Beinahe hätte es Sauli Niinistö (63) schon vor sechs Jahren zum Staatspräsidenten geschafft: Der ehemalige finnische Justiz- und Finanzminister unterlag damals Amtsinhaberin Tarja Halonen nur knapp. Seither galt Niinistö als ihr logischer Nachfolger und führte über die Jahre überlegen in allen Umfragen.

Am Sonntag war es dann so weit: Mit über 62 Prozent der Stimmen verwies er seinen Kontrahenten, den Grünen Pekka Haavisto, deutlich auf den zweiten Platz.

Von Triumphgehabe - Niinistö ist der erste konservative Präsident Finnlands seit 1956 - war ihm allerdings nicht viel anzumerken: Der als Herausforderer von Halonen noch aggressiv auftretende Wahlsieger wirkte zurückhaltend, müde und fast schüchtern. Die eigentliche Politik gehöre ins Parlament und in die Regierung, betonte er am Wahlabend mehrfach. Mit der Rolle als oberste Werte-Instanz sei er nicht glücklich.

Jahrelang sagte man Niinistö nach, wegen des Unfalltodes seiner ersten Ehefrau 1995 traumatisiert zu sein - und der Tsunami, den er 2004 in Thailand gemeinsam mit seinen Söhnen nur knapp überlebte, soll auch seelische Spuren hinterlassen haben.

Beim Jubelauftritt vor Anhängern seiner konservativen Kokoomus überließ der Jurist dann nach nur wenigen Sätzen seiner um 30 Jahre jüngeren zweiten Ehefrau, Parteisprecherin Jenni Haukio, das Wort.

Erklärungen für die Wandlung des einst als neoliberaler Falke und Frauenheld verschrie-enen Politikers gibt es mehrere: Zum einen dürfte ihm die lange Wartezeit zugesetzt haben - schon als er 2007 zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde, legte er eine gewisse Lustlosigkeit für das Amt im Wartehäuschen an den Tag; ein weiterer Grund könnte sein, dass er seine politischen Linie praktisch zur Gänze ummodeln musste: Mit dem von ihm früher verfochtenen Nato-Beitritt Finnlands und klassischen wirtschaftsfreundlichen Tönen war in der aktuellen politischen Weltlage kein Staat mehr zu machen. Stattdessen nennt der ehemalige Vizechef der Europäischen Investitionsbank (EIB) nun vor allem die Förderung von Toleranz als vordringliches Thema seiner kommenden Präsidentschaft.

Zu denken gegeben hat Niinistö, der auch Präsident des finnischen Fußballverbandes ist, wohl auch das Teilergebnis in Helsinki, wo er nur knapp vor Haavisto blieb. Gut möglich, dass Niinistö am Sonntag klargeworden ist, dass die wahren Herausforderungen erst beginnen werden. (Andreas Stangl/DER STANDARD, Printausgabe, 7.2.2012)