Wien - "Heute" sei ein "Gratisboulevardblatt", dessen Geschichten offenbar nicht zwangsläufig "für bare Münze" genommen werden müssen. Davon zeigt sich am Donnerstag bei einem Medienrechtsprozess im Saal 202 des Wiener Landesgerichts ein Anwalt überzeugt. Das Ungewöhnliche: Es ist der Anwalt von "Heute".

Die Vorgeschichte: Im Herbst prangte auf der Titelseite der Zeitung ein Zitat des Malers Ernst Fuchs, das er in seinem Scheidungsverfahren machte. Sinngemäßer Inhalt: Noch-Gattin Eva und ihr Stiefsohn Michael hätten eine ungewöhnliche Vorstellung von Familienverhältnissen.

"Mich haben danach beim Billa die Leute hämisch angeschaut, eine Unbekannte ist hergekommen und hat ,Grüß Gott Frau Fuchs, wie geht es Ihrem Sohn?' gefragt", klagt die 69-jährige Künstlerin auf dem Zeugenstuhl.

Ob sie auch finanzielle Einbußen durch die Berichte (die Sache wurde einige Tage später neuerlich abgedruckt und ist auch im Internet-Archiv abrufbar) erlitten hätte, will Richterin Astrid Schillinger wissen. "Seit das war, haben die Leute eine Scheu", sagt Fuchs.

Interesse am Kundenkreis

Der Anwalt der Gegenseite versucht nachzubohren. Wer denn ihre Kunden so seien. Und ob deren Kaufmotivation eher der künstlerische Wert ihrer Werke oder ihr privates Verhalten sei? Der Kundenkreis gehe quer durch, von den Kaufgründen habe sie keine Ahnung, antwortet die Zeugin.

Warum den Juristen der Kundenkreis so interessiert, wird dann in seinem Schlussplädoyer deutlich. Denn Kunden aus gehobenen Kreisen würden - genau - nicht alles für bare Münze nehmen, was in einem Gratisboulevardblatt steht, versucht er eine Verurteilung wegen übler Nachrede und "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches" abzuwenden. Schon zuvor argumentiert er, dass ja nicht jeder der über 900.000 Leser sich jede Geschichte zu Gemüte führt. "Na ja, die Titelseite wird aber normalerweise schon gelesen", wirft Fuchs-Anwalt Michael Krüger ein.

Dessen Argumentation Richterin Schillinger folgt: Es liege "nicht einmal im Entferntesten ein Rechtfertigungsgrund vor", den Artikel so zu bringen, es handle sich um "reine Sensationslust". Ihr, nicht rechtskräftiges, Urteil: Jeweils 20.000 Euro Entschädigung für Eva und Michael Fuchs. (Michael Möseneder/DER STANDARD; Printausgabe, 10.2.2012)