Neuer News-Boss Axel Bogocz.

Foto: STANDARD/Urban

"Politiker haben tatsächlich eine Veröffentlichungspflicht": Bogocz über das Positive an der Transparenz, verkannte Auswirkungen und spürbare Verunsicherung öffentlicher Werbekunden

STANDARD: Sie sind seit einem knappen halben Jahr an der Spitze der österreichischen Verlagsgruppe News - ein Kulturbruch zu ihren rund 25 Jahren Erfahrung in der deutschen Medienbranche?

Bogocz: Ich komme aus einem vertriebsorientierten Marktsegment in Deutschland, wo rund 70 Prozent der Einnahmen von Magazinverlagen aus Verkaufserlösen stammen. Die Verlagsgruppe News ist viel stärker werbeorientiert, mit grob 70 Prozent der Umsätze aus diesem Bereich. Das ist ein Wechsel der Perspektive.

STANDARD: Womöglich auch ein Wechsel zwischen nationalen Mentalitäten.

Bogocz: Die zu beurteilen reichen fünf Monate nicht. Ich habe auf die Frage, wann ist man angekommen, gescherzt: vielleicht in drei Jahren. 

STANDARD: Da läuft ihr heutiger Vertrag wohl schon wieder aus.

Bogocz: Da darf ich Sie beruhigen. Das ist weder für mich noch für die Firma ein Stichtag. Aber eines kann ich vielleicht schon sagen: In Österreich ist es sicher einfacher, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, auf allen Ebenen. Nicht nur in der Werbekundschaft, ich habe sehr viele persönliche Gespräche auch mit Ministern geführt.

STANDARD: Apropos: Gespräche mit Ministern über Werbeschaltungen?

Bogocz: Das war nicht der Gegenstand von Kennenlern-Gesprächen. 

STANDARD: Das würden manche andere Verleger aus Österreich vielleicht anders sehen. Deshalb gibt es nun ja auch ein sogenanntes Transparenzgesetz, das öffentliche Stellen und Firmen verpflichtet, ihre Schaltungen ab Herbst offenzulegen.

Bogocz: Für uns hat das eine untergeordnete Bedeutung. Wir partizipieren nicht so sehr an diesem Werbekuchen wie vielleicht einige andere Marktpartner.

STANDARD: Nach unserem Eindruck spielt oder zumindest spielte einmal politiknahe Werbung eine wesentliche Rolle in Ihrer Verlagsgruppe.

Bogocz: Im Vergleich aller Medien ist das sehr überschaubar.

STANDARD: Dann könnte Ihnen das Transparenzgesetz relativ egal sein.

Bogocz: Das Bestreben des Zeitungsverbandes, für Transparenz zu sorgen, ist anzuerkennen. Schließlich geht es darum, was mit Steuergeld passiert. In Deutschland prüft der Bundesrechnungshof genau, wie Werbegelder öffentlicher Institutionen vergeben werden. Ich glaube aber, der Zeitungsverband hier hat sich in den Auswirkungen verschätzt. Ziel dürfte gewesen sein, dass die Politik ihre Werbeausgaben nicht alleine auf einige Boulevardmedien konzentriert. Aus der Perspektive von Entscheidern ist es aber leichter zu rechtfertigen, sie müssten Menschen in der Masse erreichen, und da bieten sich reichweitenstarke Medien an. Zudem beobachten wir gerade eine gewisse Zurückhaltung und Unsicherheit der Entscheider. Sie wissen nicht, wie sie mit dem Gesetz und seinen Auswirkungen umgehen sollen. Werbung ist in diesem Zusammenhang in ein schlechtes Licht geraten. Ich bin völlig gegenteiliger Meinung: Politiker haben tatsächlich eine Veröffentlichungspflicht, was da passiert und was sie eigentlich tun.

"Autos werden wir nicht verkaufen": Bogocz über das verhalten angelaufene Jahr 2012, neue digitale Geschäftsfelder für Frauen, Autos und Wirtschaft und die Frage, wie viele Male sich eine Ausgabe "News" und "profil" über das iPad verkauft (im Schnitt unter 200)

STANDARD: Zurückhaltend wirbt zu Beginn 2012 nicht nur die Politik, im Monat Jänner dürfte es für viele Medien nicht so gut gelaufen sein. 

Bogocz: Absolut, ja.

STANDARD: Ihre Erwartungen für 2012 an die Werbewirtschaft?

Bogocz: Erwartungen sind natürlich immer groß ...

STANDARD: Präziser: Ihre Einschätzung der Werbekonjunktur?

Bogocz: Marketing und damit auch Werbung und Medien sind ein Frühindikator für die generelle Konjunktur. Hier wird in einem Krisenszenario relativ schnell gespart. Wir spüren seit dem letzten Quartal 2011 eine Zurückhaltung der werbetreibenden Wirtschaft, speziell von Finanzdienstleistern, Versicherungen.

STANDARD: Was nicht ganz überrascht.

Bogocz: Ganz klar. Prognosen sind grundsätzlich schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. (lacht) Aber ich bin grundsätzlich für 2012 vorsichtig optimistisch. Wir glauben, dass wir dieses Jahr ein leichtes Anzeigenwachstum schaffen. Das ist auch eine Frage der Kreativität.

STANDARD: Also neue Inseratenumfelder ...

Bogocz: ... neue Geschäftsfelder sind kreativer. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir unser Geschäft die nächsten zehn Jahre so fortführen können, wie wir es bisher getan haben.

STANDARD: Ihr Vorvorgänger Oliver Voigt hat diese neuen Geschäftsfelder gepredigt. Wenn der Verkauf von Schrauben Geld bringt, dann verkauft er auch Schrauben. Heute verkauft er mit "Österreich" Autos oder jedenfalls Abo-Leasing-Kombinationen.

Bogocz: Autos werden wir nicht verkaufen, sonst wären wir ja Autoverkäufer und nicht Journalisten geworden. Aber als Teil einer Gesamtstrategie spielt dieser Bereich von Transaktionsgeschäften schon eine wesentliche Rolle. Die Aufgabe lautet: Wo kann man journalistische Kompetenz mit dem Angebot koppeln? Was verträgt sich mit der journalistischen Grundidee, mit einer Kenntnis der Märkte und der Leute, und wie weit kann das gehen? Das Magazingeschäft läuft gut, wir haben überragende Marktanteile, decken die relevanten Zielgruppen ab, jetzt müssen wir sehen, wie wir auf der Basis weitergehen. Wenn "Woman" sich mit Beauty und Style beschäftigt, liegt der Schluss nahe, Schnittstellen zu schaffen zu Leuten, die Mode oder Beauty verkaufen, gerade im Digitalgeschäft. 

STANDARD: Gerade in diesem Feld, digitalen Medien, liegt die Verlagsgruppe zurück.

Bogocz: Im Digitalgeschäft haben wir sicher Nachholbedarf. Wir sind gut gestartet, stagnieren heute aber gegen den Markttrend. Das will ich so nicht akzeptieren.

STANDARD: Und was tun?

Bogocz: Zwischen den Printredaktionen und Online gab es bisher zu wenig Schnittpunkte. Das werden wir deutlich verstärken. Wir werden in den werbewirtschaftlichen Kernmärkten - Frauen, Wirtschaft, Autos - Digital-Projektmanager in die Printredaktionen setzen als Bindeglied zwischen Print und Online. Die Networld wird sich vorwiegend um news.at kümmern, Know-how-Träger sein als Technologiezentrum. Und in den Titeln selbst müssen wir das vorhandene Zielgruppen-Know-how besser nützen. Es kann ja nicht sein, dass wir mit "Woman" absoluter Marktführer sind und diesen Zugang zu den Leserinnen nicht online gleichzeitig spielen können.

STANDARD: Aber praktisch alle Redakteursverträge sind bisher auf Print ausgerichtet.

Bogocz: Das ist jetzt vielleicht ein österreichischer Zugang: Natürlich kann ich auf Vertragsbasis diskutieren. Ich beobachte gerade bei jüngeren Mitarbeitern unabhängig von ihrer kollektivvertraglichen Situation einen großen Drang in die neuen Medien. Ich sehe hier eine positive Grundstimmung. Dieses Momentum muss man nutzen. Zeitschriftenlayouter interessieren sich für die neuen Möglichkeiten, Medien etwa für das iPad zu gestalten. Ob man das immer in Verträge fassen muss ... 

STANDARD: Weil Sie das iPad angesprochen haben: Sie haben vor einem Jahr "News" gestartet, "profil" ebenfalls 2011 ...

Bogocz: ... sowie im Dezember eine kleine Anwendung von "autorevue", und wir arbeiten gerade an einer plattformunabhängigen Applikation für "tv media". Das ist ein relativ einfacher Programmguide.

STANDARD: "profil" und "News" sind ja schon kostenpflichtig. Sind Sie da schon in den dreistelligen Zahlen?

Bogocz: Meinen Sie die Downloads oder die Erlöse?

STANDARD: Bezahlte Downloads pro Ausgabe.

Bogocz: Wir haben mit "News" seit einem Jahr rund 10.000 kostenpflichtige Downloads und mit "profil" seit Juli 2011 etwas weniger. Beide Titel bekommen von rund 72 Prozent der Käufer vier oder fünf Sterne im iTunes Store. Die Erlöse aus diesem Bereich sind im Vergleich mit unserem Kerngeschäft relativ überschaubar. Aber sie sind gut gestartet und die Zahlen bei anderen Titeln deutlich zurückhaltender.

"Wäre alles nur Zuckerschlecken, bräuchte man doch keine Manager", und ohnehin wäre es "viel zu spät, es mir anders zu überlegen": Bogocz über das "deutlich schlechtere" Ergebnis 2011, die "gewisse Lähmung" bei Personalwechseln und die "anstrengende Position" des Marktführers

STANDARD: Gehen wir noch einmal zurück zum Gesamtbild: Nach meinen Informationen hat die Verlagsgruppe News 2010 ein Ergebnis von knapp 22 Millionen Euro geschafft. 2011 soll es um rund 40 Prozent auf 13, 14 Millionen eingeknickt sein, gerade an der Zehn-Prozent-Marge, die Mutter Gruner+Jahr als Mindestwert vorgibt. Jedenfalls zum Teil dürfte das daran liegen, dass der Geschäftsführer gleich zweimal binnen weniger Monate getauscht wurde ...

Bogocz: Ihre Zahlen kommentiere ich nicht, nur so viel: Unser Ergebnis hat sich im letzten Jahr deutlich schlechter dargestellt als im Rekordjahr 2010. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Natürlich bedeuten personelle Neuorientierungen für Unternehmen immer eine gewisse Lähmung, bis die künftige Strategie klar ist. Das wirkt sich auf alle Bereiche aus, vielleicht auch auf den Werbemarkt. Aber wir haben auch extrem investiert: in den Relaunch von news.at, in die optische Überarbeitung von "News" mit einer begleitenden Werbekampagne im siebenstelligen Bereich, in die iPad-Versionen von "News" und "profil" und eine Vielzahl von Marketingmaßnahmen im Umfeld von "10 Jahre Woman".

STANDARD: Im Vorjahr hat die Unternehmensberatung Schickler, noch im Auftrag Ihres Vorgängers Matthias Schönwandt, der nun zu Schickler geht, die Verlagsgruppe analysiert. Haben sie noch Optimierungspotenzial gefunden?

Bogocz: Ich möchte mit einem allgemeinen Vorurteil aufräumen: Wenn Unternehmensberater ins Haus kommen, geht es eben nicht ausschließlich darum, Kosten zu reduzieren und Personal abzubauen. Das müsste jeder Medienmanager schon ganz gut selbst beherrschen. Dazu brauche ich keine Unternehmensberatung. Schickler hat gute Impulse geliefert, wie man etwa den Onlinebereich aufstellt. Aber grundsätzlich: Solche Papiere sind nicht Gesetz. Ich bin schon mit einer sehr konkreten eigenen Vorstellung hierhergekommen.

STANDARD: Das Projekt ist aber abgeschlossen - oder kommt Ihr Vorgänger als Neuzugang bei Schickler nun als Berater wieder in die Verlagsgruppe?

Bogocz: Nein, die Zusammenarbeit mit Schickler ist abgeschlossen. 

STANDARD: Sie haben von Ihrer konkreten Vorstellung gesprochen. Als Sie im Frühsommer, Sommer 2011 gefragt wurden, ob Sie die Verlagsgruppe News führen wollen: Haben Sie sich Ihren Job so vorgestellt - und wurde er Ihnen so vorgestellt -, wie er sich nun anfühlt?

Bogocz: Die Außen- und die Innensicht sind immer zwei Perspektiven. Ich bin schon zu lange im Mediengeschäft, um eine romantische Vorstellung zu entwickeln, wie etwas in einem anderen Ländermarkt funktioniert. In 25 Jahren im Mediengeschäft hat man schon eine Menge gesehen und eine Menge Erfahrung gesammelt. Dann hat man sehr konkrete Vorstellungen über die Organisation, in welchen Feldern ein Verlag tätig ist, wie erfolgreich. Da gibt's keine Überraschungen, weder positive noch negative. In der Außensicht können Sie sich aber kein Urteil erlauben, in welcher Art hier Geschäfte betrieben werden, über die Qualität der Journalisten, und ob die Kostenstruktur, die Organisation optimal sind. Dafür muss man erst einmal drinsitzen. Und dann müssen Sie entscheiden: Ist das ein Weg, den ich weiter so gehen möchte, oder könnte das anders auch besser funktionieren? Alles, was hier gemacht worden ist, ist gut, ist erfolgreich gemacht worden. Es gibt keine grundlegenden Überraschungen für mich. Was mich an der Aufgabe reizt, ist eine überragende Marktposition. Ich habe immer für Marktführer gearbeitet. Das ist eine sehr schöne, aber auch sehr anstrengende Position. Der Marktführer muss zugleich Meinungsführer, Leistungsführer, Qualitätsführer und heute auch Kostenführer sein. Wir treiben hier den Markt der Zeitschriften in Österreich. Das wird auch so bleiben.

Ich glaube, dass uns diese Position erlaubt, auch in anderen Feldern erfolgreicher zu sein, als wir es jetzt sind. Über die Jahre findet eine Veränderung statt, der man als Medienmanager begegnen muss. Entweder ich muss in meinen Produkten attraktiver sein oder ich muss mir Gedanken über neue Produkte machen oder über Erlösströme, die nicht so sehr von der Werbewirtschaft abhängen und so weiter. Es gab eine Zeit, da floss im Jugendmarkt wahnsinnig Geld in Handy-Klingeltöne. Da hat jemand ein Bedürfnis erkannt und abgeholt. Das heißt, wir müssen in der journalistischen Arbeit noch genauer hinschauen: Was sind die Lebenswelten meiner Leser, was bewegt die Leute? Und wie kann ich sie mitbewegen darin?

STANDARD: Vielleicht etwas drastisch formuliert, aus Ihren Überlegungen etwa zur Position des Marktführers abgeleitet: Haben Sie da nicht einen Job, in dem Sie nur verlieren können?

Bogocz: Überhaupt nicht. Genauso überspitzt formuliert: Viel zu spät, um es mir anders zu überlegen. (lacht) Das ist doch, was Managementaufgaben ausmacht. Wäre das alles nur Zuckerschlecken, bräuchte man doch keine Manager. Sie brauchen Leute, die ein relativ dickes Fell mitbringen, Kritik aushalten, annehmen und in positive Energie umsetzen. Das ist eine Schlüsselqualifikation wohl jeder Führungskraft.

"Jemand hat in der Vergangenheit sehr bewusst falsche Zahlen an die ÖAK gemeldet": Bogocz über seine CSI Auflagen, die "über Jahre" um zwei bis 30 Prozent pro Titel zu hohe Daten an die ÖAK feststellte, die neue Korrektheit und Konsequenzen

STANDARD: Sie sagten, es gebe kaum Überraschungen, wenn Sie einen neuen Job antreten. Als Sie zur Verlagsgruppe News kamen, gab es wohl aber doch eine: Sie haben vorige Woche die Führung der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) informiert, dass Sie ab sofort, auch schon für das zweite Halbjahr 2011, deutlich niedrigere Einzelverkaufszahlen als bisher melden. Vermutlich haben Sie nicht auf einen Schlag reihenweise Käufer verschreckt - weshalb also der Schwund?

Bogocz: Wenn man in einem neuen Job startet, macht man eine Bestandsaufnahme. So haben das mein neuer Kollege in der Geschäftsführung, Ekkehard Veser, und ich auch gemacht. Auch im Vertrieb, der mit Angela Schuh-Haunold eine neue Führung hat. Ich bringe aus einem Vertriebsmarkt besondere Kenntnisse, ein besonderes Gefühl für den Vertrieb mit. Bei der Bestandsaufnahme fiel auf, dass über die letzten Jahre teilweise deutlich überhöhte Auflagen gemeldet wurden. 

STANDARD: Wann haben Sie davon Kenntnis erlangt? Der frühere Vertriebschef Werner Topf ging jedenfalls kurz nach ihrem Dienstantritt bei News im September 2011 zu "Österreich".

Bogocz: Wir mussten eine Weile nach der Ursache forschen und haben entdeckt: Jemand hat in der Vergangenheit sehr bewusst falsche Zahlen an die ÖAK gemeldet. In der Sekunde, als uns das klar geworden ist, haben wir das sofort abgestellt und Kontakt mit der ÖAK aufgenommen. Wir werden also mit unserer aktuellen Meldung für die ÖAK, die am 24. Februar veröffentlicht wird, deutlich geringere Auflagen angeben und gleichzeitig frühere Meldungen korrigieren.

STANDARD: Welche Titel betrifft das? 

Bogocz: Alle zehn in der ÖAK gemeldeten Titel.

STANDARD: Und was bedeutet in dem Fall "deutlich geringere" Verkaufszahlen?

Bogocz: Nach unseren Berechnungen je nach Titel zwischen zwei und 30 Prozent. Über den ganzen Verlag betrachtet macht das rund elf Prozent der Verkaufsauflage aus.

STANDARD: Und bei welchen Titeln haben die bisherigen Meldungen um gleich 30 Prozent übertrieben?

Bogocz: In der Tendenz betrifft das die größeren Titel etwas weniger, die kleineren mehr. Man kann kein System ablesen.

STANDARD: Der oder die Verantwortliche war vermutlich ein Mitarbeiter des Verlags?

Bogocz: Bitte haben Sie Verständnis, dass ich keine Namen nenne. Ich darf das schon aus rechtlichen Gründen nicht. Ich möchte es auch nicht lokalisieren.

STANDARD: Vermutlich wird niemand aus Jux und Tollerei in einem Verlag sitzen, falsche Auflagen melden und das niemandem sagen, oder? 

Bogocz: Für mich ist die Motivation nicht erkennbar. Im Anzeigenmarkt verkaufen wir ausschließlich auf Basis der Reichweiten. Das heißt, unsere gesamte Preisgestaltung stellt auf Leserzahlen ab. Diese Reichweiten sind von diesem Vorfall in keiner Weise betroffen. 

STANDARD: Es würde doch überraschen, wenn ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin das ohne Wissen und Auftrag von Vorgesetzten tut.

Bogocz: Das wäre für mich auch überraschend. Aber ich habe keine Anhaltspunkte über die Befehlskette, wer da in welcher Form agiert hat. Wir können sagen: Das ist passiert, es ist umgehend abgestellt worden, und wir melden ab sofort Zahlen, die den ÖAK-Richtlinien entsprechen.

STANDARD: Haben Sie Ihre Vorgänger gefragt, ob sie das angeschafft haben?

Bogocz: Nein.

STANDARD: Die höheren Verkaufszahlen rühren nach unseren Informationen von Scheinkäufen, also von der Verlagsgruppe oder Mitarbeitern selbst getätigten Käufen von Exemplaren.

Bogocz: Sie werden verstehen, dass ich hier keine Anleitungen für Nachahmer liefern möchte.

STANDARD: Können Sie mir sagen, seit wann das passiert ist?

Bogocz: Ich kann Ihnen in der Tat nicht genau sagen, seit wann das genau passiert ist. Wir haben aber mit der ÖAK vereinbart, dass wir unsere Meldungen bis zum zweiten Halbjahr 2010 zurück korrigieren, um verlässliche Vergleichszahlen auf Jahresbasis vorzulegen.

STANDARD: Wenn Sie bis ins Jahr 2010 zurück korrigieren, war das wohl nicht der wahre Grund, warum Ihr Vorgänger Matthias Schönwand gehen musste. Der übernahm ja erst 2011 die Führung der News-Gruppe von Oliver Voigt.

Bogocz: Nein. Wenn es so wäre, wären die Daten ja schon früher nach unten korrigiert worden. Schönwandt ist, wie das 2011 kommuniziert wurde, über die Verhaltensregeln von Gruner+Jahr für Geschenke an Kunden gestolpert. Entdeckt, aufgeklärt und abgestellt wurde diese ÖAK-Praxis in meiner Amtszeit. So etwas kann ich überhaupt nicht akzeptieren.

STANDARD: Waren Sie, vielleicht eine Zehntelsekunde, versucht, die bisherige Praxis fortzuführen?

Bogocz: Nicht einmal eine Tausendstelsekunde, nein. Das widerspricht meinen persönlichen Prinzipien. Jeder Mensch hat seine persönliche Ethik. Und zum Zweiten hat das auch mit einer Ethik in der Unternehmensführung zu tun.

STANDARD: Hat das auch rechtliche Konsequenzen? Womöglich steuerrechtliche?

Bogocz: Wir haben dazu noch keine abschließende Meinung. Wir sind immer noch dabei, das in allen Dimensionen zu überprüfen. 

STANDARD: Da fliegt ein Unternehmenschef, weil er intern laut darüber nachdenkt, dass er einem Kunden iPads schenken könne. Und andererseits gibt es im selben Verlag Menschen, die Auflagen fälschen oder fälschen lassen. Da müsste es doch auch Konsequenzen geben.

Bogocz: Das ist so. Daraus, dass ich Leute hier nicht namentlich nenne, möchte ich nicht abgeleitet wissen, dass da keine Konsequenzen passieren oder schon passiert sind.

STANDARD: In der ÖAK sitzen insbesondere auch Menschen aus Agenturen. Wie waren die ersten Reaktionen?

Bogocz: Gerade diese Experten wissen, dass die Werbepreise auf der Basis von Reichweiten erstellt sind. Die kann man so in keiner Weise beeinflussen. Wir versuchen nun in der ÖAK mitzuhelfen, den Prüfprozess so zu verfeinern, dass solche Dinge generell nicht mehr passieren.

"Wäre das für uns ein Abschreibungskandidat, würden wir bei Gott nicht so viele Mittel und Anstrengungen investieren, um das Produkt weiter nach vorne zu bringen. Wir sehen Substanz in diesem Titel": Bogocz über den optischen Relaunch und die nächsten Reformanstrengungen für "News". Und wie er über den kolportierten Dreh des Magazins vom deutlich positiven zum weit negativen Ergebnis schweigt.

STANDARD: Stichwort Reichweiten: Im März kommen die Daten der nächsten Media-Analyse. Wir hören von der Erwartung, dass "News" eine Reichweite von unter neun passieren könnte. Das Heft erodiert seit Jahren, von den Spitzenwerten wie 19,7 und dann 19,3 Prozent im Jahr 2000. Wo wird es mit einem breiten Anspruch auf das österreichische Generalmagazin dann langsam kritisch?

Bogocz: Diese Zahlen kann ich nicht kommentieren. Aber grundsätzlich: Wäre das für uns ein Abschreibungskandidat, würden wir bei Gott nicht so viele Mittel und Anstrengungen investieren, um das Produkt weiter nach vorne zu bringen. Klar ist: Wir sehen Substanz in dem Titel. Er ist Namensgeber für dieses Haus und wird es weiter bleiben. Wir haben uns in einem ersten Schritt 2011 primär um die Optik gekümmert, um die Heftstruktur, da kam ich gerade und war nur am Rande beteiligt.

Mein Anspruch ist, nicht nur an News: Jeder Chefredakteur, jeder Medienmacher muss sich ständig einem Reality Check unterziehen. Man muss sich ständig fragen: Ist, was ich hier tue, das, was die Leute von mir erwarten? Bin ich weiterhin derjenige, der die Themen setzt? Oder begleite und beobachte ich nur die Entwicklungen? Marktforschung ist ein richtungsweisendes Instrument für Blattmacher. Wir haben im Dezember bei "News" ein paar Sitzungen mit focus groups gemacht. Es ist schon interessant, wie das Markenbild von "News" aussieht, was von "News" erwartet wird, was das in der Umsetzung bedeutet, wie man darauf reagieren muss. Das weist uns den Weg für "News", daran werden wir in diesem Jahr weiter arbeiten. Es ist nicht damit getan, dass wir dem Titel ein neues Layout verpasst haben, neue Schriften erfunden und die Rubrikenfarben geändert haben.

"News" hat jetzt sehr kraftvolle Bildwelten, das wird anerkennend wahrgenommen im Markt. Aber es geht auch darum, dass der Titel wieder eine größere Relevanz erreicht. Das ist schwierig, zugegeben, wenn Sie von Schlierenzauer bis Super Bowl, von Schuldenbremse bis Damaskus alles abbilden wollen - jede Woche. Da müssen Sie sich auf Ihre Stärke konzentrieren, und die liegt ganz klar auf dem österreichischen Markt. In der Innenpolitik sind wir nicht schlecht, aber die Leute interessiert eben ein breiteres Spektrum. Intern habe ich als Parole für "News" ausgegeben: Darüber spricht Österreich. Das müssen wir so gut abbilden, dass Österreich auch über uns spricht.

STANDARD: Sie haben von der Anforderung gesprochen: Was bewegt den Leser? Haben Sie das Gefühl, "News" weiß und tut das derzeit?

Bogocz: Wir bewegen den Leser sehr stark auf der innenpolitischen Seite. Wir sind mit Kurt Kuch sehr stark auf der investigativen Achse.

STANDARD: Für den ist sein Arbeitsplatz möglicherweise sogar ein Handicap, hört man in der Branche: Wäre der bei "profil", hätte seine Arbeit womöglich merklich mehr Aufmerksamkeit.

Bogocz: Selbstkritisch angemerkt: Das hat natürlich auch mit der Präsentation zu tun. Welches Gewicht gebe ich Geschichten? Mit welcher Power bringe ich die nach draußen? Alle Blattmacher müssen wissen: Was ist mein Konzept, mit welcher Geschichte verkaufe ich das Heft, wofür stehe ich, und bediene ich das jede Woche mit meinen Inhalten, stelle ich das auf dem Cover richtig dar? Das ist unsere Zwei-Sekunden-Chance am Kiosk. Wir leben nicht mehr in der angenehmen Situation, wo die Menschen blind unsere Produkte kaufen.

STANDARD: Sind meine Informationen korrekt, dass die "News"-Ausgabe unlängst mit dem Smiley-Cover am 5. Jänner (25 Promis sagen, warum 2012 nicht so schlimm wird) das schlechtestverkaufte Heft aller Zeiten war?

Bogocz: Traditionell ist das Heft, das um den Jahreswechsel erscheint, bei Wochenmagazinen nicht das Rekordheft. Das liegt allein schon an den Feiertagen, wo keiner ein Heft kaufen kann. Aber wenn Sie mich als Herausgeber fragen: Ich habe schon bessere "News"-Cover gesehen.

STANDARD: Nach unseren Informationen kippte das Ergebnis des Magazins "News" von einem deutlich positiven Millionenbetrag in einen noch deutlicher negativen Millionenbetrag.

Bogocz: Ich weiß nicht, woher Ihre Informationen stammen. Ich kann nur für das Haus sprechen. Sie kennen unsere Haltung dazu: Wir veröffentlichen oder kommentieren einzelne Zahlen nicht.

STANDARD: Auch die Entwicklung von positiv auf negativ kommentieren Sie nicht?

Bogocz: Ich würde es anders formulieren: Wir versuchen, an der positiven Entwicklung zu arbeiten.

STANDARD: Ich meinte die wirtschaftliche Entwicklung.

Bogocz: Ich werde Ihnen da nicht in die Falle gehen.

STANDARD: Mit der redaktionellen Führung von "News" sind Sie zufrieden?

Bogocz: Wenn das nicht so wäre, können Sie davon ausgehen, dass man das korrigieren würde.

STANDARD: Vielleicht macht man das nicht in den ersten Wochen. Ich lese aber heraus: Sie sind zufrieden.

Bogocz: Ich bin zufrieden mit der Art und Weise, wie wir da im Moment aufgestellt sind.

STANDARD: Sie waren einmal Ressortleiter für Aktuelles bei der "Bunten". Was bringen Sie aus der eigenen Erfahrung mit an Tipps für "News"?

Bogocz: Ganz grundsätzlich: Mir hilft in dem Job, auch in der Diskussion mit Chefredakteuren, dass ich einmal auf der anderen Seite gesessen bin. Ich glaube, ich bin deshalb nicht ganz so leicht zu ertragen. Aber es hilft andererseits, wenn man über Konzepte spricht.

STANDARD: Als Fazit: Der Relaunch 2010 war der Anfang eines längeren Prozesses, nun geht es an die Inhalte, die Positionierung.

Bogocz: Positionierung ist ein ganz wichtiges Thema. Sie können so ein Heft auch nicht in drei Monaten drehen. Möglicherweise werden wir auch noch bei der nächsten Media-Analyse in einem halben Jahr ein leichtes Minus ertragen müssen. Das ist Work in Progress, wir arbeiten daran. Und ich bin ganz guter Dinge, dass wir das wieder deutlich erfolgreicher und relevanter hinstellen können, als das vielleicht im Moment der Fall ist.

"Ich finde die Leistung angesichts der Größe der Mannschaft sehr beachtlich": Bogocz über seinen Stolz auf "profil" - und warum man seine "Hochachtung" für die im Vergleich zu anderen Nachrichtenmagazinen kleine Redaktion nicht mit Mitgefühl verwechseln sollte

STANDARD: Gehen wir noch die größeren Hefte Ihres Hauses durch: Mit "profil" sind Sie zufrieden, das bei 1,5 Millionen Plus liegen dürfte?

Bogocz: Ich argumentiere noch einmal von der journalistischen Seite. Wir sind im zehnten Jahr in Folge "Magazin des Jahres" mit "profil". Wir haben sehr, sehr gute Leute da. Und aus der Sicht des Verlagsmanagements: Ich finde die Leistung angesichts der Größe der Mannschaft sehr beachtlich. Wenn Sie das mit deutschen Redaktionen vergleicht: Das steht in keinem Verhältnis. profil ist relevant, ist unbequem, aktuell, exklusiv - es bedient viele Dimensionen, die für den Erfolg wichtig sind. "profil" hat es nicht immer leicht, auch bei Werbekunden. Aber es ist ein herausragendes Produkt dieses Hauses. Und darauf bin auch ich nach nur fünf Monaten schon ein klein wenig stolz.

STANDARD: Auch wirtschaftlich sind Sie zufrieden damit?

Bogocz: Absolut.

STANDARD: Sie sind der erste Chef der Verlagsgruppe News, der ungefragt Mitgefühl äußert für die Kleinheit der "profil"-Redaktion.

Bogocz: Was Sie als Mitgefühl herausgehört haben, ist Hochachtung. Nicht zu sagen, als Nachrichtenmagazin brauchen wir einen Korrespondenten in Singapur, in Washington und in New York, und wenn der oder die mal nicht da sind, brauch' ich natürlich noch einen Stellvertreter. Das sind Dimensionen und Strukturen, die Sie auch heute noch manchmal in deutschen Redaktionen beobachten. 

STANDARD: Der "Spiegel" dürfte so 250, 300 Menschen beschäftigen, die journalistische Aufgaben erledigen. "profil" hat vielleicht 20, 25.

Bogocz: Nein, bei "profil" sind wir um die 30 Leute. Das spiegelt auch die unterschiedlichen Marktgrößen zwischen Deutschland und Österreich wider.

STANDARD: Wäre nicht "profil"-Herausgeber Christian Rainer auch ein guter "News"-Chef?

Bogocz: Müssen Sie Christian Rainer fragen. Ich stell' mir die Frage nicht.

"Dinge, die für uns kein Geld abwerfen, werden wir nicht machen" und "Wir sind nicht dazu da, nur an Wirtschaftskreisläufen teilzunehmen. Wir wollen ja auch Profit damit erzielen." Aber keine Sorge, "Format" und "trend": Deren Fusion zu einem Titel fände Bogocz "grundverkehrt". Eine gemeinsame neue Chefredaktion (Andreas Lampl und Andreas Weber) sowie ein gemeinsames Portal im Internet findet der Boss aber goldrichtig - und "gemeinsame Teams, wo es sinnvoll ist" und die Qualität hebe. Apropos: Eine Zentralredaktion für den News-Verlag nennt Bogocz ein "Gespenst".

STANDARD: Sie haben mit Andreas Lampl einen gemeinsamen Chefredakteur für "trend" und "Format". Die Chefredaktion dort dezimiert sich gerade mit dem Abgang von Stefan Klasmann zum Flughafen Wien. Wer macht dort künftig die Hefte?

Bogocz: Der Wirtschaftsbereich ist für uns extrem interessant. "trend" und "Format" werden im Laufe dieses Jahres von uns mit hoher Aufmerksamkeit bedacht. Wir bauen den Onlinebereich auf und aus. Da werden wir deutlich mehr Energie hineinstecken. Wir werden auch in diesem Bereich einen Projektmanager haben als Bindeglied zwischen der Onlinewelt und der Printwelt. Und wir stellen die Magazine "trend" und "Format" unter eine gemeinsame Chefredaktion, Andreas Lampl und Andreas Weber. Lampl kümmert sich in dieser Chefredaktion mehr um den "trend", Weber mehr um "Format". Wir wollen die Titel damit auch eigenständiger positionieren: Der "trend" als Monatsmagazin geht weg von aktualitätsbestimmten Geschichten, widmet sich eher größeren, globalwirtschaftlichen Zusammenhängen, größeren Porträts, die eine oder andere Servicegeschichte. "Format" als nachrichtengetriebenes, schnelles wöchentliches Wirtschaftsmagazin.

STANDARD: Immer wieder wird spekuliert: Sollte man daraus nicht ein Heft machen, wo beide sich gerade um die schwarze Null bewegen sollen?

Bogocz: Das sind Ihre Mutmaßungen. 

STANDARD: Grobe Schätzungen.

Bogocz: Gehen Sie von einem aus: Meine Grundposition lautet: Dinge, die für uns kein Geld abwerfen, werden wir nicht machen. Natürlich haben Sie eine Anschubphase, wenn Sie mit etwas Neuem starten. Aber ab dem Tag X, und der ist in der Regel nach zwei Jahren, muss das Geld verdienen. Wir sind nicht dazu da, nur an Wirtschaftskreisläufen teilzunehmen. Wir wollen ja auch Profit damit erzielen.

STANDARD: Vor dem Hintergrund nochmals: Es gab immer wieder Spekulationen, aus "trend" und "Format" ein Heft zu machen.

Bogocz: Fände ich grundverkehrt. Es gibt genügend Beispiele für funktionierende Monatsmagazine, die auch eine eigenständige Positionierung aufbauen können. "trend" ist ein alter, sehr gut verankerter Titel. Er hat eine andere Funktion.

STANDARD: Schließen Sie aus, daraus ein Heft zu machen?

Bogocz: Das schließe ich aus. Wie soll das heißen? Trefo? (lacht)

STANDARD: Online sollen die beiden Titel ja gemeinsam auftreten - wie heißt die Kombination dort?

Bogocz: Gute Frage. Wir tendieren zu einem eigenständigen Namen.

STANDARD: In die Richtung Wirtschaft online, Economy ...

Bogocz: Wenn wirtschaft.at noch verfügbar wäre, wäre das ein schöner Titel.

STANDARD: In Ihrem Mutterkonzern gibt es mit "Capital", "Impulse" ja noch ein paar Wirtschafts-Monatsmagazine. Gibt es mit denen keine Synergiepotenziale?

Bogocz: Ein gutes Thema. Eine Eigenheit der gesamten Verlagsbranche in Deutschland wie in Österreich ist ein Kästchendenken in den Redaktionen: Ich habe eine Geschichte, die hab' ich ausgegraben, das ist meine Geschichte. Im Enthüllungsjournalismus habe ich dafür Verständnis. Aber wenn es um die zehn tollsten Urlaubsziele dieses Sommers geht, habe ich dafür null Verständnis. Jede Branche dieser Welt ist darauf getrimmt, etwas zu schaffen und dieses dann bestmöglich wirtschaftlich auszubeuten. Alle außer der Printbranche.

Bei Servicethemen, Autotests spricht vieles dafür, bei Rezepten etwa. "Blunzengröstl" können Sie natürlich nur in Österreich zum Besten geben. Aber "das perfekte Steak" funktioniert weltweit - außer in Indien. Der Gedanke bewegt uns im ganzen Konzern, heißt dort "House of Content". Dafür braucht es einerseits technische Lösungen, andererseits ein Verständnis bei den Chefredakteuren. Bei Condé Nast gibt es auf einige Artikel von "Vanity Fair" Sperrvermerke, dass sie zwölf Monate nirgendwo sonst verwendet werden dürfen. Das ist irrwitzig.

STANDARD: Gruner+Jahr geht in Sachen Synergien auch weiter und hat die Redaktionen "Financial Times Deutschland", "Börse Online", "Capital" und "Impulse" in eine Zentralredaktion vereinigt. Dieses Thema Zentralredaktion geistert auch immer wieder durch Chefetagen der Verlagsgruppe News.

Bogocz: Erstens braucht es für eine Zentralredaktion eine kritische Größe, damit sich dadurch Kosten sparen lassen. Indem man Honorarverträge zentral abschließt, mit Fotografen und Textern günstigere Bedingungen herausarbeiten kann etc. Inhaltlich gibt es zweitens Dinge, die die Persönlichkeit einer Zeitschrift bestimmen. Bei People-Magazinen etwa der Zugang zu Stars und deren Bereitschaft, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Das ist meist auch markengesteuert.

Wenn Sie einem Star sagen: Die Geschichte kommt in der "Bunten" ... und dann in der "Freizeit Revue" - da wird die Bereitschaft zusammenzuarbeiten nicht wahnsinnig ausgeprägt sein. Im Layout sieht das anders aus. Da kann der "Bunte"-Layouter nicht mit dem Layout der "Freizeit Revue" überfordert sein. Vielleicht ist das für ihn sogar interessant, andere Lösungen zu finden. Damit habe ich bei Bauer im Jugendmarkt gute Erfahrungen gemacht. Das gibt den Mitarbeitern auch Entwicklungsmöglichkeiten.

STANDARD: Das heißt: Zentralisierung wäre schon ein Ziel, aber Sie wollen noch nicht so genau sagen, wie, aber das kommt.

Bogocz: Nein, das ist eine Überinterpretation. Bei "Format" und "trend" gibt und gab es diese Überlegungen. Natürlich könnte ein gemeinsames Layout eine Variante sein, wenn zwei Layouter an Format und zwei Layouter an trend arbeiten. Das bringt auch neue Zugänge, Alternativen in der Gestaltung. Das ist ein Entwicklungsfeld. Ich halte es aber für schädlich, immer alleine in die Richtung zu denken: Wo kann ich ausschließlich auf der Kostenseite noch etwas herausholen? Wir müssen in Zukunftsgeschäft und neuen Umsatzmöglichkeiten denken, in neuer Produktqualität. Wenn ich dem Kunden mehr Geld abnehmen möchte, muss ich auch dafür etwas liefern. Das erziele ich nicht, wenn ich immer weiter an den Grundfesten der Redaktion rüttle.

STANDARD: Heißt das nun: Gemeinsame Chefredaktion, aber keine gemeinsame Redaktion für "trend" und "Format"?

Bogocz: Das heißt: Teams formen da, wo es sinnvoll und eine Investition in die Produktqualität ist.

STANDARD: Generell das Thema Zentralredaktion für die Verlagsgruppe News?

Bogocz: Das ist ein Gespenst. Das ist ein Verlags-Modethema seit drei oder vier Jahren. Ich finde das ganz schädlich.

STANDARD: Kurz zurück zum Gesamtbild: Ist die Verlagsgruppe News schon personell auf dem Mindestlevel, oder gibt es noch Sparpotenzial?

Bogocz: Was ist ein Mindestlevel? Sobald ich über neue Geschäftsfelder nachdenke, stellt sich die Frage: Wie viel kann die bestehende Mannschaft davon übernehmen, wie viele Leute brauche ich zusätzlich. Wenn ich über das Digitalgeschäft nachdenke - wenn ich keinen aus der Mannschaft finde, muss ich extern suchen. Wenn ich mit einem Magazin nicht so über die Runden komme, wie ich mir das vorstelle, muss ich das Heft zumachen. Und wenn ich für die Fähigkeiten dieser Redakteure keine Verwendungsmöglichkeit habe, tut mir das leid. Dann muss man sich in der Sekunde trennen.

"Nein.": Für Bogocz ist kein Thema, e-media wieder tv-media einzugliedern. Und: Gusto laufe viel besser, als man hört, die Auto Revue so gut wie immer

STANDARD: Zurück zum Titelkanon: tv-media ist neben Woman der gewinnbringendste Titel der Verlagsgruppe, beide mit jeweils wohl fünf, sechs Millionen Ergebnisbeitrag, was Sie, wie gewohnt nicht kommentieren werden. Inhaltlich dazu: Die Gruppe hat e-media vor zwölf Jahren aus tv-media ausgekoppelt, schon läuft die Cousine nicht rund. Ich höre von Überlegungen, e-media wieder mit tv-media zu verschmelzen?

Bogocz: Einen gemeinsamen Chefredakteur gibt es ja.. Zur Leistungsfähigkeit von Titeln: Sie werden immer große Ozeandampfer in einem Verlag dieser Dimension haben und kleine Beiboote. e-media war einmal ein Spin-off, bedient einen Spezialmarkt, auch im Anzeigengeschäft. Man muss sich anschauen, ob es so wirtschaftlich interessant für uns ist. Ja, das ist es. Aber sie können es nicht mit der Rendite von News, tv media oder Woman vergleichen.

STANDARD: Ist eine Zusammenlegung ein Thema?

Bogocz: Nein.

STANDARD: Ich höre, Gusto, ein relativ wesentlicher Muskel in den Erträgen der Gruppe, soll 2011 stark nachgelassen haben?

Bogocz (lacht): Null dran. Komplett das Gegenteil ist der Fall.

STANDARD: Der Auto Revue geht es gut?

Bogocz: In den Maßen, wie es immer dem Titel gut gegangen ist: ja.

"Bekommen Sie von Ihrem Chef einen Obstkorb?": Warum Bogocz sogar seinen Powerfrauen die kulante Vitaminzufuhr gestrichen hat. Wie sie auch ohne Grünzeug eine neue „Woman"-Regionalausgabe für Oberösterreich sowie ein Hochzeitsspecial im Oktober stemmen werden. Und ja, wir bekommen keine Obstkörbe, aber Obststeigen.

STANDARD: Woman, wiederum einer der stärksten Ergebnisträger, soll 2011 erstmals nicht mehr so zugelegt haben?

Bogocz: Woman? Stimmt nicht.

STANDARD: Das Ergebnis hat zugelegt?

Bogocz: Ja. 

STANDARD: Sie haben als eine Ihrer ersten Maßnahmen hier Woman die Obstkörbe gestrichen. Das Sparpotenzial dürfte da doch eher überschaubar sein.

Bogocz: Ich weiß schon, es sind die kleinen Dinge, die die Menschen bewegen. Nicht nur bei Woman, im ganzen Haus. Da ging es mir um die Symbolik, das hat einen Luxustouch. Bekommen Sie von Ihrem Chef einen Obstkorb hingestellt? Und wir werden auch weiterhin da sparen, wo es nicht weh tut. Das gibt uns mehr Kraft in die Dinge zu investieren, die für unseren Erfolg wesentlicher sind als Obstkörbe.

STANDARD: Mir persönlich nicht, aber unsere Ressorts bekommen jede Woche Obst. Abgesehen von solchen Versorgungsfragen: Online wollen Sie, neben Wirtschaft und Auto, die Zielgruppe Frauen besonders offensiv angehen. In Print bleibt, nach der Pocketausgabe von Woman alles beim Alten?

Bogocz: Wir bauen auch Print aus: Im Oktober zum Beispiel kommt ein Hochzeits-Sonderheft.

STANDARD: Heiratet man nicht eher im Mai und Juni?

Bogocz: Ist auch so. Aber die Vorbereitungen beginnen lange davor. Ab März starten wir außerdem eine Oberösterreich-Ausgabe von Woman mit 16 Regionalseiten. Wir wollen probieren, wie das regional funktioniert.

STANDARD: Wer sponsert das? Eine regionale Modekette?

Bogocz: Die Frage beleuchtet ein österreichisches Phänomen (lacht): Es muss immer einen geben, der das zahlt. Ich habe gefragt, was wir uns davon versprechen und wie viel wir verkaufen wollen. Aber wir sehen natürlich auch ein regionales Anzeigenpotenzial. 

"Luft unter die Flügel gepustet": Wo sich Bogocz Zukäufe vorstellen kann. Und was er von den Fellners noch nicht hörte.

STANDARD: Kommen wir wieder zur Verlagsgruppe insgesamt: Wie sieht es mit Zukäufen von Titeln oder Verlagen aus - wobei Sie es als marktbeherrschendes Unternehmen wettbewerbsrechtlich vermutlich nicht so leicht haben.

Bogocz: Wir sind gut in allen wesentlichen Segmenten vertreten. Am österreichischen Markt wundert mich ein bisschen, dass Frauen nicht wie in Deutschland den deutlich größeren Teil der Magazinleser stellen. Über alle unsere Titel ist das Verhältnis von Männern und Frauen unter den Lesern praktisch ausgeglichen. Wir haben relativ wenig Titel, die klar Frauen ansprechen. Auf das Frauensegment müssten wir noch einmal genauer schauen, ob unsere Titel Woman und First den Markt ausschöpfen. Wenn es um Akquisitionen geht, schauen wir uns besonders den Onlinebereich an. Bei United Internet war ich dafür verantwortlich, Geschäftsideen zu identifizieren und auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen.

Wenn sie tragfähig waren, haben wir ihnen mit der Marketingpower des Gesamtunternehmens die nötige Luft unter die Flügel gepustet. Da kommt die Kraft unserer Medien ins Spiel, da sehen wir uns die eine oder andere Geschichte schon konkret an. Wir kennen unsere Zielgruppen, haben hohe Reichweiten. „Zalando" ist ein gutes Beispiel wie man neue Umsatzkanäle durch die Marketingkraft von Medien, in diesem Fall von ProSieben, befeuern kann. Allerdings kann man auch kritisch fragen: Was hat ein Schuhhändler mit einem Fernsehsender zu tun? Synergien sind gut so lange die inhaltlichen Brücken schlüssig und eng sind.

STANDARD: Von Woman zum Schuhhandel wäre es nicht weit.

Bogocz: Haben meine Vorgänger offenbar nicht aufgepasst (lacht) - Zalando hätten sie entdecken müssen. 

STANDARD: Umgekehrt gefragt: Gibt es Überlegungen, aus dem News-Portfolio etwas zu verkaufen?

Bogocz: Nö.

STANDARD: Von den News-Gründern und Österreich-Machern, den Brüdern Fellner, die noch 18,7 Prozent an der Verlagsgruppe News halten, und ihrem dort angeheuerten Vorvorgänger Oliver Voigt, hört man, dass sie gerne wieder eine größere Rolle bei der News-Gruppe spielen würden, womöglich Anteile zurückkaufen oder wohl eher -tauschen.

Bogocz: Das höre ich zum ersten Mal. Wollten sie das tatsächlich tun, würden sie wohl nicht bei mir anrufen, sondern bei den Gesellschaftern der Verlagsgruppe News.

STANDARD: Sie haben mit 25,3 Prozent den Kurier an Bord. Sehen sie mögliche Synergien mit der Zeitung?

Bogocz: Nein. So was ist immer relativ kompliziert. 

"Aus der journalistischen Perspektive verstehe ich das nicht": Bogocz über "Society". Und über andere Konkurrenz wie zum Beispiel Magazine von Dietrich Mateschitz. Über die sagt er:
"Journalistisch: Hochachtung. Wirtschaftlich aber ist das Harakiri."

STANDARD: Österreich bringt immer wieder neue Magazine auf den Markt, zuletzt "Society". Verstehen Sie das Heft?

Bogocz: Aus der journalistischen Perspektive verstehe ich das nicht, konzeptionell ist das für mich nicht schlüssig. Ich werde den Kollegen aber nicht mit einer Heftkritik weiterhelfen. Es steht mir auch nicht an, die Politik anderer Unternehmen zu kommentieren. Für mich ist das aber relativ schwer zu durchschauen. Man kündigt eine qualitativ hochwertige, neuartige Tageszeitung an mit starker Vernetzung im Onlinebereich, als Innovation tägliche Magazine - das ist doch im Ergebnis dann reichlich zusammengeschrumpft. Heute werden eigenständige Magazine angekündigt, die dann zum Supplement der Zeitung werden oder aber Supplements angekündigt, die dann plötzlich eigenständig am Kiosk zu bezahlen sind...

STANDARD: ... und die Zeitung wird Samstags plötzlich als Beilage des Magazins definiert.

Bogocz: Wie auch immer. Für mich sieht das nicht schlüssig aus. Aber ich bin ja erst seit fünf Monaten hier.

STANDARD: Society erscheint Ihnen nicht schlüssig, ihr eigenes Society-Heft First aber schon?

Bogocz: Der Bereich ist für mich schlüssig aus zwei Dimensionen: Natürlich ist das auflagentechnisch ein Solitär, teurer als die übrigen Hefte in dem Markt, der eine kleine, aber sehr kaufkräftige Zielgruppe anspricht. Das wird im Werbemarkt auch zunehmend so gesehen: Mit dem ersten Heft 2012 liegen wir 200 Prozent über dem Vergleichsmonat des Vorjahres. Das ist für uns ein Türöffner im Luxusmarkt, um Kunden in der Folge vielleicht auch in der Folge für andere Produkte unserer Gruppe zu interessieren.

STANDARD: Planen Sie neue Magazine über Spin-offs wie Hochzeitsspecials hinaus?

Bogocz: Ich habe noch keine konkrete Planung. Aber natürlich ist meine Anforderung an die Leute hier, mit Ideen nach vorne zu kommen. Da sind wir aber noch nicht in einer ernsthafteren Phase. Der Fokus liegt für uns klar auf digital.

STANDARD: Kommen wir zur übrigen und potenziellen Konkurrenz: Es kursieren Magazinpläne von Frank Stronach, auch aus dem Umfeld von André Heller ...

Bogocz: Dazu kann ich null sagen.

STANDARD: Nummer zwei, weit kleiner als Sie, sind die Magazine der Styria von Wienerin bis Business People.

Bogocz: Da erlebe ich keine echte Wettbewerbssituation.

STANDARD: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz gründet ein Magazin nach dem anderen, als nächstes geplant etwa eine Art "Universum" oder „Geo".

Bogocz: Als Journalist: Hochachtung! Macht er toll, holt sich gute Leute, bezahlt sie nach meinen Informationen übermäßig gut, gibt ihnen Freiräume, die sie vielleicht anderswo nicht mehr so finden. Wirtschaftlich verstehe ich das Modell überhaupt nicht. Strategisch ist das schwer einzuordnen. Red Bull müssen Sie als Konkurrent ernst nehmen, aber er ist für Sie nicht berechenbar. Titel wie „Servus in Stadt und Land" müssen Verlust schreiben. Jeder, der anderes behauptet, lügt. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Manchmal gibt es Liebhabereien, Hobbys, und die leistet man sich. Journalistisch betrachtet ist das Heft sauber gemacht, tolle Fotos, herausragende Produktqualität. Wirtschaftlich ist das Harakiri. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 10.2.2012/Langfassung)