfachung der Emissionen ultrafeiner Partikel, welche die Wolkenbildung so beeinflussen können, dass es zu geringeren und selteneren, dann jedoch heftigeren Niederschlägen kommt.
Mit komplexen technischen Verfahren entfernen moderne Kohlekraftwerke Schadstoffe aus ihren Abgasen: So minimiert die Rauchgaswäsche Schwefeldioxid auf wenige Prozent, die Selektive Katalytische Reduktion (SCR) setzt Stickstoffdioxid (NO2) zu Stickstoff und Sauerstoff um. Ein geringer Anteil, etwa zwei Prozent, des verbleibenden Schwefels wird dabei jedoch direkt in Schwefelsäure umgewandelt.
Ultrafeine Aerosole
"Deren Masse fällt bei der Gesamt-Schwefelbilanz nicht ins Gewicht, allerdings verteilt sich diese geringe Masse auf eine extrem hohe Anzahl ultrafeiner Schwefelsäuretröpfchen: bis zu 50.000 Partikel pro Kubikzentimeter noch nach 50 Kilometern in der Abluftfahne", sagt Wolfgang Junkermann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU). Ein einzelnes Kraftwerk gibt dabei dabei so viele Partikel (Aerosole) in die Luft ab wie der Verkehr auf mehreren tausend Kilometern Autobahn. Mit nur wenigen Nanometern Durchmesser seien diese sogar noch kleiner als die feinen Aerosole aus Autoabgasen.
Der "Blue Plume" ("blaue Abluftfahne") genannte Effekt ist Kraftwerks-Ingenieuren zwar bekannt, seine Auswirkungen auf die Umwelt sind bislang jedoch wenig untersucht. "Es ist sehr schwierig, diese besonders feinen Aerosole in der Luft nachzuweisen und eindeutigen Quellen zuzuordnen", so Junkermann. Die Forscher des IMK-IFU setzen deshalb ein Ultraleichtflugzeug - das kleinste bemannte Umweltforschungsflugzeug der Welt - ein, mit dem sie direkt in Höhe der Abluftfahnen die Emissionen und das Anwachsen der Aerosole verfolgen. Dabei haben sie bei Messungen in Deutschland, der Inneren Mongolei, Australien und Finnland beobachtet, dass die Schwefelsäuretröpfchen in der Atmosphäre innerhalb weniger Stunden zu Wolkenkondensationskernen anwachsen.
Längere Trockenperioden und heftigere Niederschläge
"Die hohe, zusätzliche Anzahl dieser Kerne führt bei der Ausbildung von Wolken zu einer Verteilung des verfügbaren Wassers auf viele, aber kleinere Wolkentröpfchen. Damit verzögert sich zunächst die Bildung von Regentropfen", erläutert Klimaforscher Junkermann "und die Wahrscheinlichkeit von Starkregen nimmt zu". Anstelle gleichmäßiger, regional verteilter Regenfälle könne es einerseits zu längeren Trockenperioden, andererseits jedoch zu heftigeren Niederschlägen kommen. Wo diese dann schließlich fallen, sei nicht vorhersehbar. Das hänge von der Windrichtung und -geschwindigkeit in zwei bis fünf Kilometern Höhe ab und könne auch mehr als 1000 Kilometer entfernt sein.
Klimarelevant, so Wolfgang Junkermann, sei das in zweierlei Hinsicht: "Die Umverteilung des Niederschlags ist für die Landwirtschaft in regenarmen Gebieten ein Desaster. Zudem wirkt sich die längere Verweilzeit von Wasserdampf in der mittleren Atmosphäre möglicherweise negativ auf die Strahlungsbilanz und damit auf den Treibhauseffekt aus." Die Zusammenhänge zwischen lokalen Emissionen, regionaler Auswirkung auf Wolken und Niederschlag sowie auch auf die Energiebilanz der Atmosphäre seien bisher nur unzureichend untersucht und erfordern weitere Experimente und Modellrechnungen. Die KIT-Wissenschaftler wollen mit ihrem "fliegenden Aerosol-Labor" hierzu Daten für Prozess-Studien liefern, die mit Bodenstationen, Satelliten und großen Forschungsflugzeugen nicht erhoben werden können. (red)