Frankfurt - Nach der gescheiterten Fusion mit der New Yorker Börse Nyse Euronext nimmt die Kritik an Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni zu. Börsen-Aufsichtsrat Johannes Witt sowie die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS fordern personelle Konsequenzen. "Das Scheitern dieser Fusion darf vom Management nicht einfach als kleiner Betriebsunfall heruntergespielt werden, wie das von einigen Personen versucht wird", sagte Witt der "Euro am Sonntag".

"Mit Blick auf das Ergebnis muss jetzt die Frage nach personellen Konsequenzen gestellt werden", ergänzte Witt. "Kann jemand, der den bisherigen Status ändern wollte, indem er sich an einen anderen Partner anlehnte und nun gescheitert ist, diesen Konzern weiter in die Zukunft führen?" Witt kündigte an, dass sich der Aufsichtsrat auf seiner nächsten regulären Sitzung am 13. Februar mit den Konsequenzen aus der geplatzten Börsenfusion befassen wird.

EU-Kommission untersagt Zusammenschluss

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch den seit rund einem Jahr geplanten Zusammenschluss der beiden Börsenbetreiber zum Weltmarktführer untersagt. In den Augen von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia wäre durch die milliardenschwere Fusion ein Monopol im Börsenhandel mit europäischen Finanzderivaten entstanden. Dies hätte der europäischen Wirtschaft erheblichen Schaden zugefügt. Für Francioni wäre die Fusion die Krönung seiner Karriere geworden. Francioni's Vertrag als Vorstandschef läuft formell Ende 2013 aus, für gewöhnlich wird über eine Verlängerung etwa ein Jahr vorher entschieden.

Auch Henning Gebhardt, Leiter für europäische Aktien bei der Fondsgesellschaft DWS, fordert neue Köpfe. "Hin und wieder muss es einen Neuanfang geben - in welcher Form auch immer", sagte Gebhardt der "WirtschaftsWoche". Francioni habe in den vergangenen Jahren mehrere Zusammenschlüsse versucht und sei gescheitert. "Gerade an Herrn Francioni geht das Ganze nicht spurlos vorbei", merkte er an.

Marktanteile verloren

Gebhardt kritisierte, dass der Frankfurter Börsenbetreiber durch die kräftezehrenden Fusionsbemühungen sein Tagesgeschäft vernachlässigt habe. Die Deutsche Börse sei zu wenig auf Kundenwünsche eingegangen und habe Marktanteile verloren. "Das Geschäftsmodell hat sich einfach zu wenig nach vorn entwickelt. Da hatte die Börse in den letzten Jahren zu wenig neue Ideen", bemängelte Gebhardt. Als Aktionär der Deutschen Börse könne er nicht zufrieden sein.

Seiner Ansicht nach liegt vor allem in Asien ein großer Wachstumsmarkt, der derzeit neu geordnet wird. "Mich beschleicht die Ahnung, dass die Börse dort nicht immer der gewünschte Partner ist," sagte Gebhardt. Auch müsse die Börse Antworten auf die Konkurrenz durch neue Börsenplattformen wie Chi-x oder Bats finden.

Dagegen sieht Aufsichtsratschef Manfred Gentz keine Notwendigkeit, das Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen. "Es besteht zu grundlegenden Änderungen von Strategie, Struktur und Führung kein Anlass", hatte Gentz nach der Fusionsabsage durch die EU mitgeteilt. Vielmehr seien jetzt Ruhe und Kontinuität geboten. Vorstandschef Francioni sieht die Deutsche Börse auch ohne die Nyse stark genug. Er hatte für das laufende Jahr eine Fortsetzung des Wachstumstrends der letzten drei Jahre in Aussicht gestellt. (APA)