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Nach Tagen kältebedingt gedrosselter Gaslieferungen floss am Montag wieder mehr Erdgas durch russisch-ukrainische Pipelines - im Bild die Station Pisarevka - nach Europa.

Foto: AP/Svetlana Kozlenko

Um die Haushalte warm zu halten, erwägt die Regierung in Rom, den Gasfluss an die Industrie zu drosseln. Zumindest bis Mittwoch sei Italien versorgt, sagt Energiemulti Eni. Aus Russland kommt wieder mehr Gas in die EU.

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Schneechaos in Rom, Lawinen in Südtirol, teilweise lahmgelegter Flug-, Auto- und Bahnverkehr in Mittelitalien. Die Kältewelle bremst in Italien das Wirtschaftsgeschehen jäh ab. Dafür legte der Erdgasverbrauch zu Wochenbeginn auf einen Rekord von 440 Millionen Kubikmeter zu. Nun droht auch noch ein Versorgungsengpass, nachdem die russische Gasprom ihre Lieferungen nach Italien gekürzt hatte.

Wirtschaftsminister Corrado Passera bestätigte, dass sich die Versorgungssituation zugespitzt habe. Zum Glück aber hätten die Erdgasreserven noch nicht angetastet werden müssen. Dadurch habe Italien noch eine gewisse Reserve. Paolo Scaroni, Chef des Erdöl- und Erdgasmultis Eni versicherte, dass zumindest die Versorgung bis Wochenmitte voll garantiert sei. Dann sieht allerdings die Wetterprognose schlecht aus, denn Meteorologen sagen einen neuerlichen Kälteeinbruch bis zum Wochenende voraus.

"Wir werden morgen entscheiden, ob wir eventuell die Gaslieferungen an die Industrieunternehmen drosseln", sagte Scaroni, der am Montag sogar das Wort "Notstand" verwendete. Um selbigen zu verhindern, verhandelt Eni über Gasimporte aus Algerien und Nordeuropa über die Schweiz. Angeblich habe auch die EU-Kommission Ersatzlieferungen zugesagt, sollte sich die Situation weiter zuspitzen.

Reduziert haben sich inzwischen die Probleme rückläufiger Gasliefermengen aus Russland nach Europa zumindest für einige EU-Länder. Die Situation habe sich entspannt, die Gaslieferungen nach Österreich, Bulgarien, die Slowakei, Ungarn, Polen und Griechenland würden wieder zunehmen, ließ EU-Energiekommissar Günther Oettinger wissen. "Es gibt keinen Notfall in Europa", beruhigte eine Sprecherin von Oettinger. Der von der EU eingerichtete Krisenmechanismus müsse nicht aktiviert werden.

Experten sehen in der enormen Abhängigkeit der Stromerzeugung von Erdgasimporten eine der gefährlichen offenen Flanken der Apenninenhalbinsel. Laut dem Marktforschungsinstitut Nomisma beruhen 52 Prozent der Stromerzeugung im Land auf dem Einsatz von Gas. Russland, Algerien und Libyen sind die wichtigsten Lieferanten. Voraussetzung für eine Verbesserung der Versorgungssituation ist nach Ansicht von Experten eine grundlegende Liberalisierung des Gasmarktes mit einer Ausgliederung des Pipelinenetzes (Snam) aus dem Energiekonzern Eni. Per Dekret hat Ministerpräsident Mario Monti eine entsprechende Trennung bereits vorgesehen. Allerdings tritt diese frühestens 2013 in Kraft. Bis dahin wird die Gasversorgung wohl ein Problem bleiben. (tkb, tom, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.2.2012)