Kehrt man an den Ort seiner Kindheit zurück, findet man nie die alte Heimat wieder. Ein Leben lang fühlen wir uns deshalb zu Plätzen hingezogen, die uns dieses Gefühl von Zuhausesein geben. Wenn man nach Jahren heimkehrt an einen Ort, von dem man nie ganz weg war, und dieser Platz Kitzbühel heißt, dann fällt das Ankommen zunächst einmal leicht. Die sanfte Berglandschaft mit dem weiten Ausblick in alle Richtungen macht Kopf und Herz frei, lädt großzügig ein zu bleiben.

Eine karge Gegend prägt deren Bewohner, indem sie sie auf sich selbst zurückwirft, eine reiche Natur nährt die Menschen, die in ihr leben. Nimmt die Energie an einem solchen Ort ab, ist es nicht sofort spürbar, aber irgendetwas stimmt nicht mehr, die Idylle schmerzt. Und die Frage taucht auf, worin genau Heimat besteht und wann sie verloren geht.

Kitzbühel ist mehr als bloß ein Fotomotiv. Das meinen immer mehr Einheimische.
Foto: Sabina Moser

Heimat liegt in den Menschen. Herbert Haderer, 71, ist in dritter Generation Maßschuhmacher. Er und seine Frau Lisbeth gehören zu den wenigen Kitzbühelern, die noch in der Altstadt ein Geschäft betreiben. Die beiden sehen und hören dort viel, aber Haderer muss die Worte von ganz unten hervorholen für das, was in ihm arbeitet.

Man spürt, dass das eine Menge ist. Zu den häufigen Wechseln in den Geschäften der Vorderstadt, manchmal von einer Saison zur nächsten, meint er: "Die Leitmarken für Noblesse halten sich länger. Aber weil wir dann doch nicht St. Moritz sind, verschwinden die anderen wieder." Es trifft ihn aber, wenn andere Kitzbüheler ihr Haus hier teuer verkaufen und selbst in einen billigeren Nachbarort wie St. Johann abwandern, weil sie dort mit dem Geld dann ausgesorgt haben. "Die Gesinnung zum eigenen Besitz geht verloren."

Schuhmacher Herbert Haderer, einer der Letzten seiner Art. In mehrfacher Hinsicht.
Foto: Sabina Moser

Heimat liegt in den Gebäuden. Häusern, in denen man wohnt, ein und aus geht, wo man Gast ist. Und solchen, an denen man einfach immer wieder vorübergeht, die man in sich aufnimmt als Erinnerungsort. Wenn man in Kitzbühel mit der Gondel hinauffährt aufs Horn, erhält man im Hochschweben einen flüchtigen Blick auf die beste Wohngegend der Stadt. Hier auf der Sonnseite genießen vereinzelte Bauernhöfe neben Einfamilienhäusern und in kleinen Parks versteckten Villen die freie Sicht auf Altstadt und Hahnenkamm.

Dazwischen sind fast alle Restplätze verbaut, doch während die Seilbahn über die neuen Sonnenterrassen, Gärten und ausladenden Dächer gleitet, sieht und spürt der Zaungast von oben, wie leer die Häuser unten sind, wie selten dort gelebt wird. "Früher war das noch stimmig, Architektur und Wohlstand", meint Haderer, "jetzt wird immer schneller gebaut, aber es wird auch schneller wieder abgerissen."

Heimat liegt in der Natur. Die scheint hier im Tiroler Unterland noch ziemlich intakt zu sein. Doch sie wird weniger. Und manchmal an empfindlichen Stellen. Als im letzten Frühjahr der Schulpark dem Neubau einer Behörde geopfert werden sollte, regte sich plötzlich heftiger Widerstand in der satten, verwöhnten Gemeinde. Denn es geht nicht mehr um das einzige Grün mitten im Zentrum, es geht um den Ausverkauf einer ganzen Stadt. Und es geht darum, wann es genau anfing mit der Aushöhlung eines Lebensgefühls, das immer auf dem funktionierenden Zusammenspiel von Mensch und Natur beruhte.

Das echte Kitzbühel macht zunehmend einem virtuellen "Kitz" Platz.
Foto: Sabina Moser

Der massig sich ausbreitende Hahnenkamm, dazu die konzentrierte Pyramide des Horns gegenüber, ein von den Alpen geschütztes Tal und am Horizont die imposante Präsenz des Wilden Kaisers. Gemeinsam bildeten sie eine Aufforderung zu sportlichen Abenteuern und damit Tourismus. Kitzbühel hatte alles, was es braucht: einen malerischen Ort, viel Schnee, perfektes Gelände, die ersten Skilehrer und eine gastfreundliche Bevölkerung mit der ihr eigenen Mischung aus Traditionspflege und Neugier auf das Fremde, wenn es Geschmack auf Wohlstand macht oder gute Ideen im Gepäck hat. Doch das echte Kitzbühel macht zunehmend einem virtuellen "Kitz" Platz, einem Image-Jahrmarkt, auf dem sich die Karussells immer schneller drehen.

Die Marketingfrau Susanne Wunderer, 44, kehrte vor vier Jahren in ihre Heimatstadt zurück. 20 Jahre hat sie in Wien gelebt. Sie ist der Motor hinter der Bürgerinitiative "Unser Kitzbühel", die erfolgreich den bedrohten Park verteidigte. "In Kitzbühel ist viel Potenzial da, aber zurzeit geht alles nur in den kommerziellen Mainstream. Es ist fatal, sich darauf auszuruhen, was einmal war, und zu glauben, man ist ja eh so gut." Doch genau darauf baut die aktuelle Vermarktungsstrategie des Tourismusverbands.

Wider den kommerziellen Mainstream: Heimkehrerin Susanne Wunderer.
Foto: Sabina Moser

Mit dem Slogan "Kitzbühel – The Legend" soll das Alpenidyll weiter dynamisiert werden. "Kitzbühel ist die legendärste Sportstadt der Alpen", erklärt Obmann Christian Harisch, in Personalunion Tourismusverbandschef, Hotelier, Makler und Rechtsanwalt. Für ihn zählen vor allem "Top-Events", die "die Marke richtig aufladen".

Leben und leben lassen. Während anderswo in Tirol, vor allem im Oberland westlich von Innsbruck, die engen Täler mit ihren drückend nahen Bergwänden und schroffen Felsen den dort Ansässigen oft wenig Raum für sich und andere geben, genießt Kitzbühel in seinem breiten, nach drei Seiten offenen Tal das Kommen und Gehen von Menschen und ihren Spuren. "Zuagroaste" taten sich oft leicht, hier Fuß zu fassen. Ob einer schon Geld mitbrachte, war früher nicht so wichtig.

Fein herausgeputzt: Das Kitzbüheler Ortszentrum.
Foto: Sabina Moser

Bauer, Bürger, Graf begegneten sich auf Augenhöhe, ohne falschen Dünkel oder falsche Unterwürfigkeit. Man wusste, wer man war, und das genügte. Diese Weltoffenheit zog viele Globetrotter an. Sie jobbten als Skilehrer, Barmann oder Tellerwäscher und genossen das urige, weil echte Flair von gewachsenem Brauchtum. Also ein bisschen geborgte Heimat, die aber nicht einengte, weil sie hier auch die Freiheit hatten, sich auszutoben, sportlich sowieso.

Andere fanden in Kitzbühel für eine Weile eine Heimat, so wie Bergkamerad par excellence Luis Trenker. Die Stadt gewährte ihm und seiner Familie von 1940 bis 1945 eine Art gehobenes politisches Asyl. Trenker hatte es sich durch kritische Bemerkungen und Lavieren in der Südtirolfrage mit seinem einstigen Fan Adolf Hitler verscherzt und musste Berlin über Nacht verlassen.

Auch in seiner italienischen Heimat war er nun schlecht gelitten. Also besorgte ihm sein Freund, der Kitzbüheler Maler Alfons Walde, der neben plastischen Schneebildern und klobigen Bauern-Porträts auch die Bucheinbände zu Trenkers Naturromanen gestaltete, eine Villa in Kitz. Dort lebte der geschasste Star in Gesellschaft anderer Film-Freigeister dann wieder auf.

Idyll trifft Effizienz: Zehn Seilbahnen gondeln die Gäste Richtung Skierlebnis.
Foto: Sabina Moser

Manfred Hagsteiner, 50, übernahm von seinem Vater Ferdinand zuerst den Friseurladen und dann die erste Häuservermittlung im Ort. Inzwischen finden auf den 58 Quadratkilometern etwa 50 Immobilienmakler ihr Auskommen dank Bau-Boom und fabelhafter Grundstückspreise. So werden für Objekte in Toplagen zwischen 10.000 und 15.000 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Damit hat sich die ehemalige Bergwerksstadt an die Spitze Österreichs katapultiert, nur der erste Wiener Bezirk ist ähnlich teuer.

Gerangel um die besten Lagen: Bis zu 15.000 Euro pro Quadratmeter werden aufgerufen.
Foto: Sabina Moser

Und ein Ende des Goldrauschs ist nicht in Sicht. Hagsteiner erklärt das mit der simplen Rechnung, dass in Kitzbühel die Nachfrage eben immer schneller gewachsen sei als das Angebot, und so "sind in den letzten 30 Jahren die Preise hier jedes Jahr um zehn Prozent gestiegen". Bei aller Globalität findet er dafür seinen Hauptmarkt in Deutschland. "Die jüngere Erbengeneration sieht die Investition auch als Anlage, Kitzbühel ist sicher. Viele waren schon mit ihren Eltern oder Großeltern hier und verbinden positive emotionale Erinnerungen mit dem Ort."

"Positive emotionale Erinnerungen": Eine Skiwiese vor den Toren von Kitzbühel.
Foto: Sabina Moser

Trotz hoher Promidichte verlor die Gemeinde bislang nie wirklich an Bodenhaftung. Wie überall, wo Leben gesund pulsiert, besitzt auch Kitzbühel eine große Fähigkeit, sich zu erholen. Auf das Schaulaufen rund ums Hahnenkamm-Rennen im Jänner und das Tennisturnier im Sommer folgt wie eine andere Jahreszeit ein ruhiger Leerlauf, in dem die Bevölkerung ihre Stadt zurückerobert.

Doch der sozial durchmischte kosmopolitische Nährboden reduziert sich rasant zu einer Monokultur des Luxus-Lifestyle. Seitdem die osteuropäische Geldelite österreichische Szene-Spots von Ischgl bis Lech für ihren Wintersport entdeckt hat, gelten auch in Kitzbühel die Tage rund um Dreikönig, das orthodoxe Weihnachtsfest, als "Russische Woche".

Nicht nur dann breitet sich in den Auslagen der Altstadt funkelnder Protz aus. Weiter draußen tarnen sich wuchtige Holz-Glas-Steinpaläste vergeblich als ausufernde Landhäuser. Die Proportionen sind aus dem Ruder gelaufen, und das betrifft längst mehr als die saalartigen Bauernstuben.

So verschwand ein bei Einwohnern wie Gästen beliebtes, weil günstiges Sportgeschäft an der Hauptstraße und wich einer Boutique, deren Attraktion die berühmten High Heels mit der roten Sohle sind. Das Paar kostet mit über 600 Euro etwa so viel, wie eine Halbtags-Rezeptionistin mit zwei Fremdsprachen im Monat netto verdient.

Die Marke "Kitzbühel" rangiert zwar im Premium-Segment und verkauft sich entsprechend, doch die realen Dienstleister im Fremdenverkehr, ob Skilehrer oder Kellnerin, arbeiten oft für einen Lohn, bei dem sich manche lokale Saisonkraft lieber arbeitslos meldet. Als Gast trifft man derzeit vor allem in Skihütten gern auf sächsisches Personal und kommt sich vor wie im richtigen Film mit falschem Ton. Die neuen Gastarbeiter sind auch noch gut gelaunt dabei, eben solange die Wirkung des "Ich mache Gratis-Skiurlaub in Kitzbühel"-Faktors vorhält.

Feudale Anwesen boomen: Eine der vielen Villen-Residenzen im Ort.
Foto: Sabina Moser

Sie fallen nicht sofort auf, aber es gibt sie, die jungen Einheimischen, die lästige Fragen stellen und Antworten fordern. Es ist kein lautstarker Protest, aber ein geschickter. Im Rathaus regiert eine überwältigende ÖVP-Mehrheit katholisch-konservativ, und von den 19 Gemeinderäten muckt nur einer auf – der dafür ordentlich. Thomas Nothegger, 27, vertritt in seiner Tiroler Heimat seit fast zwei Jahren die "Jungen unabhängigen Kitzbüheler/-innen".

Der studierte Politologe war auch der einzige Gemeinderat, der die Initiative zur Rettung des Schulparks unterstützte. Der lokalen Stadtentwicklung auf Kosten der einheimischen Bürger streut er dafür gezielt Sand ins Getriebe.

Von der Baukostendebatte bis zum Parkplatzproblem, unermüdlich deckt der Neo-Politiker Fakten auf und lässt sich von den eingesessenen Kollegen weder abkanzeln noch einschüchtern. "Ich mag keine Schulterklopfer in der Politik. Der Bürgermeister kann mich ruhig als Wirbelmacher bezeichnen. Wirbel in Kitzbühel ist etwas Gesundes." Er will mithelfen, das schiefe Bild von Kitzbühel wieder zu korrigieren. "Ein junger Mensch erlebt hier eine Scheinwelt von Status und Besitz, Wissen hat einen geringen Stellenwert. Es reicht nicht zu sagen: ‚Ich bin Kitzbüheler.‘"

Gemeindepolitiker Nothegger muckt auf. Bei den Honoratioren kommt das nicht gut an.
Foto: Sabina Moser

Politisch aktiv ist auch die pensionierte Hauptschullehrerin Monika Skowronski. Sie veröffentlicht ihren Frust über Ausrutscher in der Gemeinde regelmäßig in Protestgedichten. "Kitzbühel ist meine Wirkungsstätte, seit ich vor 35 Jahren wieder aus den USA gekommen bin. Als Rückkehrer hat man da vielleicht einen anderen Blick und ist empfindlicher als die, die immer da waren."

Eine, die immer da war, sieht man von den Tourneen als Mitglied der legendären Toni-Praxmair-Volkstanzgruppe ab, ist Fini Sulzenbacher, 71. Ihre Familie gehört zum Kitzbüheler Ski-Adel, aber bekannt ist sie, weil sie weder sich noch andere schont, wenn es um ihre Heimat geht. Ob Denkmalschutz oder Naturbiotop, sie hat als Grüne im Rathaus dafür gestritten, manchmal auch vergeblich. "Wir müssen nicht auf jeden Trend springen und jetzt noch auf Downhill-Bike-Raser setzen, statt brauchbare Radwege aus der Stadt heraus zu bauen."

Vor ihr Haus im Schatten der Streif verirren sich oft Touristen, die die berühmte Abfahrt suchen. Fini zeigt ihnen dann, wo es langgeht. Sie denkt dabei nicht nur an Menschen. "Die Baulücken in Form von Golfplätzen sind nicht das Wahre. Da verschwinden die letzten Weiden im Tal für die Kühe. Deshalb kommen die Leute ja auch, damit man die sieht, Klischee hin oder her."

Will die Heimat nicht zum Klischee verkommen lassen: Fini Sulzenbacher, 71.
Foto: Sabina Moser

Unterdessen ist ein Experte für virtuelles Alpengefühl dabei, "Heimat neu zu definieren". 500 Meter Luftlinie entfernt von seinem Stammsitz in Going errichtet Junior-Stanglwirt Richard Hauser, 43, in Reith den "Kitzbühel Country Club" auf "acht Hektar geistigem Bewegungsraum in erster Lage" mit einem Investitionsvolumen von 50 Millionen Euro. In seinem Forsthaus erläutert der Tourismusprofi in Lederhose und blau kariertem Hemd das Konzept. Während er von Themenfeldern spricht, um die sich der Club aufbauen soll, liegt auf dem Tisch eine Ausgabe der österreichischen "Top 1000 Business People" Auf dem Titelblatt prangt in goldenen Lettern: "Wer oben ist, ist drin".

Folgt man Hausers Ausführungen, dann baut er gerade einen Ort zum Drinsein. Denn der Club wird ab Ende 2012 nur einem "definierten Kreis bestens vernetzter Personen" geöffnet sein, "ganz wie ein elitärer Privathaushalt". Zutritt erhält, wer das Aufnahmekomitee von sich überzeugt, 10.000 Euro Einstiegsbeitrag und jährlich weitere 3.000 Euro zahlt oder geladener Gast ist. Das gebundene kleine Weißbuch des "KCC" trägt den Titel: "Wir sind reich". Inhaltlich verbindet sich darin weichgezeichnete Erholungsfiktion mit gepflegter Snob-Attitüde. Da heißt es gleich zu Beginn: "Wir haben weniger. Das Gefühl pflegen für das Unverfälschte."

Alles für den betuchten Gast: Curling am vereisten Schwarzsee.
Foto: Sabina Moser

Dass alles Mögliche drin sein kann, wo heute "Kitzbühel" draufsteht, und wie sehr Identität mit Sprache zusammenhängt, demonstriert anschaulich "Soko Kitzbühel". In der TV-Krimiserie ermittelt sich ein Duo durch hanebüchen konstruierte Fälle in der Alpen-Upperclass und anderen Niederungen. Dabei bedienen die seichten Plots ohnehin einzig das Zuschauer-Bedürfnis, in angeblich Kitzbüheler Locations mal reinzuschnuppern, quasi als Bildschirm-"Adabei".

Wirklich bemerkenswert ist die Soko, die seit zehn Jahren erfolgreich Quote macht, aber aus einem speziellen Grund: Das Polizeiteam samt Gefolge sowie alle Verdächtigen und sonstigen Auftretenden tun dies mehr oder weniger gekonnt in Wienerischer oder anderer ostösterreichischen Mundart, alternativ auch in bundesdeutschem Zungenschlag. Unwichtig, ob es sich dabei um die Rolle eines Einheimischen handelt. Echtes Tirolerisch, geschweige denn Kitzbüheler Dialekt, wird bei dieser Verbrechensaufklärung nicht gesprochen, auch wenn Kristina Sprenger alias Kommissarin Kofler eine gebürtige Innsbruckerin ist.

In der kleinen, feinen Einkaufsstraße unterhalb der Hahnenkamm-Talstation steht Franz Prader, 76, jeden Tag an seinem großen Ladentisch und macht mit der Kreide ein paar rasche Striche auf das Stück Stoff vor ihm. Der Grandseigneur der heimischen Maßkonfektion ist ein feiner Beobachter des Treibens in und vor seinem Geschäft.

Mit der Gelassenheit von Menschen, die niemandem mehr den Wert ihrer Ware oder ihres Könnens beweisen müssen, bringt er sein Kitzbühel-Gefühl auf den Punkt. "Das Tal ist von Gott gesegnet. Gemütlich ist es hier, die Menschen sind frei, denen ist es eigentlich wurscht, was der andere hat." Der ungebremste Verkauf an Bestzahlende missfällt ihm allerdings auch. Wie immer sieht er die Sache positiv. "Wir haben Glück, oberhalb von 900 Metern darf nicht mehr gebaut werden." Das heißt, der Blick in den Himmel bleibt frei, doch bei einer Lage auf 761 Metern lässt das nicht mehr allzu viel Spielraum.

Die Aktien dieses "Investmentfonds Kitzbühel" erleben gerade eine Hausse, stehen sie doch für ein Stückchen heile Welt. Darin beherrscht die jodelnde Rosi auf ihrer Sonnbergstuben die lukrative Illusion von Alpenromantik genauso gut wie der Hansi mit seinem ewigen Versprechen von Liebe, Sonnenschein und Glück. Dabei ist das Echte immer zum Greifen nah. "Kitzbühel ist so einmalig", schwärmt Lisbeth Haderer, "wenn man ein Stück oben steht und runterschaut ins Land. Die Farben des Lichts, wenn man in der Früh zum See fährt und noch keine Leute da sind, dafür der Dampf aufsteigt und über dem Wasser schwebt."

Kitzbühel: Für die einen Heimat, für die anderen ewiges Versprechen.
Foto: Sabina Moser

Susanne Wunderer findet ihr Kitzbühel auf abgelegenen Bergpfaden und auch unten im Tal. "Wir sind schon ein besonderer Schlag und können gut mit Menschen umgehen." Sie will sich weiter einmischen, denn Heimat wird einem erst einmal geschenkt, später muss man was dafür tun. Wahrscheinlich auch all die Gegensätze dort in sich selbst vereinen. Das Schlichte mit dem Protzigen versöhnen, das Alte mit dem Neuen, das Original mit der Kopie. Kitzbühel war immer schon ein neugieriger Ort, darin liegt vielleicht auch eine Chance. (derStandard.at, Fotos: Sabina Moser, 17.2.2012)