Erst stellt man einen mit Grauslichkeiten gespickten Gesetzesentwurf vor. Dann lässt man, bequem aus der Warteposition des Begutachtungsverfahrens, den Aufschrei der engagierten Öffentlichkeit über sich ergehen. Ob der Schrei gehört wird - darüber schweigt man sich aus. Bis zum Tag der Vorabentscheidung, dem Ministerratsbeschluss: Erst danach wird verkündet, was genau geändert wird. Dafür präsentiert man aber auch vollmundig so manche "Entschärfung".

So weit das bisherige Vorgehen Innenminister Ernst Strassers beim neuen Asylgesetz. Nicht von ungefähr erinnert es an die Fortschritte auf einer anderen Baustelle schwarz-blauen Regierens: der Pensionsreform. Doch so ist wahres Regieren eben: sich durchsetzen, gegen alle Widerstände - und seien es auch Einwände unter Berufung auf die Rechtsordnung.

Etwa die Kritik des Rechtsexperten Heinz Mayer im Standard: Der Asylgesetzentwurf sei verfassungswidrig, hatte der Jurist geschrieben. "Wenn mich Heinz Mayer kritisiert, so weiß ich, ich bin auf dem richtigen Weg", reagierte Strasser bei der Vorstellung des "entschärften" Asylgesetzentwurfs auf eine diesbezügliche Frage: Schön schnoddrig, könnte man meinen - ganz schön vermessen, sollte man hinzufügen. Weil die Asylgewährung eines Staates eine Menschenrechtsfrage ist. Und Menschenrechte, wie sie unter anderem in der österreichischen Verfassung verankert sind, nicht gebeugt werden dürfen.

Doch solche Einwände dürften auf dem Weg zum neuen Asylgesetz verhallen: Die Materie ist sperrig, die betroffenen Asylwerber sind unbeliebt. Dem Koalitionspartner FPÖ wiederum kommt ein Gesetz gegen den "Asylmissbrauch" nur recht. Und sei es - wie Beobachter wähnen - um den Preis der Zustimmung zum Aufreger Nummer eins: der Pensionsreform.(DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2003)