Salzburg - Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) errichtet ein Querschnitt- und Geweberegenerationszentrum. Das Forschungszentrum wird sich in enger Verbindung von Grundlagen- und klinischer Forschung sowohl der zellbasierten Therapie mit dem Ziel der Regeneration von Nervenzellen und molekularen Ansätzen für das Nachwachsen durchtrennter Nervenfasern als auch den unmittelbaren Folgeschäden nach einer Rückenmarksverletzung und Kompensationstherapien wie der Elektrostimulation des Rückenmarks widmen.

Weltweit gibt es rund 2,8 Millionen Querschnittspatienten. Die Hälfte dieser bis heute nicht heilbaren Verletzung ist ein Resultat von Verkehrsunfällen.

Selbstheilung fördern

Eine zentrale Rolle im PMU-Forschungszentrum kommt der Geweberegeneration zu. "Unsere Vision ist es, Selbstheilung zu fördern, indem wir körpereigene Zellen von Patienten entnehmen und an den Ort der Verletzung bringen", sagt die Leiterin des Speziallabors, Eva Rohde. Sie ist Vorstand der Uniklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin an der PMU. Rohde will die Erkenntnisse aus dem Labor für die klinische Prüfungen optimieren, mit dem Ziel, aus menschlichem Gewebe gewonnene Produkte in klinischen Studien an Patienten zum Einsatz bringen zu können.

"Im Prinzip ist nahezu jedes Organ und Gewebe in der Lage, sich zu regenerieren", ergänzt Ludwig Aigner, Vorstand des Institutes für Molekulare Regenerative Medizin. Die Suche im Labor richtet sich auf Moleküle, die als "zentrale Schalter" die Regeneration "fördern oder auch hemmen". Als Zusatznutzen der Querschnittsforschung sieht Aigner, dass man eine ähnliche Pathologie vorfinde wie zum Beispiel bei Schlaganfall, Alzheimer oder altersabhängigen neurodegenerativen Erkrankungen.

Wobei Rohde wie auch PMU-Rektor Herbert Resch vor "überzogenen Erwartungshaltungen" (Resch) warnen. Bis zu einer ausgereiften Therapie, mit der verletztes Rückenmark wiederherstellbar ist, werde es noch Jahre dauern.

Postoperative Akutphase

Dem entsprechend kommt auch der postoperativen Akutphase bis zum Eintritt in das Reha-Zentrum enorme Bedeutung zu. Schwellungsbedingte Sekundärschädigungen am Rückenmark müssen durch chirurgische Entlastung und medikamentöse Behandlung kleingehalten werden.

Im Schnittpunkt der Querschnitts- wie auch der Geweberegeneration steht die Urologie. Bei Querschnittspatienten kommt es durch die Störung der Blasenfunktion zur Schädigung von Blasenwand, Beckenboden und Nieren. Forschungsziel ist daher eine "kausale Therapie zur Wiederherstellung einer möglichst natürlichen Blasenfunktion", sagt PMU-Urologievorstand Günter Jane-tschek. Ein möglicher Weg: Die Elektrostimulation des Reflexbogens der Blase.

Darüber hinaus hoffen die Urologen im Bereich der Geweberegeneration auf neue Behandlungsformen. Die Inkontinenztherapie durch Kultivierung und Vermehrung körpereigener Muskelzellen steht kurz vor dem Durchbruch. Für Janetschek vorstellbar ist auch der Ersatz einer Harnblase nach einer Krebserkrankung.

Privatsponsor

Finanziert wird das Querschnittprojekt, für das in den kommenden zehn Jahren 74 Millionen Euro veranschlagt sind, zum größten Teil von privater Hand. 70 Millionen steuert Getränkefabrikant Dietrich Mateschitz bei, vier Millionen das Land Salzburg. Die Spende von Mateschitz gilt als die drittgrößte Privatspende in der Geschichte Europas.

Für das Querschnittsprojekt wird am Wissenschafts- und Bildungscampus Competence Park in Salzburg ein Gebäude errichtet. Baubeginn ist im Frühjahr. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 06.02.2012)