Paris - Die französischen Medien sind sich einig darin, dass die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, Chefin der "Front National" (FN), einen Fauxpas auf dem Weg zur Verniedlichung des extremistischen Gedankenguts ihrer Partei gemacht hat, indem sie sich vergangenen Freitag am Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) in der Hofburg beteiligte. Sie hat sich "selbst in eine Falle gelockt", sagte der Chefredakteur des Politmagazins "Le Point" im Radiosender RMC.

Die Wochenzeitschrift "Le Nouvel Observateur" erinnerte daran, dass die Burschenschaft nach Angaben des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) eine "neonazistische, pangermanistische und antisemitische Organisation" sei, "von der man es versteht, dass sie keine Juden auf ihren Ball einlädt". Das Magazin fragt sich, ob die Ursachen für diesen Ausrutscher in der Vater-Tochter Beziehung von Marine mit dem FN-Gründer Jean-Marie Le Pen zu suchen sei und schreibt: "Letztendlich ist Wien nicht nur die Hauptstadt des Walzers und des Rechtsextremismus, aber auch jene der Psychoanalyse."

"Pangermanisten-Walzer"

Überdies betont die linksgerichtete Zeitschrift, Marine Le Pen könne es keinesfalls nicht gewusst haben, dass Martin Graf, der sie gemeinsam mit Heinz-Christian Strache zum Ball eingeladen habe, "Beziehungen mit neonazistischen Kreise pflegt". In dem Artikel wird auch daran erinnert, dass Strache den ehemaligen SA-Sturmführer Otto Scrinzi bei dessen Ableben Anfang Jänner in einer Stellungnahme gelobt habe. "Marine Le Pen tanzt den Pangermanisten-Walzer in Wien", titelte das Wochenmagazin "L'Express" und betonte weiter, dass bei dem Ball "jedes Jahr die Auschwitzleugner eine Ovation erhalten".

Die Menschenrechtsorganisation "SOS Rassismus" verurteilte in einer Aussendung die Teilnahme Le Pens an einem "Ball für Nostalgiker des Dritten Reichs" und erinnerte daran, dass die Veranstaltung zum selben Zeitpunkt stattfand, als der 67. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz gefeiert wurde. "SOS Rassismus" stellt sich die Frage, ob dies "ein reiner Zufall" sei. "Marine Le Pen tritt die republikanischen Werte, die sie für sich in Anspruch nehmen will, auf skandalöse Weise mit Füßen", schreibt die Organisation in der Aussendung und betont weiter: "Martin Graf, Mitglied der FPÖ, ist einer der härtesten und gewalttätigsten Vertreter der extremen Rechten in Europa."

Marine Le Pen selbst betonte, dass sie vom umstrittenen Charakter des Balls nichts gewusst habe, obwohl ihr Vater nach Angaben Gettengos 2008 Ehrengast dort gewesen sei. In einer Pressekonferenz verurteilte die FN-Chefin jede Form von Totalitarismus und sprach in Bezug auf die um sie entstandene Polemik von einer "Manipulation". "Der Nationalsozialismus war ein Horror. Es tut mir manchmal leid, nicht in der Epoche geboren zu sein, um ihn bekämpfen zu können", betonte die Präsidentschaftskandidatin.

Le Pen forderte weiter, dass man vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy (UMP) Rechenschaft fordere, weil er den syrischen Diktator Bashar al-Assad und den ehemaligen libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi empfangen habe. Den französischen Sozialisten warf sie mittels der sozialistischen Internationale eine "ideologische Nähe" mit dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und dem tunesischen Ex-Präsidenten Ben Ali vor.

Man könne es sich nicht vorstellen, dass Frau Le Pen nicht gewusst hat, mit wem sie da tanzen ging", reagierte Delphine Batho, Sprecherin des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande (PS), auf die Anschuldigungen der FN-Chefin. "Je mehr sie sich verteidigt, umso mehr versinkt sie in einem Diskurs, der in einer Form der Relativierung des Nationalsozialismus mündet, die stets ein Geschäftsfonds für die extreme Rechte gewesen ist", so Batho in einer Aussendung. (APA)